Die Veransaltung im Vorfeld der Festspieleröffnung trug den Titel „Verfassung der Kultur – Kultur der Verfassung“. Dass die Bundesverfassung der Ersten Republik Österreich (damit nach dem Nationalsozialismus ab 1945 auch der Zweiten Republik) und die Salzburger Festspiele gleich alt sind, das ist kein Zufall.
Beide hatten vor genau 100 Jahren ihre Ursprünge in den wirtschaftlich äußerst harten Folgen des Ersten Weltkrieges. Große Teile der heutigen Verfassung gehen auf den Wiener Rechtsphilosophen und Rechtswissenschafter Hans Kelsen zurück. Der stammte aus einer jüdischen Familie in Prag, Jahrgang 1881.
Aufbruch in die Moderne, zwei Pioniere
Der Theatermann, Regisseur, Impresario und Festspielgründer Max Reinhardt – geboren 1873 in Baden bei Wien (Niederösterreich) – verstand sein Salzburger Festival als Friedensprojekt und Turbo für eine neue Zeit. Als qualitativ hochwertiges, tröstliches und international beachtetes Kulturprogramm, das der völlig verarmten, hungernden Bevölkerung und der landschaftlich prachtvollen Region Salzburg sowie ganz Österreich auch touristischen Erfolg bringen sollte.

Asche im Pazifik
Kelsen machte noch Karriere in den USA, wo er bis 1957 an der University of California in Berkeley das Fach Politikwissenschaft lehrte. Er starb mit fast 92 Jahren an einem Herzinfarkt am 19. April 1973 in Orinda. Seine Asche wurde auf eigenen Wunsch im Pazifischen Ozean ausgestreut.
Grab in New York
Max Reinhardt war schon am 31. Oktober 1943 im New Yorker Exil gestorben – wenige Wochen nach seinem 70. Geburtstag an den Folgen mehrerer Schlaganfälle, die durch einen Hundebiss ausgelöst worden sein sollen. Salzburgs Festspielgründer liegt in einem kleinen Mausoleum auf dem jüdischen Westchester Hills Cemetery in Hastings on Hudson nahe New York begraben.
Die Familie betrachtete diese Beisetzung nur als „vorübergehende Lösung“ bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Doch beließ sie es später dabei, weil sich Reinhardt noch zu Lebzeiten entschlossen hatte, nie wieder deutschen, österreichischen oder Salzburger Boden zu betreten – wegen der Erfahrungen, die er hier gemacht hatte.
CoV-Politik: Kritik vom Chef des Verfassungsgerichtes
Kritik an den CoV-Vorschriften der Bundesregierung und an Österreichs Verwaltungsbehörden hat bei dieser Diskussion am Freitag der Präsident des Verfassungsgerichtshofes geübt. So „ziemlich alle Grundrechte“ seien seit Frühling 2020 „massiv beeinträchtigt“ gewesen, sage Christoph Grabenwarter. Ähnliches habe es „seit 1945 in diesem Land nicht gegeben“ – mehr dazu in salzburg.ORF.at (24.7.2020)
Präsidentin verwies auf NS-Terror ab 1938
Festspielpräsidentin Helga Rabl Stadler verwies Freitagmittag in ihrer Rede beim Festakt in der Aula auf das bittere Schicksal des Gründers, der 1937 wegen seiner jüdischen Wurzeln vertrieben wurde. Im Exil der USA entging er der Ermordung durch die Nazis. Rabl-Stadler: „Umso beschämender war es, dass Max Reinhardt nicht einmal 20 Jahre nach der Gründung – wie so viele Künstler – Österreich verlassen musste.“
Den Bogen zwischen Verfassung und Kultur schlug auch Christoph Grabenwarter, Präsident des Verfassungsgerichtshofes: „Der Verfassungsstaat dient den Menschen, indem er ihre Freiheit schützt.“
Die Festspiele selbst beginnen Samstag in einer Woche (31. Juli 2020) mit der Oper Elektra und der Premiere des Jedermann.
Festspiel-Symposion in der Aula
In einer Woche beginnen die Salzburger Festspiele – etwas anders als gewohnt: verkürzt, nur die halben Sitzplätze, keine Pausen, viel Corona-Schutz. Und dennoch ist man froh, dass es sie heuer überhaupt gibt.
Schriftstellerin Haderlap mit harter Kritik
„Wir feiern heute zwei 100-jährige Jubiläen von zwei Institutionen, die sehr unterschiedlich sind, die aber jede auf ihre Weise das Fundament des Hauses Österreich bilden“, sagte Schriftstellerin Maja Haderlap bei dem Veranstaltung. Sie thematisierte in ihrer Rede die Coronapandemie und ihre Auswirkung auf die Kultur. Sogar bei der Bewältigung der Krise herrsche der allgemeine Wettbewerb vor, kritisierte die Autorin.
Ausnahmezustand als Gefahr für Kunst und Kultur
Nach dem Lockdown sei das wirtschaftliche im Gegensatz zum kulturellen Leben schnell wieder aufgenommen worden – „sah die Politik im Kunst-, Kultur- und Bildungsbereich nur die Ansteckungsgefahr?“, fragte Haderlap. „Es schien, als wollte man den Stellenwert von Kunst und Kultur neu bestimmen“, als ginge es dabei um Schmuck, um Luxus, nicht „um einen zentralen Teil unsere Identität.“
„Ein verbindlicher Grundkanon, wie ihn die Verfassung vorgibt, müsste auch für gesellschaftliche Ausnahmezeiten ausgearbeitet werden“, schlug Haderlap vor: „Ausnahmezustände, die unsere Demokratie in Gefahr bringen, werden wohl zunehmen.“
Es mache sie zuversichtlich, dass die Salzburger Festspiele, wenn auch in reduzierter Form, stattfinden. „Es ist ein Statement.“ Haderlap wies allerdings auf die „dramatische Situation“ der prekär arbeitenden Kunstschaffenden hin und appellierte, dass auch etablierte Kulturinstitutionen sich für die Verbesserung ihrer Bedingungen einsetzen.