Anna Schiester bei ORF Interview im Bürgermeisterbüro der Stadt Salzburg
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Grüne: „Innenstadt-Verkehrsberuhigung überfällig“

In der Stadt Salzburg sei eine Verkehrsberuhigung im Innenstadtbereich „überfällig“. Der Platz für einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs könne nur vom Individualverkehr kommen. Das betont Anna Schiester, Spitzenkandidatin der Grünen Bürgerliste bei der Gemeindewahl, im ORF-Wahlinterview.

In den letzten Jahren sei „keine einzige neue Busspur“ in der Stadt Salzburg möglich gewesen. Das soll sich nach dem Willen der Grünen in den nächsten fünf Jahren ändern. Sie wollen eine Verkehrsberuhigung auf den Straßen gerade im Innenstadtbereich, um mehr Platz für den Radverkehr, aber auch für Busse zu schaffen. Das betonte Anna Schiester in dem Interview.

Schiester ist 35 Jahre alt, stammt aus Kuchl (Tennengau), wollte eigentlich Journalistin werden und landete schlussendlich in der Politik. Nach den Personal-Rochaden bei den Grünen im Herbst 2022 löste sie Martina Berthold an der Spitze der grünen Bürgerliste in der Landeshauptstadt ab und ist jetzt Baustadträtin. Am Sonntag geht sie für die Stadt-Grünen als Spitzenkandidatin um das Bürgermeisteramt ins Rennen. ORF-Salzburg-Chefredakteur Gerd Schneider interviewte sie.

Das Wahlinterview

Gerd Schneider, ORF Salzburg: Frau Schiester, Sie wollen am Sonntag zur Bürgermeisterin der Stadt Salzburg gewählt werden. Auf Ihren Plakaten ist auch zu lesen: Wählt Sie. Warum sollen Sie denn die Salzburgerinnen und Salzburger wählen?

Anna Schiester, Grüne Bürgerliste: Schauen Sie, ich bin das einzige weibliche Angebot an die Salzburgerinnen und Salzburger, was eigentlich tragisch ist für das Jahr 2024. Ich stehe für die echte Verkehrswende, wir stehen für eine mutige Wohnungspolitik und für Veränderungen in dieser Stadt, um den Stillstand zu beenden und hier bin ich ein eigenes Angebot an die Salzburgerinnen und Salzburger.

ORF-Salzburg-Wahlinterview mit Anna Schiester, Grüne

ORF: Warum stagniert denn die Partei, wenn die Kernthemen der Bürgerliste wie Umwelt, Verkehr und auch leistbares Wohnen bei den Bürgerinnen und Bürgern ganz vorne liegen?

Schiester: Schauen Sie, ich glaube, die Zeiten für die Demokratie und für Parteien sind generell schwierige. Ich glaube, wir sind ein gutes Angebot, wir vertreten diese Themen glaubhaft und in Zeiten wie diesen, wo die sehr krisenbehaftet sind, global, aber natürlich auch in der Stadt Salzburg, wo sich das niederschlägt, ist es gut, dieses Ergebnis zu halten, aber ich freue mich natürlich, wenn wir Zugewinne auch machen.

ORF: Kommen wir gleich zum Thema Verkehr, ein sehr wichtiges Thema für die Bürgerliste. In Ihrem Programm steht die Verkehrsberuhigung in der Altstadt an oberster Stelle. Ihre Zustimmung zum S-Link verknüpfen Sie mit Bedingungen. Hat das mit der mehrheitlichen Ablehnung des S-Link in der Stadt Salzburg bei der Befragung zu tun oder ist das Wahltaktik?

„Verkehrsberuhigung an der Oberfläche“ bei S-Link-Bau

Schiester: Weder noch. Wir haben von Anfang an gesagt, dass es für unsere Zustimmung zum S-Link Bedingungen gibt, nämlich, dass es ein Gesamtverkehrskonzept braucht, dass es eine Gesamtfinanzierung braucht, die nach wie vor nicht vorliegt. Und es braucht eine Verkehrsberuhigung an der Oberfläche, wenn unterirdisch gebaut wird. Das war von Anfang an unsere Position und daran knüpfen wir das auch und dabei bleiben wir auch.

Anna Schiester bei ORF Interview im Bürgermeisterbüro der Stadt Salzburg
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Anna Schiester ist die Spitzenkandidatin der grünen Bürgerliste

ORF: Es soll ja weitere Befragungen geben, auch außerhalb der Stadt, eine Befragung ist geplant. Wie würde es denn aussehen, wenn dort auch mit Nein gestimmt würde?

Schiester: Wir halten diese regionale Befragung für sinnvoll, es müssen dazu aber alle Fakten auf dem Tisch liegen, die Befragung jetzt war einfach zu einem sehr frühen Zeitpunkt, wo viele Fakten und Informationen noch nicht bekannt waren, auch uns in der Politik nicht und diese Befragung, da braucht es ein doppeltes Jahr, es darf nicht zu einem zweiten Olympia kommen.

ORF: Sie wollen ja neue Busspuren, Grünoasen, 1.000 neue Bäume pflanzen, Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet. Einige dieser Anliegen hat es auch schon in der Vergangenheit gegeben. Sie sind aber immer entweder am politischen Mitbewerb, am Platz oder auch am Denkmalschutz gescheitert. Warum sollte sich das in der Zukunft eigentlich ändern?

Verkehr: ÖVP hat „einfach alles blockiert“

Schiester: Ich glaube, dass sich die Zeiten ganz klar geändert haben. Also vor zehn Jahren war Klimaschutz noch nicht in aller Munde, heutzutage sagen die meisten Menschen, Klimaschutz muss gemacht werden, es braucht eine Verkehrswende. Ich glaube, hier hat sich auch das Mindset in der Bevölkerung geändert und ich habe in den letzten fünf Jahren, seit ich im Gemeinderat bin, einfach erlebt, wie es ist, mit einer ÖVP zu arbeiten, die einfach alles blockiert. Da war keine einzige Busspur möglich. Der Öffi-Takt sieht so aus, wie er aussieht, ist ein wirkliches Armutszeugnis und hier ist einfach nichts passiert. Und die Menschen erwarten sich das auch, dass es zu einer Verkehrsberuhigung kommt bei ihnen im Wohnumfeld. Aber auch die Innenstadtverkehrsberuhigung ist längst überfällig und ich frage mich: Warum haben wir das nicht längst gemacht als junge Politikerin, aber jetzt ist es höchst an der Zeit.

ORF: Neue Busspuren würden ja auch mehr Platz brauchen, das weiß man ja. Und der Obus hat ja vor allem deswegen so wenig Akzeptanz bei der Bevölkerung, weil ein öffentlicher Verkehr, der selber im Stau steht, ganz einfach unbeliebt ist. Wo soll denn der Platz für neue Busspuren herkommen – das würde ja auf Kosten des Individualverkehrs gehen?

„Platz kann nur auf Kosten des Individualverkehrs kommen“

Schiester: Natürlich braucht es hier Busspuren, die Vorrang haben und ja, ich sage auch ganz ehrlich, auch wenn es eine unbequeme Debatte ist, die man führen muss: Wenn wir dem öffentlichen Verkehr oder dem Radverkehr Vorrang einräumen wollen in unserer Stadt, muss der Platz von irgendwo herkommen und der kann nur auf Kosten des Individualverkehrs kommen. Aber dann schaue ich mir auch an. Wir sehen dann immer gerne oder führen dann gerne die Debatte, was verlieren wir dadurch und ich möchte gerne die Frage stellen, was gewinnen wir dadurch als Stadt?

ORF: Ein zweites wichtiges Thema ist leistbares Wohnen in Salzburg. Sie wollen in den kommenden fünf Jahren 5.000 neue Wohnungen bauen, in erster Linie geförderte Mietwohnungen. Das ist in Ihrem Programm zu lesen. Auf welchen Flächen sollen denn diese Wohnungen errichtet werden? Die Stadt leidet ja unter massivem Baulandmangel und das Grünland im Süden wollen Sie ja nicht antasten.

Wohnen: Neubau zum Beispiel in Schallmoos

Schiester: Es müssen alle in der Stadt Interesse daran haben, dass wir das Wohnen zur Top-Priorität machen. Und hier haben wir zum Beispiel Schallmoos, einen versiegelten Stadtteil, wo viele Brachen sind, wo ungenutztes oder minder genutztes Gewerbe ist und wir haben über das Räumliche Entwicklungskonzept hier den Hebel und die Möglichkeiten, hier Bewegung reinzubringen. Hier braucht es alle und wir müssen hier auch alle raumordnungspolitischen Instrumente, die wir haben, nutzen, um das in Gang zu bringen und hier sehe ich großes Potenzial. Aber natürlich müssen wir auch Leerstand mobilisieren, wir müssen die Altstadt wieder als Wohnraum nutzbar machen, also wir müssen wirklich jetzt einen Kraftakt setzen und alle Instrumente nutzen, um Wohnen in dieser Stadt leistbar zu machen. Das ist eine sozialpolitische Frage, es ist eine Frage des gesellschaftlichen Miteinanders, aber es ist natürlich auch längst eine wirtschaftliche Frage geworden.

ORF: Ein weiteres wichtiges Thema ist ja die Kinderbetreuung in Salzburg, da fehlt es so wieder bei den Pflegeberufen in den Seniorenheimen, vor allem am Personal. Sie wollen mehr öffentliche, leistbare Kinderbetreuungseinrichtungen mit längeren Öffnungszeiten. Woher soll denn dafür das Personal kommen?

Schiester: Wir brauchen eine echte Ausbildungsoffensive, hier gibt es Geld vom Bund. Da müssen das Land und die Stadt alles tun, dass mehr Personal kommt, aber dass auch das Personal gehalten werden kann. Da geht es um die Arbeitsbedingungen und es geht auch um eine finanzielle Wertschätzung. Das ist so ein wichtiger Beruf, wir müssen den endlich besser bezahlen. Dann bin ich überzeugt, dass auch mehr Menschen in diesen Beruf einsteigen und diesen Beruf auch lange und gerne ausführen werden.

ORF: Wie sehr nervt Sie eigentlich, dass Kay-Michael Dankl nicht mehr Grüner ist?

Dankl „nervt mich überhaupt nicht“

Schiester: Das nervt mich überhaupt nicht, es ist Platz für Kay-Michael Dankl in dieser Stadt und es ist Platz für Anna Schiester und die Bürgerliste in dieser Stadt, also mich nervt das überhaupt nicht. Ich bin froh, dass es Menschen dieser Stadt gibt, die etwas weiterbringen wollen, ich glaube hier ist auch ein Generationenwechsel gut in der Stadt – also meine Nerven, da nervt mich etwas anderes ganz viel mehr.