Frau sitzt in Rollstuhl
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Gesundheit

CoV: Bei Demenz Festhaltung zulässig

In Ausnahmefällen dürfen Heimbewohner im Zimmer festgehalten werden, wenn sie sich nicht an Absonderungsbestimmungen nach einem positiven Coronavirus-Test halten. Das hat die Bewohnervertretung am Dienstag auf ORF-Anfrage bekanntgegeben. Anlassfall ist der Coronavirus-Cluster im Seniorenheim Aigen.

Dort wurden 43 Heimbewohner und 20 Mitarbeiter positiv getestet. Ausgelöst wurde der Cluster laut Heimleitung durch eine psychisch erkrankte Bewohnerin, die die Quarantäne ignoriert hatte.

Im privaten Seniorenheim der österreichischen Jungarbeiterbewegung in Aigen ist Platz für 118 Bewohner – beinahe jeder dritte von ihnen ist derzeit mit Corona infiziert, dazu kommen 20 Mitarbeiter.

Psychisch beeinträchtigte Frau trug Virus ins Haus

Laut ersten Informationen hatte sich eine psychisch beeinträchtigte Bewohnerin auf einem Spaziergang infiziert, sich aber nicht an den Quarantänebescheid gehalten und somit weitere Heimbewohner angesteckt, schildert Salzburgs Sozialstadträtin Anja Hagenauer (SPÖ).

„Eine der größten Schwierigkeiten ist natürlich, dass viele unserer Bewohnerinnen und Bewohner in den Seniorenwohnhäusern demenziell erkrankt sind. Das betrifft bis zu 70 Prozent der Bewohner und Bewohnerinnen. Und wenn jemand mit einer schweren Demenz-Erkrankung einen Quarantäne-Bescheid bekommt, dann kann man das einem solchen Menschen nicht erklären, weil er es einfach nicht mehr versteht. In so einem Bescheid steht zum Beispiel, dass der Bewohner sein Zimmer oder die Einrichtung nicht verlassen darf. Da versteht dieser Mensch dann aber nicht, was er zu tun hat“, sagt Hagenauer.

Freiheitsbeschränkung bei dementen Personen zulässig

Was im Seniorenheim Aigen unternommen wurde, um andere Heimbewohner und Mitarbeiter zu schützen, ist unklar – ein ORF-Team hat am Dienstag für eine erbetene Stellungnahme niemanden erreicht. Rechtlich zulässig wäre in einem Ausnahmefall wie diesem aber sogar eine Freiheitsbeschränkung eines betroffenen Patienten, der sich nicht an den Quarantäne-Bescheid hält.

Das erlaubt das Heimaufenthalts-Gesetz aus dem Jahr 2005, wenn – wie im Fall des Seniorenheims Aigen – Quarantänebestimmungen nicht eingehalten und dadurch andere Personen gefährdet werden, schildert Bewohnervertreter Erich Wahl. „Freiheitsbeschränkung kann alles mögliche sein – das reicht von ganz einfachen Bettgittern bis hin zum Versperren des Zimmers. Es muss aber immer das gelindeste Mittel der Wahl sein.“

Bewohnervertretung muss eingebunden sein

Dies sei allerdings ein massiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und müsse in jedem Fall der Bewohnervertretung zur Überprüfung nach dem Heimaufenthaltsgesetz gemeldet werden, betont Wahl. „Es muss eine psychische Erkrankung oder eine geistige Behinderung vorliegen. Und es muss auch eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliegen.“

Die Bewohnervertretung habe sich heuer bereits mehrfach mit derartigen Fragestellungen befasst und teilweise auch das Gericht beigezogen, ergänzt Wahl. „Das ist im ‚Pandemie-Jahr‘ 2020 des öfteren vorgekommen und wurde von den Gerichten im Einzelfall jeweils auch unterschiedlich bewertet – teilweise wurden die Maßnahmen von den Gerichten für zulässig erklärt, teilweise aber auch für unzulässig, weil gelindere Maßnahmen möglich gewesen wären.“

Sinnhaftigkeit der Quarantäne muss erklärt werden

Gelindere Massnahmen bedeuten in diesem Fall, dass Heimmitarbeiter zunächst alles daransetzen müssen, betroffene Bewohner von der Sinnhaftigkeit eines Quarantänebescheids zu überzeugen.