Die beiden österreichischen Intellektuellen fühlten sich auch über ihre jüdischen Wurzeln und deren gelegentlich ironisch-selbstreflexive Betrachtung verbunden.
Das Salzburger Literaturarchiv ist nun laut eigenen Angaben wichtigster Bestandshalter von Zweigs Nachlass in Europa, hieß es am Montag bei der Präsentation dieser kulturellen Neuigkeiten.
Sie freuten sich auf Hitlers Untergang
Die angekauften Briefe entstanden in den Jahren von 1920 bis 1939. Zweig schickte Freud regelmäßig seine neuen Bücher und sonstigen Publikationen. So geht es etwa im ersten Brief vom 3. November 1920 um die kritische Reaktion Freuds auf Zweigs Darstellung von Dostojewski in seinem Band „Drei Meister“.
Wiederholt fallen in den Schreiben die Namen von prominenten Zeitgenossen, deren Besuch bei Freud Zweig vermittelte, etwa von Romain Rolland (1924), H. G. Wells (1933) und Salvador Dali, der Freud am 19. Juli 1938 anlässlich eines gemeinsamen Besuchs porträtierte.
Pointierte Korrespondenz der beiden Stars
Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkrieges schrieb Zweig am 14. September 1939 in seinem letzten Brief an Freud: „Wir müssen jetzt fest bleiben – es wäre sinnlos zu sterben, ohne vorher die Höllenfahrt der Verbrecher gesehen zu haben.“ Doch der damals 83-jährige Begründer der Psychoanalyse starb kurz darauf: Nur zwölf Tage nach diesem letzten Brief hielt Zweig in London eine Gedenkrede auf den verstorbenen Freud.
Langer Umweg über Jerusalem und London
Die Briefe, die Freud bis 1932 an Zweig geschrieben hatte, übergab der Schriftsteller bei der Auflösung seines Salzburger Haushalts an die Vorgängerinstitution der heutigen National Library of Israel in Jerusalem.
Freuds Briefe ab 1932 wurden 2015 bei Sotheby’s in London angeboten und gelangten wahrscheinlich an unterschiedliche Käufer.
Rabl-Stadler trieb Sponsoren auf
Bei der Suche nach Sponsoren für den Ankauf der Briefe setzten die Universität Salzburg und das Literaturarchiv auf eine Person, die das bereits sehr lange und erfolgreich für die Salzburger Festspiele getan hatte – deren einstige Langzeitpräsidentin Helga Rabl-Stadler.
Weitere Briefe in New York und Israel
Neben dem Literaturarchiv in Salzburg verfügen auch die Reed Library Fredonia im US-Bundesstaat New York und die National Library of Israel in Jerusalem über ähnlich bedeutende Bestände aus dem Nachlass des Schriftstellers.
Auf eigener Website publiziert
Die neu erworbenen Briefe stehen nicht nur im Literaturarchiv der Forschung zur Verfügung, sondern sind ab sofort auf der vom Literaturarchiv betriebenen Website Stefan Zweig Digital als digitale Faksimiles online frei zugänglich.
Sie finden diesen Link bei uns hier …
Warum flüchtete Zweig schon 1934?
Am 18. Februar 1934, wenige Tage nach dem Februar-Aufstand der Sozialdemokraten gegen den austrofaschistischen Ständestaat, durchsuchte die Polizei Zweigs Haus auf dem Salzburger Kapuzinerberg.
Antisemiten und politische Gegner hatten ihn – den Pazifisten – mit der Lüge angeschwärzt, dass sich in seinem Haus Waffen des Republikanischen Schutzbundes der Sozialdemokraten befänden. Zweig merkte zwar, dass die Durchsuchung nur pro forma durchgeführt wurde. Die Vorgänge schockierten ihn dennoch so sehr, dass er zwei Tage später in den Zug stieg, nach London emigrierte und nie wieder zurückkehrte.
Freud dagegen verließ erst im Juni 1938 seine Heimat Wien in Richtung London, um sich vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Diese hatten wenige Monate zuvor in Österreich beim „Anschluss“ die Macht übernommen.
Zweig übersiedelte später von London nach Übersee. Der berühmte Europäer, Österreicher und Salzburger versank aber in Heimweh und Depressionen und starb 1942 von eigener Hand im weiteren Exil in Brasilien.