Sensationsfund an Universitätsbibliothek
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Kultur

Uralte Bibel: Sensationsfund der Buchdruckerkunst

Bibliothekarinnen der Universitätsbibliothek Salzburg haben Fragmente einer der ältesten gedruckten Bibeln aus der Zeit von Johannes Gutenberg gefunden. Die akribische Aufarbeitung des Sensationsfunds legt noch weitere Spuren ins historische Salzburg nahe.

Entdeckt haben die Forscherinnen die wertvollen Fragmente in mehr als 5.000 Bänden der Bibliothek des Kapuzinerklosters Salzburg. Die Mönche haben im vergangenen Jahr ihre gesamte Bibliothek der Universität geschenkt, wo die Sammlung jetzt wissenschaftlich aufbereitet wird. Dabei ist der Leiterin der Sondersammlung der Bibliothek der Universität Salzburg, Beatrix Koll, der Sensationsfund geglückt.

Bei der Untersuchung der Bestände der Kapuzinerbibliothek wird Werk für Werk für die Datenbank erfasst und auf Besonderheiten wie handschriftliche Einträge, Notizen und Fragmenteinbände untersucht. Bei einem Bucheinband wurde Koll stutzig, es handelte sich um eine Seite des Epheserbriefs aus der Bibel, gedruckt auf Pergament. „Dann war das für mich schon ein Erlebnis, wo ich mir gedacht habe, das könnte jetzt tatsächlich der Augenblick sein, wo ich vor einem der ältesten Druckwerke sitze, das Europa hervorgebracht hat“, sagt Koll.

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Als kostbarer Rohstoff wurde auch bereits bedrucktes Pergament erneut verwendet, etwa um andere Bücher damit einzubinden
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Die Sensationsfunde auf den Einbänden waren für Laien nicht zu erkennen
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Erst die akribische wissenschaftliche Untersuchung der Einbände offenbarte die Sensation
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Koll stieß bei der Untersuchung der Fragmente auf die verräterischen Details …
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… wie die charakteristisch hochgestellte Neun …
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… oder das sichelförmige Wasserzeichen
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Anhand von Vergleichsmustern aus der Fachliteratur lässt sich dieses Wasserzeichen einer Salzburger Werkstatt zuordnen
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Die kostbaren historischen Drucke werden vorsichtig mit Baumwollhandschuhen geöffnet, um keine Schäden durch Hautfett zu verursachen
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Im unterirdischen Depot der Universitätsbibliothek Salzburg haben die Bestände der Kapuziner Aufnahme gefunden

Seltener Nachdruck der berühmten Gutenberg-Bibel

Als ihr noch verspielte Schnörkel beim Buchstaben X und Bögen anstelle von i-Punkten auffielen, war Koll rasch klar, was sie entdeckt hatte: „Dann habe ich mir das Schriftbild genauer angesehen. Das Erste, was mir aufgefallen ist, war ein lateinisches Kürzel. Das schaut aus wie eine hochgestellte Neun, und die ist da ungewöhnlich prägnant, relativ groß gedruckt, und das war der erste Anfall von Unruhe, der mich da ergriffen hat.“

Konkret handelte es sich um ein Fragment einer 36-zeiligen Bibel, „B36“ genannt. Sie stammt aus derselben Zeit wie die berühmte 42-zeilige Gutenberg-Bibel, ist aber erheblich seltener. Lediglich 13 Exemplare dieser Bibel und 62 Fragmente sind weltweit bisher noch bekannt. „Bei der ‚B36‘ hat man lange Zeit angenommen, aufgrund dieser schlanken Drucklettern, dass sie älter ist als die Gutenberg-Bibel. Im Laufe der Forschung hat sich aber herausgestellt, es ist ein fehlerhafter Nachdruck der Gutenberg-Bibel. Man nimmt Bamberg als Druckort an, circa 1459, 1460, vielleicht von einem Gesellen Gutenbergs in Bamberg gedruckt“, sagt Koll.

Wasserzeichen weist auf Salzburger Werkstatt hin

Mittlerweile hat Koll ein zweites Fragment einer „B36“ ebenfalls als Pergamenteinband auf einem Buch der Kapuzinerbibliothek entdeckt. Bei genauerer Untersuchung der Innenseite des Buchdeckels, dem Buchspiegel, mit einem Leuchtschirm fand Koll ein Wasserzeichen, das einen weiteren entscheidenden Hinweis gibt: „Das Spannende an diesem Sichelwasserzeichen ist: Es weist auf Salzburg hin. Das heißt Salzburg im 17. Jahrhundert. Ein weiterer Puzzlestein könnte dafür gefunden worden sein, dass das Buch in der zweiten Hälfte oder in der Mitte des 17. Jahrhunderts diesen Einband bekommen hat“, sagt Koll.

Sensationsfund der Buchdruckerkunst

Weitere Überraschungen aus Kapuzinerbibliothek erwartet

Wem der Salzburger Nachdruck ursprünglich gehört hat, ist bisher unklar. Die Universitätsbibliothek besitzt damit nun jedenfalls die zwei ältesten Druckfragmente Salzburgs. Nur die Nationalbibliothek besitzt in Österreich sonst ein Exemplar der „B36“, ein Fragment besitzt die Universitätsbibliothek in Graz.

Die Universität hat einzigartige Funde erwartet, als sie die Bibliothek der Kapuziner übernommen hat. „Das war uns bewusst, und deswegen haben wir uns auch so eingesetzt, dass wir – mit gutem Wissen, einer hohen Fachkompetenz – sagen, wir übernehmen das mit einem Auftrag, es für die Forschung und Lehre zur Verfügung zu stellen“, sagt dazu die Leiterin der Universitätsbibliothek Salzburg, Ursula Schachl-Raber. 80 Prozent der Bücher der Kapuzinerbibliothek sind bisher noch nicht eingehend untersucht. Gut möglich, dass in den kommenden Monaten noch weitere Sensationsfunde dazukommen.