Gletschersee mit Eisschollen bei der Pasterze am Fuß des Großglockners im Sommer 2021, im Vordergrund ein Wanderer
ORF/Peter-Paul Hahnl
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Umwelt&Klima

Klimawandel: Nichtstun erscheint vielen einfacher

Warum geht es uns besser, wenn wir ein existenzielles Problem ignorieren, anstatt etwas dagegen zu tun? Dazu forscht die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke an der Universität Salzburg. Gerade beim Kampf gegen die Klimakrise zeige sich dieses „Paradoxon“ besonders stark.

„Wir wissen, dass wir etwas ändern sollten, und dass die Konsequenzen wirklich verheerend sind (wenn wir nichts tun – Anm.). Nichtsdestotrotz sitzen wir da, warten ab“, betont Uhl im ORF-Radio-Salzburg-Interview. „Es fällt uns – zum Beispiel im Privaten – schwer, eingefahrene Verhaltensweisen zu ändern, aber auch auf wirtschaftlicher und politischer Ebene die wirklich notwendigen Handlungen zu setzen.“

„Es fällt uns schwer, Wissen in Handlung zu übersetzen“

Die Psychologin sieht hier einen „Umweltschweinehund“. Und dieser „ist ganz gut darin, uns immer wieder ein Bein zu stellen. Der tritt in vielen Facetten auf: in Form von Ausreden, in Form von automatischem Verhalten aus einer Gewohnheit, die uns oft gar nicht bewusst ist, oder in Form unseres Umfelds, das uns oft unbewusst beeinflusst. Da nehmen wir wahr, dass die umweltschädigende Handlung eigentlich der Usus ist und wir uns denken: ‚Warum soll ich jetzt da was ändern? Wenn’s die anderen auch so machen, kann es ja gar nicht so schlimm sein.“

Wenn man die Menschen aber auf der Straße fragt, ob sie Umweltschutz wichtig finden, dann würden die meisten „Ja“ sagen. Nur in der Praxis etwas zu ändern, das fällt vielen schwer. Und das „ist es auch, was mich aus Forschungssicht so packt“, sagt Uhl-Hädicke. „Denn der Großteil der Menschen hat das Bewusstsein. Der Klimaschutz oder der Klimawandel sind im Bewusstsein der Leute angekommen und wird auch als eine der größte Bedrohungen wahrgenommen. Nichtsdestotrotz fällt es uns so, so schwer, dieses Wissen in Handlung zu übersetzen.“

Innerer Zwiespalt über umweltschädigendes Verhalten

Für diesen inneren Zwiespalt – in der Psychologie kognitive Dissonanz genannt – gebe es im Umweltbereich öfter, sagt die Umweltpsychologin: „Zum Beispiel bei der Ernährung: Ich habe mir da nie groß Gedanken gemacht, ich esse aber gerne ein Schnitzel, das bereitet mir Freude. Und plötzlich kommt da vermehrt in den Medien oder durch Personen im Umkreis immer mehr der Hinweis, dass ein häufiger Fleischkonsum klimaschädigend ist und im Widerspruch dazu steht, dass wir eigentlich unseren Planeten erhalten möchten. Man sieht sich selbst aber vielleicht gar nicht also so umweltschädigende Person. Das löst eine Diskrepanz aus – kein so gutes Gefühl. Das wird jeder auch aus anderen Bereichen kennen. Niemand will sich ja als die ’böse Person‘ wahrnehmen.“

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Klimaschutz finden viele wichtig. Wenn es um konkrete Handlungen geht, fällt das aber vielen schwer.

Informationen werden heruntergespielt

Wie Menschen auf diesen Zwiespalt reagieren, sei aber unterschiedlich: Der „Idealfall“, dass man umdenke und sein Verhalten ändere, komme aber in der Praxis nur selten vor, sagt Uhl-Hädicke: „Die Menschen wählen andere Strategien, um dieses ungute Gefühl zu lösen: Zum Beispiel, dass man die Information herunterspielt – ‚So schlimm ist das ja gar nicht‘ –, dass man die Wichtigkeit herunterspielt – ‚Mein Nachbar isst ja viel öfter Fleisch‘ – oder dass man die Person herunterspielt, von der die Information kommt.“ Man versuche, diese Personen abzuwerten, um „sich selbst die Rechtfertigung zu geben, dass man sein Verhalten nicht ändern muss.“

Allerdings komme erschwerden hinzu, dass es vielen Menschen schwer vermittelbar ist, was das Schnitzel am Sonntag mit der globalen Klimaerwärmung zu tun hat. Denn die Komplexität der internationalen Lieferketten mit ihren Auswirkungen auf das Klima sei „so schwer greifbar. Da hat man oft nicht die Verbindung zur eigenen Lebensrealität“, weiß Uhl-Hädicke. „Das macht es auch so herausfordernd, dass die Leute tatsächlich ins Handeln kommen. Man kann ja auch den Leuten nicht sagen: ‚Jetzt lässt du dein Schnitzerl weg und nächstes Monat sind die Temperaturen wieder eher im Normalbereich.‘ Es ist ein viel, viel größerer, globaler Zusammenhang.“

Keine unmittelbaren Konsequenzen bemerkbar

Dabei werde das Verhalten eines Menschen „sehr stark durch Konsequenzen gesteuert“, betont die Umweltpsychologin. „Und gerade beim umweltfreundlichen Verhalten ist es so, dass man die Konsequenzen erst in der Zukunft merkt – und das auch nur, wenn alle global an einem Strang ziehen.“ Dabei dränge die Zeit – denn eines sei klar: „Wenn wir den Klimawandel wirklich tagtäglich massiv spüren, dann ist es zu spät, Änderungen zu setzen. Das ist es, was es für uns Menschen so schwer greifbar macht.“

Auf der anderen Seite zeige die Forschung auch: Je bedrohlicher eine Prognose oder ein Szenario ist, desto irrationaler reagieren die Menschen, ergänzt die Psychologin: „Das Wachrütteln durch Informationen – diese Strategie ist eher kontraproduktiv. Die Leute werden überfordert vom Klimawandel, das löst Hilfslosigkeit oder einen Kontrollverlust aus. Sie sind eher in den Verdängungsmodus gegangen statt zu sagen: ‚Gehen wir’s an, ich versuche, klimafreundliche Handlungen in meinem Alltag umzusetzen.‘“

Klimafreundliches Verhalten wird nicht belohnt

Eine weitere Schwierigkeit sei, dass man für umweltfreundliches Verhalten im Alltag nicht direkt belohnt werde – und auch keine sofortigen Auswirkungen zu sehen sein: „Im Moment ist es einfach so – auch durch die politischen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen –, dass es einfach leichter ist, klimaschädigend seinen Alltag zu gestalten als klimafreundlich.“

Einfache Tricks können zum Handeln motivieren

Es gebe aber auch Ansätze, um Menschen zu einem klimafreundlichen Verhalten zu motivieren, betont Uhl-Hädicke. Ein Beispiel sei eine Studie, bei der es um die Reduzierung des Energieverbrauchs im Haushalt ging: „Eine Möglichkeit ist da der Vergleich mit der Nachbarschaft: ‚Wo liegst du mit deinem Verbrauch im Vergleich zu deinen Nachbarn?‘. Diese Strategie war die erfolgreichste. Das hat die Personen wirklich dazu motiviert, ihren Energieverbrauch zu reduzieren.“

Es gebe aber auch andere einfache psychologische Mittel: So habe bei einer anderen Untersuchung, bei der es um die Verwendung von Handtüchern in Hotelzimmern ging, ein einziger Satz Wirkung gezeigt, sagt die Umweltpsychologin: „Da wurde der in den Hotelzimmern der Aufruf, im Sinne der Umwelt die Handtücher noch einmal zu verwenden, um die Nachricht ergänzt ‚Die anderen Gäste verwenden die Handtücher auch nocheinmal‘. Und dieser eine Satz hat wirklich dazu geführt, dass die Wiederverwendungsrate um zehn Prozent gestiegen ist.“