Walter Blachfellner im ORF-Interview
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Blachfellner verlässt SPÖ: „Demokratie beschädigt“

Nach dem internen Wahldebakel um den SPÖ-Bundesparteichef kehrt mit dem Salzburger Ex-Wohnbaulandesrat Walter Blachfellner ein Pionier seiner Partei den Rücken. Grund sei die „präpotente Haltung vieler Funktionäre“, sagt Blachfellner: „In Wien, bei den SPÖ-Frauen und beim ÖGB“.

Der Mensch müsse bei der sozialdemokratischen Politik im Mittelpunkt stehen – diesen Zugang habe die SPÖ aber verloren, kritisiert Walter Blachfellner.

Heftige Kritik an „Wienern, Frauen und ÖGB“

Wenn Funktionäre meinen, dass sie die Entscheidung der Basis – nämlich von der Mitgliederbefragung – umdrehen müssen, dann tue er sich sehr schwer bzw. könne das nicht akzeptieren, sagte Blachfellner am Freitagnachmittag auf Fragen von ORF-Redakteur Peter-Paul Hahnl für „Salzburg heute“ vor der TV-Kamera:

"Wenn die Wiener Genossen sagen ‚Wir sind die Mehreren und die Schwereren‘, wenn die Frauen sagen ‚Wir sind beleidigt, weil die Rendi abgewählt wurde‘ und wenn die Privatangestelltengewerkschaft sagt ‚Nein, wir sind auch auf Hans-Peter Doskozil beleidigt‘ – dann ist das ihre Meinung, dann ist das ihr Recht. Aber ich kann nicht die Mitglieder overrulen. Das ist Basisdemokratie. Und wenn dann einer, der vor der Befragung, vor der Mitgliederbefragung sagt ‚Mir ist es egal, ob ich Erster, Zweiter oder Dritter werde – ich trete auf jeden Fall an‘. Und wenn der dann Erster wird und sagt ‚wir wollen die Partei demokratisch machen‘, dann bin ich orientierungslos.

ORF: Nun könnte man sagen: 33,5 Prozent für Hans-Peter Doskozil zu 31,5 zu 31,2 Prozent – das ist ja auch keine Mehrheit. Hätte man da aus Ihrer Sicht eine Mitgliederbefragung mit nur zwei Kandidaten machen sollen?

Das ist das Wesen einer Demokratie, dass es Wahlen gibt. Und da gibt es Mehrheitsentscheidungen – mit knapper Mehrheit und mit großer Mehrheit. Jetzt könnte ich auch sagen: Die Entscheidungen am Parteitag waren nicht riesengroß, dieser Unterschied zwischen den beiden. Wie tun wir weiter? Das Wesen einer Demokratie ist, dass wenn ich Basisdemokratie meine, ich die Basis einbinde und sage: Ihr stimmt ab. Und das, was ihr abstimmt, das akzeptiere ich und das bestätige ich. Und wenn eben jetzt ein paar Gscheide wie die Frauen, die Wiener SPÖ und wie die Privatangestelltengewerkschaft meinen, dass sie wichtiger sind als die Funktionäre, dann kann ich das weder ideologisch noch finanziell unterstützen.

ORF: Was sollte die SPÖ besser machen?

Ich habe den letzten Wahlkampf beobachtet. Und ich habe gesehen, dass der, der sich am meisten mit den Menschen beschäftigt hat, der Dankl von den Kommunisten war. Jetzt habe ich ursächlich ein ideologisches Problem damit, mit Marxismus und und und, mit dem Entstehen dieser Partei. Aber vom Zugehen auf die Menschen: Genau das könnten wir uns abschauen. Das müssten wir uns abschauen, dass wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen, dessen Sorgen und nicht sagen: Wurscht, was der sagt: Wir entscheiden das, was wir wollen – wie es jetzt leider die Deligierten zum Bundesparteitag gemacht haben.

Nach schweren Tagen und langem Überlegen bin ich am Mittwoch aus der SPÖ ausgetreten, bei der ich 52 Jahre lang Mitglied war, und auf deren Ticket ich auch zwölf Jahre lang in der Regierung war. Es geht da um Kerngrundsätze, nämlich um die Demokratie."

„Diese Leute haben die Demokratie mit Füßen getreten“

„Es gibt da jetzt Funktionäre, die glauben, dass sie mehr wert sind als die Mitglieder. Diese Leute haben für mich die Demokratie mit Füßen getreten. Da geht es um einen der wichtigsten Grundsätze. Wenn jetzt einer an der Spitze steht, der als erster gesagt hat: ‚Auch wenn ich nicht gewinne, trete ich am Parteitag an‘, dann habe ich in dieser Gemeinschaft nichts mehr verloren.“

Die Sozialdemokratie brauche eine Rückbesinnung auf ihre Werte, verlangt Blachfellner. „Unsere Funktionäre müssen wieder lernen, für die Menschen zu ‚brennen‘. Das ist das Wichtigste. Das vermisse ich. Wir haben momentan eine Zeit der Selbstbeschäftigung, der Durchsetzung eigener Interessen und dem Bemühen, Rachegelüste zu üben. Und das ist für einen Politiker zu wenig.“

Er hoffe, dass es bald wieder eine Partei geben wird, die seinen Werten entspricht, ergänzt der ehemalige Wohnbaulandesrat.

Salzburger SPÖ: „Großes Bedauern über Austritt“

Die Salzburger SPÖ nimmt den Parteiaustritt Blachfellners mit „großem Bedauern“ zur Kenntnis. Man werde versuchen, kommende Woche mit ihm ins Gespräch zu kommen, sagte Gerald Forcher am Freitag, Landesgeschäftsführer der Salzburger Sozialdemokraten.

Funktionärspartei statt Demokratie?

Im besten Fall könne man Blachfellner überzeugen, den Austritt noch einmal zu überdenken und eine andere Form des Protestes zu finden. Den ehemaligen Wohnbaulandesrat stört massiv, dass die Delegierten und Funktionäre beim Parteitag in Linz anders abgestimmt hatten – als es die Mitgliederbefragung im Mai vorgegeben habe.

Bei dieser hatte bei der Abstimmung über den künftigen Parteivorsitz Hans Peter Doskozil knapp vor Andreas Babler die Nase vorn.