Historische Dokumente aus der NS-Zeit
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Chronik

Orte des NS-Gedenkens: Beginn in Neumarkt

In jedem Bezirk errichtet das Land in den kommenden Jahren Orte des Gedenkens – dabei wird an Widerstandskämpferinnen und -kämpfer während des NS-Regimes erinnert. Neumarkt am Wallersee (Flachgau) macht den Anfang. Es gibt auch ein Kunstprojekt.

Es erinnert mitten im Ortszentrum an den Neumarkter Widerstandskämpfer Georg Rinnerthaler. Der Gastwirt und Viehhändler war erbitterter Gegner der Nazis und wurde im März 1938 verhaftet. Ein Jahr lang war er mit seinem Sohn im KZ Dachau interniert. Bei seiner Rückkehr schlugen ihm Personen aus dem Ort alle 51 Fensterscheiben seines Hauses ein.

Heute sind es Schülerinnen und Schüler der Handelsakademie (HAK) Neumarkt, die sich im Ort auf Spurensuche begeben und Szenen von damals nachfühlen. „Es war schon schockierend, wie laut es sein kann, wenn man so ein Fenster mit einem Stein einschlägt. Wir haben das sowohl in der Opferrolle als auch in der Täterrolle durchgemacht“, schildert etwa der 18-jährige Emre Elciyörük aus Lochen am See.

Georg Rinnerthaler
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War Gastwirt, Viehhändler und erbitterter Gegner der Nazis: Widerstandskämpfer Georg Rinnerthaler

„Als der Stein geworfen wurde, hat es mich schockiert“

„Ich war der Erste, auf den ein Stein geworfen wurde. Zuerst dachte ich mir, das wird wohl nicht so schlimm sein. Aber als der Stein dann geworfen wurde, hat es mich doch sehr geschreckt.“ Und Emre Elciyörük ergänzt. „Man sieht wirklich, wie einem der Stein ins Gesicht fliegt. Und wenn das damals so arg war, kann man sich das eigentlich kaum vorstellen.“

Das Steinwurf-Projekt stammt vom bildenden Künstler Bernhard Gwiggner. „In der Arbeit habe ich diese 51 Fenster-Einwürfe quasi reinszeniert. Es hat so funktioniert, wie ich mir das gedacht habe. Und das, was an Erlebnis überbleibt, soll vor allem zum Nachdenken anregen“, sagt Gwiggner.

Fotos, Urkunden und Schriften im Museum Fronfeste

Auch im Museum Fronfeste setzt sich die Flachgauer Gemeinde mit der Vergangenheit auseinander. Fotos, Urkunden und Schriften erinnern an den Widerstand während des Nationalsozialismus, sagt Robert Obermair, Historiker an der Universität Salzburg.

Historische Dokumente aus der NS-Zeit
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„Georg Rinnerthaler war Gastwirt, Viehhändler, Metzger und sehr erfolgreicher Geschäftsmann in Neumarkt, der dann stark mit dem austrofaschistischen Regime verknüpft war. Man sieht hier also, dass es auch Grauzonen gibt. Im Jahr 1938 ist Rinnerthaler aufgrund seiner Nähe zum austrofaschistischen Regime ins Visier der örtlichen Nationalsozialisten geraten.“

Örtliche Bevölkerung soll eingebunden werden

„Eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema hat es bisher nicht gegeben – wir haben zwar im Museum eine kleine Ausstellung gemacht – immer noch mit abgekürzten Namen. Jetzt aber werden die Namen wirklich einmal ausgesprochen und sind auch zu lesen und zu erfahren. Und es ist einfach spannend, wie die Menschen darauf reagieren. Die einen verteidigen sich, andere wiederum können sehr wohl mitfühlen“, ergänzt Ingrid Weese-Weydemann vom Museum Fronfeste.

Diskussionsrunde von Schülern
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Das Programm bindet auch die Bevölkerung mit ein – z.B. bei Podiumsdiskussionen mit Historikern. Die Auseinandersetzung mit den Ereignissen von damals sorgt auch heute noch für emotionale Debatten, bestätigt Historiker Robert Obermair.

„Es gab auch kontroverse Diskussionen“

„Da gab es auch durchaus kontroverse Diskussionen mit dem Publikum, was wir aber auch wollten. Denn es war ja unsere erklärte Absicht, die Bevölkerung mit einzubinden. Und diese Resonanz freut uns sehr – dass Menschen zum Beispiel auch widersprochen haben und wir darüber diskutieren konnten. Und ich glaube, es ist für den Ort auch sehr wichtig, dass so etwas passiert.“

Bis zum Jahr 2027 erhält jeder politische Bezirk in Salzburg einen Ort des Gedenkens. Nächster Standort ist die Tennengauer Bezirkshauptstadt Hallein – dort beginnt im Frühjahr die regionale Aufklärungsarbeit.