In Hintersee (Flachgau) sollen „Ausgleichsmaßnahmen“ den Bau der 380 kV-Stromautobahn laut Behörden rechtfertigen – obwohl die Gemeinde von der wild umstrittenen Freileitung nicht betroffen ist. Der Auwald in Hintersee wurde trotzdem als einer von vier Orten ausgewählt. Das sorgt für heftige Kritik in der Bevölkerung.
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380 kV-Leitung: Kritik an Ausgleichsprojekt

In Hintersee (Flachgau) sollen Ausgleichsmaßnahmen den Bau der 380 kV-Stromautobahn laut Behörden rechtfertigen – obwohl die Gemeinde von der umstrittenen Freileitung nicht betroffen ist. Der Auwald in Hintersee wurde trotzdem als einer von vier Orten ausgewählt. Das sorgt für heftige Kritik in der Bevölkerung.

Seit Ende vergangenen Jahres laufen die Arbeiten im Hinterseer Auwald. Der gehör den Bundesforsten. Im Rahmen einer „Waldumwandlung“ soll der von Nadelbäumen dominierte Auwald mehr mit Laubbäumen ausgestattet werden. Das Projektgebiet umfasst einen Waldstreifen über sieben Kilometer, Das soll den Wald als Lebensraum für Amphibien, Reptilien und Insekten aufwerten.

In der Region rumort es weiter

Der fraktionslose Gemeindevertreter Johannes Ebner aus der Nachbargemeinde Koppl ist empört. Auf deren Gebiet wird ein Teil der Stromautobahn gebaut: „Meine Familie stammt aus Hintersee. Ich weiß, wie der Tenor in dieser Gemeinde ist. Es schüttelt jeder mit dem Kopf über das Projekt. Da sind Schlangen heimisch. Es sind viele Frösche unterwegs. Das brauche ich nichts zu renaturieren. Wir sehen das auch in Koppl kritisch. Warum macht man solche Maßnahmen wegen einer Leitung, die hier keinen einzigen Teil der Gemeinde berührt.“

Grüner Landespolitiker verteidigt Maßnahmen

LHstv. Heinrich Schellhorn (Grüne) verteidigt als Umweltreferent der Landesregierung die Arbeiten: „Das ist bei Ausgleichsmaßnahmen immer so, dass für ein Projekt an anderer Stelle etwas ausgeglichen wird. Das geschieht im ganzen Land. Es gibt eine solche Maßnahme ja auch in den Salzachauen. Und das hat sich auch in Hintersee aus der Sicht der Naturschutz-Fachleute angeboten.“

Bürgermeister kritisiert Behörden

Paul Weißenbacher, Bürgermeister der Gemeinde Hintersee (ÖVP), sieht die Lage sehr kritisch. Er vermisst zudem fehlende und zu späte Information der Bevölkerung über die Maßnahmen: „Am Anfang hieß es immer, Bürgermeister, das geht dich nichts an. Du bist kein Grundeigentümer. Nun kommt man wegen des medialen Drucks kleinweise damit heraus, was hier gemacht wird. Das macht es aber nicht besser.“

Debatte um Kunststofffolien

Insgesamt sollen im Auwald 40 kleine Teiche und rund 200 Holz-, Blatt- und Asthaufen angelegt werden, um Laichplätze zu schaffen. Dass die Holzhaufen mit Folie bedeckt werden, widerspreche dem Natur- und Umweltgedanken, kritisieren Gemeindebürger und Anrainer.

Der Betreiber- bzw. Projektbeauftragte Andreas Knoll entgegnet, das sei notwendig: „Diese wechselwarmen Arten fühlen sich unter diesen Folien sehr gut wohl. Man kann dadurch auch nachweisen, ob sie sich dort tatsächlich aufhalten oder nicht. Das ist ein kleiner Nebeneffekt.“

Bundesforste: „Schutz war auch ohne Projekt geplant“

Und die Bundesforste betonen, dass sie die Waldstruktur ohnehin verändert hätten, wie ihr Flachgauer Betriebsleiter Erwin Stampfer schildert: „Die kleinstrukturierten Maßnahmen mit den Teichen hätte es nicht gegeben, Asthäufen mit Totholz aus der Holzernte hätte es sehr wohl gegeben. Wir hätten mit Sicherheit auch den Anteil von Totholz erhöht, weil es auch unseren Zielen entspricht. Das heißt, dieser Waldbau wäre mit und ohne diesem Projekt geschehen.“

Bis zur Fertigstellung der höchstgerichtlich längst genehmigten, in der Bevölkerung noch immer heftig kritisierten Freileitung sollen laut Verbundkonzern auch alle Ausgleichsmaßnahmen abgeschlossen sein.