Beide Bücher laden laut einem Bericht der Austria Presse Agentur (APA) zur Auseinandersetzung mit den Schauplätzen und zu deren Besuch ein.
Region war Brennpunkt vieler Gegensätze
Die Salzburger Historikerin und Provenienzforscherin Susanne Rolinek, der Salzburger Medienwissenschafter, Publizist und Verlagsmanager Christian Strasser sowie der ORF-Redakteur und Fotograf Gerald Lehner sind die Autoren des neuen Buches mit dem Titel: „Im Schatten von Hitlers Alpenfestung. Reiseführer in die braune Topografie des Salzkammergutes.“ Das Trio hat schon früher ähnliche Bücher über das Land Salzburg, Oberösterreich und Wien vorgelegt.
Daran schließt nun auch der neue Band an. Die gebirgige Region in Oberösterreich, Steiermark und Salzburg mit ihren idyllischen Seen war in der Zeit des Nationalsozialismus der Brennpunkt vieler Gegensätze, thematisiert das Autorenteam: „Arisierungen“, Kunstraub, Mütter- und Flüchtlingsheime existierten hier neben erbittertem Widerstand gegen Hitler. Im Frühling 1945 war das Salzkammergut einer der letzten Kampfplätze des „Dritten Reiches“.
Neues über den Luftkrieg, afroamerikanische Piloten
Neben neu erforschten Details ist bisher kaum öffentlich bekannt, dass rund um Mondsee, Attersee und Traunsee bis 1945 viele Bomber und andere Kampfflugzeuge der USA abgeschossen wurden – mit Flak-Geschützen und von Messerschmitt 109- bzw. Focke-Wulf-190-Jägern der deutschen „Luftwaffe“.
Es gab bei Luftkämpfen, Crashs und Notlandungen viele Tote, Schwerstverletzte und Kriegsgefangene unter den jungen Amerikanern – aber auch Überlebende, die auf dem Erdboden von NS-Funktionären und Einheimischen gejagt und ermordet wurden. Hunderte Maschinen der Typen B-24 Liberator, B-17 Flying Fortress, P-51 Mustang und P-38 Lightning waren von Italien immer wieder unterwegs, um Industrieanlagen der Nazis in Ober- und Niederösterreich, Böhmen und Süddeutschland anzugreifen. Es kämpften und starben laut Autor Gerald Lehner hier auch afroamerikanische Piloten der „Tuskegee Airmen“ aus Alabama. Sie flogen Mustangs, sehr leistungsstarke Jagdflugzeuge mit rot lackierten Leitwerken, die als „Red Tails“ berühmt wurden. Das Ramitelli Airfield bei Foggia in Süditalien war ihre Basis, von der sie in 7.500 Metern Flughöhe nur eine Stunde bis zum Nordrand der Alpen benötigten, in 3.500 Metern waren es knapp eineinhalb Stunden.
Von Massentourismus und Wirtschaftswunder verdeckt
In Hitlers letztlich nie vorhandener „Alpenfestung“ im Salzkammergut lagerten die Nazis geraubte Kunstwerke. Sie sollten vor dem Bombenkrieg versteckt bzw. geschützt und in den letzten Tagen vor der Befreiung auf Befehl des Regimes vernichtet werden. In der Nachkriegszeit überdeckten Wirtschaftswunder und Massentourismus in der Region die vielen Wunden von Menschenseelen. Gerade wenn nun heuer durch die Kulturhauptstadt 2024 internationales Publikum auf Bad Ischl und die Umgebung blickt, „dürfen die historischen Verstrickungen und nationalsozialistischen Verbrechen nicht unerwähnt bleiben, denn sie wirken bis heute nach“, schreiben die Autoren Rolinek, Strasser und Lehner im Vorwort.
Judenhass im Alpenverein: Eduard Pichl in Goisern bestattet
Der Reiseführer beinhaltet zudem Ergebnisse neuer Forschungen. Beleuchtet wird auch die Geschichte des nationalsozialistischen Alpinismus in der Dachsteinregion und die bizarre Lebens- und Bestattungsgeschichte des Kletterpioniers und Judenhassers Eduard Pichl, der mit als geistiger Wegbereiter des Holocaust gilt und auf dem Friedhof von Bad Goisern liegt.
Ein Kapitel widmet sich den historischen Details und der Bergung eines abgestürzten Thunderbolt-Kampfflugzeuges der USA, dessen Pilot Henry Mohr in den letzten Kriegstagen bei Ebensee verunglückte – bei einem extremen Tiefflug über dem örtlichen NS-Lager, einem Außenlager des KZ Mauthausen. 60 Jahre später wurde das Wrack von internationalen Spezialisten – unter Führung des lange Zeit in den USA lebenden Tirolers Wolfang Falch – aus dem Traunsee gehoben. Die Maschine erhielt in der Folge im US-Staat Idaho über Jahre eine äußerst aufwändige Restaurierung. Sie steht heute in einem privaten Hangar bei Reno am Lake Tahoe (Staat Nevada). Zuvor flog sie bei Airshows in Nordamerika – in ihrer Größenklasse als teuerster „Warbird“ aller Zeiten und Star vieler Fans.
Vielerorts hat im Salzkammergut nach dem Krieg ein Verdrängen und Verschweigen stattgefunden, sind sich die Autoren einig – in einer Region, in der die Katastrophen des Ersten Weltkrieges und der NS-Herrschaft mit Kaiser- und Sisi-Kult und anderen „schönen“ Bildern überblendet wurden und werden.
Sprengstoffanschlag italienischer Neofaschisten
„Die ländliche Postkarten-Idylle weist blinde Flecken auf“, sagt auch der Salzburger Journalist Thomas Neuhold. Sein Buch „Salzkammergut – Orte der Erinnerung“ präsentiert auf 90 Seiten kurz und kompakt 30 Schauplätze und spannt einen zeitlichen Bogen, der über die Jahre 1938 bis 1945 hinausgeht.
Die historische Klammer beginnt mit der Kaiservilla in Bad Ischl, wo Franz Josef 1914 die Kriegserklärung an Serbien unterzeichnet hat und endet mit dem Denkmal in Ebensee, das an den Sprengstoffanschlag italienischer Neofaschisten erinnert, bei dem 1963 ein Polizist starb und zwei weitere schwer verletzt wurden.
Herausnehmbarer Faltplan
Die Publikation von Thomas Neuhold ist als Handbuch mit einem herausnehmbaren Faltplan konzipiert, um auch einige der weniger geläufigen oder teils vergessenen Schauplätze sichtbar zu machen und verorten zu können. Die Auswahl der jeweils auf einer Doppelseite beschriebenen „Erinnerungsorte“ macht deutlich, wie stark die NS-Zeit im Salzkammergut von Gegensätzen geprägt war.
Das Tote Gebirge war Zufluchtsort für den politischen Widerstand, zugleich aber Fluchtroute für hohe Nationalsozialisten wie Ernst Kaltenbrunner oder Adolf Eichmann. Zwangsarbeiterlager fanden sich in der Region genauso wie Sommerresidenzen von NS-Größen.
„Es ging mir mit dem Buch nicht darum, mit dem erhobenen Zeigefinger die alte Binse vom Lernen aus der Geschichte zu strapazieren, aber einige Orte neu zu beleuchten“, betont Neuhold.
Bibliografien der beiden Bücher:
Thomas Neuhold: „Salzkammergut – Orte der Erinnerung.“ Handbuch mit Faltplan. Verlag Anton Pustet, Salzburg. 90 Seiten, 20 Euro.
Susanne Rolinek, Christian Strasser, Gerald Lehner: Im Schatten von Hitlers „Alpenfestung“. Reiseführer in die braune Topografie des Salzkammergutes. Czernin Verlag, Wien. 343 Seiten, 25 Euro.