Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
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Geschichte

4. Mai 1945: Kampflose Übergabe stand auf der Kippe

Am 4. Mai 1945 ist die Stadt Salzburg kampflos an anrückende US-Truppen übergeben worden. Bis zuletzt stand das Schicksal der Landeshauptstadt aber auf der Kippe, obwohl der Krieg längst entschieden war.

Der 4. Mai 1945 war ein Freitag und ein prachtvoller Frühlingstag: 15 Grad und Sonnenschein. Wenige Tage zuvor hatte es bei einem Wettersturz noch stark geschneit. Die 3. US-Infanterie-Division rückte nach der Befreiung von München in dieser Zeit in Richtung Salzburg vor.

Bis zu fünf US-Divisionen auf bayerischer Seite

Jetzt standen die amerikanischen Truppen auf der bayerischen Seite der Saalach – und warteten, schildert Militärhistoriker Gernod Fuchs: „Drei bis fünf US-Divisionen stehen von Burghausen bis Salzburg an Salzach und Saalach. In der Nacht vom 3. auf den 4. Mai entscheidet sich nun das Schicksal der Stadt Salzburg. Es war das Kriegsende absolut absehbar.“

Oskar Dohle, Leiter des Salzburger Landesarchivs, ergänzt: „Es gab auch die Angst vor den Russen im Großraum Salzburg. Denn bis Mitte April 1945 war nicht klar: Würden es sowjetische oder amerikanische Truppen sein, die als erste nach Salzburg kommen?“

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Amerikanische Truppen auf der Eisenbahn-Grenzbrücke zu Salzburg
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Amerikanische Truppen auf der Eisenbahn-Grenzbrücke zu Salzburg
Amerikanischer Panzer beim Durchfahren der Saalach
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Amerikanischer Panzer beim Durchfahren der Saalach
Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
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Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
Amerikanische Truppen auf Panzer in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
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Amerikanische Truppen auf Panzer in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
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Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
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Amerikanische Truppen in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
Weiße Fahnen hängen aus Häusern in der Stadt Salzburg – am 4. Mai 1945
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Weiße Fahnen hingen aus Häusern in der Stadt Salzburg
Jubelnde Menschen in der Stadt Salzburg am 4. Mai 1945
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Jubelnde Menschen in der Stadt Salzburg am 4. Mai 1945
Amerikanische Truppen nehmen deutsche Soldaten in der Stadt Salzburg gefangen
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Amerikanische Truppen nehmen deutsche Soldaten in der Stadt Salzburg gefangen
Deutsche Truppen in der Stadt Salzburg mit erhobenen Händen
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Deutsche Truppen in der Stadt Salzburg mit erhobenen Händen
Versorgungswagen für amerikanische Truppen bei Schnee
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Versorgungswagen für amerikanische Truppen bei Schnee – wenige Tage vor dem 4. Mai 1945 hatte es noch einmal einen Wintereinbruch gegeben

Entscheidende Rolle von Hans Lepperdinger

Der Salzburger NS-Gauleiter Gustav Adolf Scheel war der erste, der davon sprach, die Stadt Salzburg kampflos an die Amerikaner zu übergeben. Die entscheidende Rolle dabei fiel aber einem anderen zu: dem letzten Kampf-Kommandanten der Stadt Salzburg im Zweiten Weltkrieg, Oberst Hans Lepperdinger. Der 1984 verstorbene Lepperdinger erinnerte sich zu Lebzeiten in einem Interview: „Der Feind war in Bayern herüben, kurz vor Salzburg. Und die Russen hatten Wien eingenommen. Es war für jeden – auch Nicht-Fachmann – ganz klar, dass der Krieg verloren und beendet ist.“

Doch so einfach war die Lage in der Stadt Salzburg nicht, erinnert Militärhistoriker Fuchs: „Die Polizei- und SS-Führung existiert noch. Und es gibt Befehle von Himmler, dass keine Stadt Deutschlands zur offenen Stadt erklärt werden darf – unter Todesstrafe. Und unter diesem Recht steht Lepperdinger nun.“

Hans Lepperdinger in Uniform als Wehrmachtsoffizier
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Hans Lepperdinger als Wehrmachtsoffizier

Mit Salzburger Offiziersstab Befehl von oben missachtet

So erzählte Lepperdinger weiter: „Zu dieser Zeit gab mir mein unmittelbarer Vorgesetzter, General von Bork, den Befehl, die Stadt unter allen Umständen zu verteidigen. Ich habe mich zu dieser Zeit schon entschlossen, diesen Befehl nicht auszuführen.“

Hans Lepperdinger in einem späteren Fernsehinterview
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Hans Lepperdinger in einem späteren Fernsehinterview

„Lepperdinger hat sich wohlweislich einen Salzburger Stab aufgebaut“, erklärt Militärhistoriker Fuchs. „Das sind alles Personen, Offiziere aus dem Salzburger Umkreis – zum Teil aus dem Salzburger Bürgertum. Und mit diesen Leuten glaubte er, eine kampflose Übergabe durchführen zu können.“

Am entscheidenden 4. Mai „bin ich dann selbst mit meinem Adjudanten über die Grenze nach Freilassing (Bayern) hinausgefahren“, erinnerte sich Lepperdinger in dem Interview. „Ich habe auf der Grenzbrücke den Kommandeur der mir gegenüberstehenden amerikanischen Division gesprochen.“

Die Amerikaner „sind mit überwältigender Macht in ein Gebiet gekommen, das nicht mehr verteidigen wollte“, erklärt Militärhistoriker Fuchs. „Und es ist so wie in vielen Orten und Städten geschehen: Die Tatsachen haben gesiegt.“

Amerikaner marschierten am Vormittag ein

Am frühen Vormittag des 4. Mai starten die Amerikaner ihren Vormarsch auf Salzburg. Die Straßenbrücke über die Saalach ist zerstört. Die US-Division entschließt sich, mit ihren Panzern nicht über die intakte Eisenbahnbrücke zu fahren, sondern stattdessen direkt die Saalach zu durchqueren.

„Es gibt immer noch Truppenteile, die in der Stadt herummarodieren – auch SS“, sagt Thomas Weidenholzer vom Haus der Salzburger Stadtgeschichte. „Man weiß nicht so genau: Was wird wirklich passieren?“ Kurz vor 12.00 Uhr Mittag rollten die Panzer durch die Salzburger Innenstadt. Laken, Handtücher, jedes Stück Stoff, das als Weiße Fahnen dienen kann, hängten die Salzburger aus den Fenstern.

Historiker: Nur wenige empfanden das damals als Befreiung

„Meiner Meinung nach ist die Anzahl derer, die das wirklich als Befreiung empfinden, damals sehr gering“, sagt Historiker Weidenholzer. „Die, die das wirklich als Befreiung empfinden, sind auch jene, die bekennen: Da ist etwas schiefgelaufen, da haben wir wirklich auch Schuld auf uns geladen. Das sind ganz wenige. Die meisten Menschen schieben das von sich weg und suchen Gründe, warum ich nicht so verstrickt gewesen bin. Für überzeugte Nationalsozialisten – eine ganze Reihe davon – geht eine Welt in Brüche. Wir erleben gerade in den letzten Kriegsstunden und den ersten Tagen nach Kriegsende eine Reihe von Suiziden hoher NS-Funktionäre – so wie der Oberbürgermeister, der sich und seine Gattin erschießt.“

Die kampflose Übergabe der Stadt Salzburg

Weitere Kämpfe im Land Salzburg in den nächsten Tagen

Doch der 4. Mai bedeutete nur für die Stadt Salzburg das kampflose Kriegsende, betont Oskar Dohle vom Landesarchiv: „Aber selbst im Großraum der Stadt Salzburg, im Bereich Wiestal (Tennengau) gibt es noch am 7. Mai blutige Kämpfe zwischen Amerikanern und SS-Einheiten. Innergebirg dauert es bis zum 8./9. Mai, bis die ersten Besatzungstruppen dort auftauchen. Immer wieder gibt es Scharmützel, die sehr wohl auch Tote fordern.“

Es dauerte einige Zeit, bis sich alles beruhigte, sagt Stadthistoriker Weidenholzer: „Der erste Tag war – zumindest am Vormittag – ein Machtvakuum, das sich langsam füllt. Dann wird es in der Regel nicht lange dauern, bis wieder ‚Normalität‘ einkehrt, wo auch wieder Lebensmittelversorgung und alle diese wichtigen Dinge kommen.“

Lepperdinger: „An sich war für mich der Krieg beendet“

Hans Lepperdinger erinnerte sich an die unmittelbare Zeit nach der kampflosen Übergabe an die Amerikaner so: „Ich bin dann nach Hause gefahren in das Haus eines Adjutanten von mir, die mich aufgenommen hatten. Ich wollte Zivil anziehen. Aber das war sehr schwierig – denn ich hatte ja kein Zivilgewand. Also ging ich in die Stadt, um mir einen Anzug zu kaufen. Ein Salzburger Geschäftsmann war derartig liebenswürdig zu mir und hat mir einen Trachtenanzug geschenkt. Er sagte, ich hätte ihm so viel erspart, dass er das gar nicht gutmachen könne. Dann habe ich Zivil angezogen und an sich war für mich der Krieg beendet.“

Bombenhagel in den Monaten vor dem Kriegsende

Kriegsende in Salzburg vor 75 Jahren

Vor 75 Jahren verbreitet sich in Salzburg die Nachricht vom raschen Vorrücken der US-Truppen in Richtung der Landeshauptstadt. Es ist der letzte Tag des Zweiten Weltkriegs in Salzburg. Davor hat die Bevölkerung unter Gewalt, verheerenden Bombenangriffen und Chaos gelitten.

Bei Nacht über die Salzach zur Befreiung Österreichs

Einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten, hatte enge Beziehungen zu Salzburg. Der damals 22-jährige US-Offizier Ernst Florian Winter (Dritter von links) führte in der Nacht auf den 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einen Stoßtrupp von zwölf GI’s mit leichter Infanterie-Bewaffnung bei Burghausen über die Salzach – mehr dazu in salzburg.ORF.at (4.5.2020).

Ernst Florian Winter war in der Nacht auf 4. Mai 1945 – vor genau 75 Jahren – einer der ersten Soldaten der USA, die ihren Fuß nach Österreich setzten – nördlich von Salzburg. Die zwölf Männer mit leichter Infanterie-Bewaffnung überquerten bei Burghausen (Bayern) die Salzach. Winter machte später Karriere als Politikwissenschafter und Diplomat.
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