Die Statue der Justitia am Obersten Gerichtshof (OGH) in Wien. (11.3.2014)
ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com
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Politik

„Grundrechte, Demokratie noch nicht in Gefahr“

Der Völker- und Europarechtler Dietmar Jahnel von der Uni Salzburg sieht die Grundrechte in Österreich durch staatliche Maßnahmen noch nicht in Gefahr. In Krisen sei die Gesundheit der Bevölkerung schützenswerter als die Privatsphären. Wenn Gefahren gebannt seien, müssten Einschränkungen des Datenschutzes aber sofort wieder weg.

Das europäische und österreichische Recht ermögliche explizit auch Einschränkungen beim Datenschutz, wenn die Gesundheit der Bevölkerung damit geschützt werden muss. Diese Auswirkungen – Jahnel nennt als aktuelle Beispiele unbeschränkten Zugriff auf Handydaten, Tracking über die Rotes-Kreuz-App oder die Analyse von Bewegungsprofilen – müssten allerdings „erforderlich und verhältnismäßig“ sein. Und: Nach Ende der Krise müssten diese sofort wieder aufgehoben werden – „auch wenn sich die Menschen möglicherweise an die eine oder andere Maßnahme gewöhnt haben sollten“.

„Einschränkungen derzeit vertretbar und legal“

Die Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie führen zu einer erheblichen Beschränkung der Grund- und Menschenrechte. Angesichts der aktuellen Situation erscheinen diese Maßnahmen allerdings „gegenwärtig vertretbar und rechtskonform“, so die Analyse von Michael Lysander Fremuth, wissenschaftlicher Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte.

Er begründet seine Einschätzung unter anderem mit der Neuartigkeit der Bedrohung, dem hohen Wert der betroffenen Rechtsgüter (Leben, körperliche Unversehrtheit und Gesundheit) und Unklarheiten (auch vonseiten der Wissenschaft), wodurch die Krisenbekämpfung einen experimentellen Charakter habe.

Warnung vor Verherrlichung von Diktaturen

Fremuth schränkt allerdings ein: „Es bedarf einer fortwährenden Überwachung der Maßnahmen und der Adaption von Erkenntnisfortschritten durch die Staaten. Sobald es vertretbar erscheint, sind die Maßnahmen aufzuheben oder zumindest zu reduzieren.“

Die Bekämpfung des Coronavirus selbst entspreche einer grund- und menschenrechtlichen Forderung, dürfe aber zugleich nur unter Wahrung der Grund- und Menschenrechte eingelöst werden. Fremuth warnt davor, dass bei manchen Menschen der Eindruck entstehen könnte, dass die Corona-Bekämpfung in autoritären Regimes wie China besser gelinge. „Dem ist freilich entgegenzuhalten, dass die Errungenschaft der Grund- und Menschenrechte nicht preisgegeben werden darf und sich Krisenlösungen auf Grundlage des Rechts und mit Unterstützung der Bevölkerung langfristig womöglich als nachhaltiger, jedenfalls aber als menschenfreundlicher erweisen.“ Immerhin, so Fremuth, könnten in China Sanktionen im Rahmen des Sozialkreditsystems verhängt oder Menschen in ihrer Wohnung eingesperrt werden.

„Noch kein Abdriften in autoritären Staat“

Für Österreich und Deutschland scheinen dem Wissenschafter „Unkenrufe“, wonach die beiden Länder bereits heute in den autoritären Staat abdriften, „unberechtigt, jedenfalls aber verfrüht“: „Das demokratische System, die Gewaltenteilung, die rechtsstaatliche Überzeugung auch in den staatlichen Organen und nicht zuletzt die Zivilgesellschaft scheinen jedenfalls in Österreich und Deutschland stark genug, um auch diese besondere Krise zu meistern.“