Klima&Umwelt

Eisabbrüche und Felsstürze immer häufiger

Die Eislawine in den Dolomiten mit elf Toten ist alles andere als ein tragisches Einzelereignis. Solche Eisabbrüche und Felsstürze im Hochgebirge werden auf Grund der Klimaerwärmung immer häufiger – darin sind sich Fachleute einig.

Ein Beispiel für die häufigeren Felsstürze findet sich im Obersulzbachtal bei Neukirchen am Großvenediger (Pinzgau): Vom hochalpinen Sattelkar stürzte ein riesiger Felsblock in die Tiefe – aufgenommen von zufällig vorbeikommenden Wanderern.

Felssturz mit großem Felsbblock im Obersulzbachtal
W.Urban
Wanderer im Obersulzbachtal filmten zufällig diesen riesigen abstürzenden Felsen

Dieser Felssturz sei an dieser Stelle kein Einzelfall, betont der Geologe Ingo Hartmeyer von der Georesearch Forschungsgesellschaft: „Wir schauen uns das jetzt in den letzten fünf Jahren sehr genau an, machen Drohnenbefliegungen, Temperaturmessungen direkt vor Ort – und sehen da eine Beschleunigung dieser großen Rutschmasse im Sattelkar.“

Riesige Geröllmengen rutschen in Richtung Salzachtal

Denn im Sattelkar sind fast eine Million Kubikmeter Geröll in Bewegung – hinunter Richtung Talboden des Obersulzbachtals: „Das Problem ist, dass dieses Geröll nicht nur vor Ort liegen bleibt und ein paar hundert Meter transportiert wird, sondern es gibt so eine Art Domino-Effekt“, sagt Geologe Hartmeyer. „Das Material, das aus dem Sattelkar ausgetragen wird, wird dann im Obersulzbachtal bachabwärts weiter transportiert und betrifft in weiterer Folge dann auch das Salzachtal.“

Gerald Valentin vom Landesgeologischen Dienst in Salzburg ergänzt: „Irgendwann einmal geraten diese Sedimente bis in den Talboden, bis in den Siedlungsraum und führen dort zu Überschwemmungen, zu Vermurungen – einfach zu Beeinträchtigungen der Infrastruktur.“

Geröllmassen im Sattelkar im Obersulzbachtal
ORF
Im Sattelkar oberhalb des Obersulzbachtals sind fast eine Million Kubikmeter Geröll in Bewegung – und werden früher oder später bis ins Salzachtal kommen

Schmelzender Permafrost nimmt Hängen die Stabilität

Das Sattelkar ist nur einer von vielen Orten im Hochgebirge, an dem sich die Folgen der Klimaerwärmung zeigen – oder besser zeigen werden: „Das ist durchaus möglich, deswegen schauen wir uns ja die benachbarten Regionen an, wo auch viel Geröll vorliegt“, sagt Geologe Hartmeyer. „Die Befürchtung besteht, dass sich mit fortschreitender Wärme auch die höheren Regionen stark erwärmen und dass es auch dort dann zu diesen Massenbewegungen kommt.“

So wird in den Tauern vielerorts geforscht – unter anderem am Ödenwinkelkees im Gemeindegebiet von Uttendorf (Pinzgau). Die Ergebnisse all der Forschungsbemühungen lassen Schlimmes befürchten – nicht nur, was das Überleben der Gletscher betrifft: „Ein Aspekt ist aber auch, dass das Hochgebirge – speziell die Fels- und Geröllbereiche – an Stabilität verlieren, weil der dauerhaft gefrorene Boden aufschmilzt. Dieser Permafrost hat diesen Hängen einfach über Jahrhunderte, über Jahrtausende Stabilität gegeben. Diese stabilisierende Wirkung ist weg, sodass wir hier verstärkt Felsstürze beobachten und auch verstärkt Rutschungen und Muren sehen“, betont Geologe Valentin.

Felsstürze und Eisabbrüche werden immer häufiger

Fachleute aus dem Alpenraum tauschen sich aus

Gemeinsam statt allein – das ist nun das Motto von Fachleuten aus Salzburg, Kärnten, Südtirol, Friaul-Venetien – die sich hier am Ödenwinkelkees kürzlich zum Erfahrungsaustausch getroffen haben: „Jede Region hat ihre Spezialgebiete, hat ihre speziellen Problemfälle. Und es gilt, im interdisziplinären Zusammenwirken mit den internationalen Partnern das Best-Practice-Modell zu finden, das vielleicht im Friaul jetzt angewendet wird, wir das noch nicht so gut kennen – und das man jetzt auch bei uns einsetzen kann.“

Denn eines ist klar: Eisabbrüche und Felsstürze im Gebirge samt Steinschlag, Vermurungen und Hochwasser in den Tälern werden in Zukunft häufiger werden.