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Soziales

Sozialunterstützung: Arme „werden sich wieder schämen“

Durch die ab 2021 gültige neue Sozialunterstützung würden sozial schwache Menschen abgeschreckt, sich Hilfe zu holen. Sie würden „sich wieder schämen“, einen Antrag zu stellen, kritisiert die Salzburger Armutskonferenz. Dabei wächst durch die Pandemie die Not.

Ab Jänner wird die Sozialunterstützung die bisherige Mindestsicherung ersetzen. Durch die neuen Regelungen ergibt sich für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die Wohnbeihilfe bezieht, ein Verlust beim Lebensunterhalt in der Höhe von 160 Euro, so eine Berechnungen der Caritas. Dadurch werde sich die Lage sozial schwacher Menschen weiter verschärfen, sagte die Vorsitzende der Armutskonferenz, Carmen Bayer.

Viele brauchen Hilfe, die bisher Leben alleine schafften

Dabei seien seit Beginn der Coronavirus-Pandemie die Anfragen bei den Sozialberatungen in Salzburg um ein Drittel gestiegen, betonte die Armutskonferenz. So sei Armut in der Mitte der Gesellschaft angekommen – plötzlich sind Menschen auf Lebensmittelpakete oder Hilfeleistungen angewiesen, die bisher keine Unterstützung brauchten: „Es gibt natürlich die rein finanzielle Armut. Dann ist am Monatsende, vielleicht sogar zur Monatsmitte viel zu wenig zum Leben da“, sagte Bayer. „Es zeigt sich aber auch über soziale Teilhabe – Menschen beginnen sich zurückzuziehen, weil sie es sich nicht mehr leisten können, zum Beispiel Leute zum Essen einzuladen. Gerade der soziale Aspekt endet früher oder später in der Einsamkeit – Stichwort Altersarmut.“

Armutskonferenz kritisiert neue Sozialunterstützung

2021 werde die ohnehin schon angespannte Situation durch die neue Sozialunterstützung verschärft. Dadurch würden viele Sonderzahlungen wegfallen, Leistungen gekürzt und Obergrenzen gesetzt, kritisiert die Armutskonferenz. „Dieses letzte soziale Netz, das im Grunde alle auffangen sollte, die gerade durch so strukturelle Themen wie die Pandemie in die Armut schlittern – das wird mit den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen extrem schwierig werden“, sagte Thorsten Bichler von der Caritas Salzburg.

„Leistungen auch schwieriger zu erlangen“

Und auch Norbert Krammer vom Vertretungsnetz Erwachsenenbildung betonte, dass bei der neuen Sozialunterstützung „nicht nur weniger Leistung“ geben werde, „sondern sie wird auch schwieriger zu erlangen sein. Menschen in Notlagen werden sich wieder schämen, werden keinen Antrag stellen, werden die Not mit sich ausmachen.“

Michaela Fischer von der Arbeiterkammer nahm am Donnerstag das Land Salzburg in die Pflicht: „Das Land hat durchaus in anderen Bereichen Gestaltungsspielräume, die außerhalb der Sozialunterstützung liegen, damit hier Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen werden, um die Verschlechterungen aus dem Grundsatzgesetz abzufedern.“

Mehr Hilfsbereitschaft von Privaten

Einen positiven Aspekt der Coronavirus-Krise hob die Armutskonferenz am Donnerstag aber auch hervor: Denn sie zeige die sehr starke Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft für Menschen in Not. Hier habe es viele kleine und lokale Initiativen sowie ehrenamtliches Engagement gegeben, um Menschen zu helfen.