Polizisten sichern die Spuren nach der Verfolgungsjagd
ORF/ Arnold Klement
ORF/ Arnold Klement
Chronik

Migranten angeschossen: Ermittlung gegen Polizisten

Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt gegen eine Polizistin und einen Polizisten wegen des Anfangsverdachtes des versuchten Mordes. Die Beamten sollen bei einer Verfolgungsjagd in der Dunkelheit zwei illegal reisende Syrer mit Schüssen verletzt haben, einen davon lebensgefährlich.

Die genauen Umstände bei dem Waffengebrauch sind noch nicht bekannt. Die Ermittlungen seien im Anfangsstadium, teilte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Es müssten auch noch die Stellungnahmen der beiden Verdächtigen über ihre Sicht der Dinge bei diesem Einsatz abgewartet werden.

Die Beamten verfolgten vor neun Tagen ein mutmaßliches Schlepperfahrzeug mit zehn Migranten. Ein Polizeiwagen wurde dabei von dem rumänischen Fahrer des Transporters auch gerammt. Der Mann lieferte der Polizei eine fast 30 Kilometer lange Verfolgungsjagd durch den Pinzgau.

Schlepper rammte Polizeiwagen

Beim Bestreben, dieses Auto zu stoppen, sei seitlich aus einer Pistole der Polizei geschossen worden, heißt es. Wenig später sei der Schuss aus einem Sturmgewehr der Exekutive dazugekommen. Einer der beiden getroffenen Syrer wurde laut Staatsanwaltschaft am Kopf lebensgefährlich verletzt, der andere leicht.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Salzburg, Elena Haslinger, bestätigte am Mittwoch der APA den Zeitungsbericht über die Ermittlungen: „Wegen diverser Umstände bei den Schussabgaben – etwa Schussrichtung, Schusskanal und Einschüsse an dem Fahrzeug auf Höhe des Oberkörperbereichs von Insassen – kann ein bedingter Tötungsvorsatz derzeit nicht ausgeschlossen werden.“ Das bedeutet, die beiden Verdächtigen könnten es bei ihrem Handeln für möglich gehalten haben, jemanden zu töten.

Gefährliche Szenen bei Dunkelheit

Der Vorfall ereignete sich am 11. Dezember in den frühen Morgenstunden. Die Salzburger Polizei war damals von den Kollegen in Bayern verständigt worden, dass sich der Lenker eines Kastenwagens bei der Einreise der Kontrolle entzogen habe, indem er umdrehte und davonraste. Zunächst nahmen die deutschen Polizisten selbst die Verfolgung auf der Pinzgauer Bundesstraße vom Steinpass Richtung Saalfelden auf und wurden kurz danach von den heimischen Kräften abgelöst. Einer Salzburger Streife gelang es schließlich, dem Kastenwagen vorzufahren, und die Polizisten versuchten, das Fluchtfahrzeug zum Anhalten zu bringen. Dabei rammte der Kastenwagen wiederholt den Streifenwagen.

Polizeibericht: „Unmittelbare Gefahr für Unbeteiligte“

Schließlich gab einer der Polizisten während der Fahrt zwei Schüsse aus der Pistole auf das Fluchtfahrzeug ab, „um die unmittelbare Gefahr für Unbeteiligte und die Einsatzkräfte zu beenden“, hieß es im Polizeibericht. "Hier wurde aus kurzer Distanz in Richtung Fahrerseite des Fluchtautos geschossen. Die beiden Einschüsse gegen die Scheiben erfolgten auf Oberkörperhöhe der Insassen. „Dies indiziert möglicherweise einen bedingten Tötungsvorsatz“, so Haslinger.

Die Projektile dürften laut Polizei „im Fluchtfahrzeug eine Splitterwirkung entfaltet“ und dabei einen hinter dem Lenker sitzenden 19-jährigen Syrer an der Hand getroffen haben. Dieser Mann lehnte eine ärztliche Behandlung ab.

Schuss aus Sturmgewehr: Treffer am Kopf

Der Lenker – ein 34-jähriger Rumäne – setzte trotz der Schüsse die Flucht fort. Kurz vor Saalfelden verließ er dann die Bundesstraße, kam von der verschneiten Straße ab und blieb im Schnee stecken. Der Lenker rannte in der Dunkelheit davon, zurück im Wagen blieben zehn Syrer. Als zwei Polizistinnen die Insassen zum Aussteigen aufforderten, gab eine 34-jährige Beamtin aus noch unbekannter Ursache einen Schuss aus dem Sturmgewehr der Polizei ab, der einen 27-jährigen Syrer im Auto traf. Die Polizei machte damals auch auf Nachfrage keine Angaben zum Grad der Verletzung. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte nun, dass der Mann am Kopf getroffen und lebensgefährlich verletzt worden sei.

Polizeidirektor: „Kein bedingter Tötungsvorsatz“

Mehr als eine Woche nach der Verfolgungsjagd meldet sich nun Landespolizeidirektor Bernhard Rausch in der Sache zu Wort und sagt, die Beamten hätten ohne bedingten Tötungsvorsatz gehandelt: „Wir haben jetzt die Aufgabe, das einerseits der Staatsanwaltschaft zu berichten. In dem Fall macht das die Landespolizeidirektion Vorarlberg. Andererseits beurteilen wir es aus dienstbehördlicher Sicht und da ist nach unserem jetzigen Erkenntnisstand jedenfalls nicht von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen“, sagt Polizeidirektor Rausch. Die beiden Beamten seien zurzeit nicht im Dienst. Sie müssen, so wie andere Beteiligte, laut Rausch erst befragt werden.

Verfolgungsjagd über fast 30 Kilometer

Den Lenker nahm die Polizei kurz nach dessen Flucht fest. Die Verfolgungsjagd hatte sich über fast 30 Kilometer gezogen. „Die Flucht erfolgte trotz schlechter Witterung mit Regen, Schneefall und Eisglätte, mit stark überhöhter Geschwindigkeit und ohne Rücksicht auf die im Fahrzeug befindlichen syrischen Staatsangehörigen, unbeteiligte Verkehrsteilnehmer sowie die eingesetzten Polizeikräfte“, hieß es im Polizeibericht. Die zehn Syrer wollten sich von dem mutmaßlichen Schlepper von Slowenien nach Deutschland bringen lassen.

„Ermittlungen noch am Anfang“

Gegenüber der APA erläuterte Staatsanwaltssprecherin Elena Haslinger, dass das Ermittlungsverfahren noch im Anfangsstadium sei und die Ermittlungen „nicht bedeuten, dass das in Stein gemeißelt ist und so bleiben muss.“

So müsse man abwarten, wie sich die beiden Beschuldigten verantworten. „Bei der Polizei gibt es Regelungen über den Schusswaffengebrauch, also wann und wie ein solcher gerechtfertigt ist“, so Haslinger. Daher werde geprüft, ob es Rechtfertigungsgründe gab. Aufgrund der Fotos der Einschusslöcher im Auto sei derzeit ein bedingter Tötungsvorsatz nicht auszuschließen. „Es schaut so aus, als ob die Schüsse dem Fahrer gegolten haben.“ Die Sprecherin bestätigte auch, dass das Opfer des Schusses aus dem Sturmgewehr „ganz massive Gesichtsverletzungen“ erlitten habe, die lebensgefährlich waren.

Migranten angeschossen: Ermittlung gegen Polizisten

Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt gegen eine Polizistin und einen Polizisten wegen des Anfangsverdachtes des versuchten Mordes.