Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
privat
Geschichte

Bei Nacht über die Salzach zur Befreiung Österreichs

Einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich gesetzt haben, hatte enge Beziehungen zu Wien und Salzburg. Der Offizier Ernst Florian Winter führte in der Nacht auf den 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einen Stoßtrupp von zwölf GIs mit leichter Infanteriebewaffnung bei Burghausen über die Salzach ins Innviertel.

Winter wurde nach dem Krieg Politikwissenschafter und Historiker in den USA – sowie Diplomat im Dienste Österreichs. Im Alter arbeitete er noch als Bergbauer in Osttirol. Anfang Mai 1945 war der Sohn des früheren Wiener Vizebürgermeisters Ernst Karl Winter erst 22 Jahre alt. Sieben Jahre nach der Flucht seiner Familie nach Übersee stand er nun wieder auf österreichischem Boden. Der angehende Schwiegersohn des ebenfalls geflüchteten Georg Ritter von Trapp aus Salzburg („The Sound of Music“) hatte als Kommandeur des amerikanischen Stoßtrupps einen Spezialauftrag. Eigentlich war Winter ein Offizier des militärischen Geheimdienstes der USA.

Pattons schwarzer Nachtfalke

Wenige Tage vor der nächtlichen Fahrt mit Schlauchbooten über die Salzach hatte Winter noch Soldaten der 45. Infanteriedivision (7th United States Army) in Bayern mit Fotos aus anderen Teilen Deutschlands auf eine harte Aufgabe vorbereitet. Sie befreiten die Häftlinge des NS-Konzentrationslagers Dachau bei München.

Dieses KZ bestand schon seit 1933, war das älteste Folter- und Todeszentrum des NS-Imperiums, jedoch kein industrielles Vernichtungslager wie Auschwitz-Birkenau. In Dachau wurden jedoch die meisten politischen Morde begangen, auch gegen Österreicher. Winter selbst gehörte als Nachrichten- und Geheimdienstler zur 86. Infanteriedivision der 3. US-Armee („Black Hawk“) unter General George S. Patton.

Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
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Heute genau 75 Jahre her: Der 22-jährige Ernst Florian Winter, Dritter von links – am Morgen des 4. Mai 1945 mit Knechten und Mägden in Gundertshausen (Innviertel)

Zwölf GI’s auf Fahrrädern in der Nacht

Am späten Abend des 3. Mai 1945 erreichte Winter bei Hochburg-Ach und St. Radegund (Bezirk Braunau) wieder die alte Heimat: “Gott sei es noch heute gedankt, dass ich niemanden umbringen musste“, sagte der tief gläubige Katholik dem ORF bei unserem Interview für Radio Ö1 im Jahr 2008.

Diese Mission gehörte zu den ersten der Amerikaner in Österreich und war nach der Bootsfahrt zuerst ein Nachtmarsch. Dann schnappten sie sich bei Bauernhöfen einige Fahrräder, schulterten ihre halbautomatischen Browning-Gewehre. Noch vor Sonnenaufgang des 4. Mai erreichten die Zwölf unversehrt und unbemerkt die Gemeinde Gundertshausen im südlichen Innviertel, nicht weit von der Grenze zu Salzburg.

„Witze bewährten sich bei Gefangennahmen“

Winter hatte neben dem Marschgepäck auch sein Megaphon dabei. Sprüche und Witze wie dieser – natürlich auf Deutsch – hatten sich schon in Deutschland bei Gefangennahmen von Gegnern bestens bewährt: „Nehmt einen weißen Stoff, hängt ihn gut sichtbar auf. Aber nicht eure Unterhosen, denn die sind bestimmt nicht mehr weiß. Kommt heraus, Hände über den Kopf, dann bekommt ihr Bier, Zigaretten und Seife.“

Militärisch gab es nun wenig zu tun, aus diesem Teil des Innviertels hatten sich die Deutschen schon zurückgezogen. Bald wurden einige Knechte und Mägde auf die rastenden Amerikaner aufmerksam: „Wer seid’s denn ihr?“ "Na, wer werd’n mia scho’ sein?“, zitierte Winter beim ORF-Gespräch 2008 schmunzelnd das erste Zusammentreffen. Die einheimischen Innviertler seien erfreut und sehr erstaunt gewesen, dass ihr erster Amerikaner ein so astreines Österreichisch spricht: „So schau’n oiso Freiheitskämpfer aus“, habe eine junge Frau gesagt und gelacht: „Das war mein schönstes Kompliment. Und ich bemühte mich, dass ich nicht zu Wienerisch klang.“

Brauerei sollte Pattons Gefechtsstand werden

Winter war als intimer Kenner Österreichs und Verhör-Spezialist den Truppen von General Patton zugeteilt. Sein Missionsziel im Innviertel lautete, ein von weitem gut sichtbares Gebäude in Gundertshausen zu besetzen und zu befestigen. Es gab dazu auch Aufklärungsfotos von USAAF-Piloten. Denen war der Komplex auf dem Weg von Bayern ins Salzkammergut zu Tieffliegerangriffen auf SS- und Wehrmachtsverbände immer wieder aufgefallen. Man hielt ihn für einen riesigen Bauernhof. Es war jedoch die bis heute bestehende Brauerei Schnaitl und ihr großer Gasthof.

Fotostrecke mit 14 Bildern

Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Auf den Spuren seiner Jugend im Frühling 2008: Kaffeejause in der Brauerei Schnaitl in Gundertshausen
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Winters kleiner Allrad mit Lienzer Kennzeichen (Osttirol) – auf dem Weg durch den Salzburger Flachgau in Richtung Innviertel von Oberösterreich
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
In Gunderthausen bei der Brauerei, wo die jungen Soldaten am Morgen des 4. Mai 1945 auf dem langen Weg von den USA, Großbritannien und der Normandie ankamen
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
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Gedenkfeier mit Winter im Publikum – für die Opfer des Nationalsozialismus vor Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn, Frühling 2008
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Gedenkfeier mit Winter im Publikum – für die Opfer des Nationalsozialismus vor Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn, Frühling 2008, mit dem damaligen Bürgermeister Gerhard Skiba (SPÖ)
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Chor bei der Gedenkfeier – für die Opfer des Nationalsozialismus vor Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn, Frühling 2008
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Gedenkfeier mit Winter im Publikum – für die Opfer des Nationalsozialismus vor Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn, Frühling 2008
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Jörg Reitmaier
Mentor Winter bei einer Bergwanderung in Tirol mit österreichischen Zivil-, Gedenk- und Auslandsdienern (2008). Viele verglichen sein Aussehen mit dem des reifen Ernest Hemingway
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Dankesrede in Braunau für die Verleihung des Egon-Ranshofen-Wertheimer-Preises 2008
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Winter bei der Verleihung des Egon-Ranshofen-Wertheimer-Preises 2008
Ernst Florian Winter besucht 2008 das Grab des Philosophen und Ökonomen Leopold Kohr in Oberndorf bei Salzburg (Flachgau). Winter war  in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Auf der Tour durch den Salzburger Flachgau und das Innviertel besuchte Winter mit dem Innsbrucker Politikwissenschafter Andreas Maislinger, einem gebürtigen Salzburger, auch das Geburtshaus des Philosophen Leopold Kohr in Oberndorf (Flachgau). Kohr hatte in Übersee als junger Journalist jahrelang den Nationalsozialismus bekämpft.
Ernst Florian Winter besucht 2008 das Grab des Philosophen und Ökonomen Leopold Kohr in Oberndorf bei Salzburg (Flachgau). Winter war  in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Winter und der Politikwissenschafter Andreas Maislinger beim Grab des Philosophen Leopold Kohr in Oberndorf (Flachgau). Kohr hatte in Übersee als junger Journalist jahrelang den Nationalsozialismus bekämpft.
Ernst Florian Winter besucht 2008 das Grab des Philosophen und Ökonomen Leopold Kohr in Oberndorf bei Salzburg (Flachgau). Winter war  in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Grab des Philosophen Leopold Kohr in Oberndorf (Flachgau). Auch Kohr hatte in Übersee als junger Journalist jahrelang den Nationalsozialismus bekämpft.
Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Noch im Alter interessierte sich der Ernst Florian Winter sehr für das österreichische und internationale Zeitgeschehen. Für die UNO betrieb er nebenbei im Kosovo noch ein Friedensprojekt und erteilte als Bio-Bergbauer landwirtschaftlichen Unterricht

Hier sollte Patton sein erstes Hauptquartier für den Kampf um Österreich bekommen. Die Amerikaner ahnten noch nicht, dass das nach Hitlers Tod noch verbliebene NS-Regime ohnehin vier Tage später flächendeckend und bedingungslos kapitulieren würde. Und im Verlauf dieses 4. Mai – genau am Tag nach Winters Nachtmarsch nach Gundertshausen – erreichten weiter südlich erste amerikanische Panzer der 3. Infanteriedivision die Staatsgrenze Österreichs und wenig später das Zentrum der Stadt Salzburg.

Zeitzeuge Winter im Originalton, Beitrag in den ORF-Radios Salzburg und Oberösterreich am 4. Mai 2020:

Trapp-Villa in Salzburg als Himmlers Domizil

Ein paar Tage danach fuhr Winter mit einem Militär-Jeep nach Salzburg, um im Stadtteil Aigen das Haus seines künftigen Schwiegervaters zu begutachten. Baron Georg von Trapp lebte als Gegner Hitlers seit 1938 mit seiner Familie im amerikanischen Exil. Seine Villa hatte sich niemand Geringerer als Heinrich Himmler wenige Wochen nach dem „Anschluss“ Österreichs (1938) persönlich unter den Nagel gerissen. Bei seinen sommerlichen Aufenthalten in Salzburg organisierte und kommandierte der Reichsführer SS hier phasenweise auch den Holocaust. Die Hauskapelle der Trapps hatten seine Offiziere für Saufgelage genutzt, die Betbänke waren mit Schnitzereien – NS-Symbolen und esoterischen Todesdrohungen – ausstaffiert.

Akademische Karriere in Amerika

Nur wenige Wochen nach der Befreiung Österreichs musste Ernst Florian Winter seine Dienststelle bei der amerikanischen Militärregierung in Salzburg wieder verlassen. Auf Befehl des Oberkommandos in Washington brach die gesamte Division nach Japan auf, wo der Krieg noch weiterging, um dort ähnliche Aufgaben wie in Deutschland und Österreich zu erfüllen. Nachdem Winter in die USA zurückgekehrte, heiratete er 1948 Johanna von Trapp im Staat Vermont, die Tochter des Salzburger Barons.

Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
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Winter mit seiner Frau Johanna Trapp und den Kindern in den USA

Es folgte ein Studium an der Columbia University in New York, ehe Winter seine akademische Karriere als Politikwissenschafter und Historiker startete. Er wurde Professor am Iona College in New Rochelle, New York. Und als Gastprofessor lehrte er an der Fletcher School of Law and Diplomacy, Princeton University, Georgetown University und Indiana University.

Rückkehr nach Österreich

1960 folgte Winter dem Ruf der ÖVP-Minister Drimmel und Klaus. Er sollte in Österreich die Studienrichtung der Politikwissenschaft etablieren. Beim „Internationalen Forschungszentrum“ (IFZ) auf dem Mönchsberg in Salzburg entstand 1960 ein „Ostinstitut“, für dessen Vorstand Winter gewonnen wurde. Es heißt heute „Institut für den Christlichen Osten“ und beheimatet die Sektion Salzburg der von Kardinal König gegründeten Stiftung Pro Oriente. 1964 wurde Winter vom damaligen Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ) zum Gründungsdirektor der Diplomatischen Akademie Wien bestellt, wo er bis ins hohe Alter regelmäßig als Professor tätig war.

1934: Sein Vater wollte den Bürgerkrieg verhindern

Bruno Kreisky mochte den Experten auch persönlich, was sich in seiner Zeit als Regierungschef fortsetzte. Der sozialistische Bundeskanzler erinnerte sich zudem gern an Winters Vater Ernst Karl, einen Soziologen und konservativen Politiker. Der ältere Winter wurde 1934 Vizebürgermeister von Wien. Als berühmt gelten seine vielen Versuche, zwischen 1927 und 1938, eine Versöhnung zwischen Christlichsozialen und Sozialdemokraten zur Abwehr der Nationalsozialisten auf die Beine zu stellen – auch über den Ständestaat und Bürgerkrieg von 1934 hinweg. Bekannt ist seine politische Parole „rechts stehen und links denken“.

Gedenktafel für Ernst Karl Winter in Wien. Sein Sohn Ernst Florian Winter war  in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Gerald Lehner
Im „roten“ Wien gibt es seit 1996 eine eigene Gedenktafel für den „schwarzen“ bzw. „rechten“ Ernst Karl Winter

Hartnäckige Gegner der Nazis

Der ältere Winter scheiterte aber als Brückenbauer in einer aus den Fugen geratenen Welt. Das in sich tief verfeindete und gespaltene Österreich fiel Hitler im Frühling 1938 als reife Frucht in den Schoß. Die Familie Winter flüchtete wie so viele vor den Nazis, zuerst nach Frankreich, später in die USA.

Über sein Faible für Berge, Sport und seine Prüfung als Skilehrer in Amerika kam der junge Winter in Kontakt mit Regierungsstellen in Washington. Man bot ihm an, er solle mit anderen Exil-Österreichern eine eigene Gebirgsdivision der U.S. Army gegen Hitler aufbauen. Das rasante Kriegsgeschehen ließ dafür keine Zeit mehr. Winter nahm am 6. Juni 1944 an der Invasion in der Normandie teil, mit der die lange und für viele seiner Kameraden tödliche Befreiung Europas von Westen her begann.

Als Bergbauer in den Hohen Tauern

Der gebürtige Wiener lebte nach seiner diplomatischen und wissenschaftlichen Karriere als Pensionist, Bergbauer und Pferdezüchter im Defereggental in Osttirol. Winter war Mitbegründer und Unterstützer des Österreichischen Gedenk- und Auslandsdienstes, bei dem sich junge Zivildiener international friedens- und sozialpolitisch engagieren.

Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
Österreichischer Auslandsdienst
Als Pensionist und Pferdezüchter mit jungen Zivil- bzw. Auslandsdienern auf seinem Bergbauernhof in Osttirol, 2010

„Er hatte ein unglaublich bewegtes Leben, das alle Tiefen und Höhen des 20. Jahrhunderts spiegelt. Durch seine internationale Biografie und seine Erfahrungen als Staatsbürger zweier Welten war jeder Gedankenaustausch mit ihm für uns junge Leute eine sehr große Bereicherung“, sagt der Obersteirer Joerg Reitmaier, früher Auslandsdiener und Ex-Geschäftsführer im Verein Österreichischer Auslandsdienst.

Hohe Auszeichnung der Stadt Braunau

Am 3. Mai 2008 bekam Winter von der Stadt Braunau am Inn den Egon-Ranshofen-Wertheimer-Preis – für seine Verdienste um Österreich im Kampf gegen den Nationalsozialismus. Statt als Befreier gefeiert zu werden, seien Männer wie Winter in der Nachkriegszeit zu Hause lange als „Verräter“ diffamiert worden, sagte damals der Diplomat Michel Cullin in seiner Laudatio: „Das ist kein Ruhmesblatt dieser Republik.“ Ernst Florian Winter starb am 16. April 2014 in der Nähe von Wien.