Placido Domingo
APA/AFP/Christophe SIMON
APA/AFP/Christophe SIMON
Kultur

Belästigungsvorwürfe: Festspiele halten an Domingo fest

Nachdem am Dienstag anonyme Missbrauchsvorwürfe gegen den Opernstar Placido Domingo um die Welt gingen, meldet sich Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler zu Wort. Für sie gelte „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Beschuldigten. Es sei unverantwortlich, zum derzeitigen Zeitpunkt Urteile zu fällen. Domingo tritt heuer zwei Mal in Salzburg auf.

Sie kenne Domingo nun seit über 25 Jahren, schreibt Rabl-Stadler in einer Aussendung. Zu seiner künstlerischen Kompetenz habe sie von Anfang an sein wertschätzender Umgang mit allen Frauen und Männern im Team der Festspiele beeindruckt. Würden die gegen ihn erhobenen Vorwürfe auch im Festspielhaus ausgesprochen worden sein, hätte sie sicher davon erfahren, zeigt sich die Festspiel-Präsidentin überzeugt.

„Zudem gilt für mich als ausgebildete Juristin, ‚in dubio pro reo‘. Ich fände es sachlich falsch und menschlich unverantwortlich, zum derzeitigen Zeitpunkt endgültige Urteile und darauf beruhende Entscheidungen zu fällen. Intendant Markus Hinterhäuser, der kaufmännische Direktor Lukas Crepaz und ich sind uns einig, Placido Domingo wird wie geplant in ‚Luisa Miller‘ bei den Festspielen 2019 singen.“

Schwere Vorwürfe gegen 78-jährigen Opernstar

Die beiden Konzerte sind für den 25. und 31. August geplant und bereits ausverkauft. Am Dienstagnachmittag wurden die Anschuldigungen gegen Domingo laut: Mehrere Frauen erheben Vorwürfe sexueller Belästigung gegen den spanischen Opernstar Domingo. Der 78-Jährige soll demnach versucht haben, die Frauen zu sexuellen Beziehungen zu drängen, sie berührt und geküsst haben. Dafür soll er Engagements angeboten haben und fallweise bei Zurückweisung Frauen bestraft haben. Domingo wies die Vorwürfe, über die die Nachrichtenagentur AP berichtete, in einer Stellungnahme zurück.

Nicht nur als Sänger, sondern auch als Dirigent und Leiter der Los Angeles Opera ist er ein Mann mit einflussreichen Beziehungen in der Opernwelt, der Karrieren auf den Weg bringen oder verhindern kann.

Neun Frauen werfen Belästigung vor

Acht Sängerinnen und eine Tänzerin haben nun – anonym – gegenüber der AP betont, Domingo habe sie sexuell belästigt. Das sei zudem seit Langem ein offenes Geheimnis in der Opernwelt. Die konkret behaupteten Übergriffe fanden Angaben zufolge über einen Zeitraum beginnend mit den späten 1980er Jahren statt – und an Opernbühnen, an denen Domingo zu dem Zeitpunkt im Management saß.

Zusätzlich zu den neun Frauen gaben sechs weitere Frauen gegenüber der AP an, Domingo habe Annäherungsversuche unternommen, bei denen sie sich unwohl gefühlt hätten.

Dutzende Sänger, Tänzer, Orchestermusiker und andere Mitarbeiter von Opernbühnen gaben demnach an, sie hätten unangemessenes, sexuell gefärbtes Verhalten Domingos gegenüber jungen Frauen beobachtet.

Domingo: „Bekümmernd und inkorrekt“

Domingo ging auf die Vorwürfe, die von der AP teils sehr genau wiedergegeben wurden, nicht im Detail ein. In einer Stellungnahme betonte er: „Die Vorwürfe dieser namentlich nicht genannten Personen, die bis zu 30 Jahre zurückreichen, sind sehr bekümmernd und so, wie sie wiedergegeben werden, inkorrekt.“

„Trotzdem ist es schmerzhaft zu hören, dass jemand durch mein Verhalten möglicherweise erschüttert wurde oder sich unbehaglich fühlte – egal, wie lange das her ist und trotz meiner besten Absichten. Ich habe geglaubt, dass alle meine Kontakte und Beziehungen immer willkommen waren und auf Einvernehmlichkeit beruhten. Menschen, die mich kennen oder mit mir gearbeitet haben, wissen, dass ich niemandem absichtlich Leid zufügen würde, beleidigen oder vor den Kopf stoßen würde.“

Beispiellose Karriere

Placido Domingo ist einer der größten Klassikstars der Gegenwart. Über Jahrzehnte war der Tenor an allen großen Opernhäusern der Welt zu Gast. Vor einigen Jahren wechselte er ins Baritonfach. Er bestritt als Opernsänger nach eigenen Angaben mehr als 4.000 Aufführungen. Im vergangenen Jahr sang er bei den Salzburger Festspielen seine 150. Opernrolle.

Große Erfolge feierte Domingo als einer der „Drei Tenöre“ zusammen mit Luciano Pavarotti und José Carreras. Als Dirigent leitete er mehr als 500 Opernaufführungen und Konzerte. Seit 2003 ist Domingo Generaldirektor der Oper von Los Angeles.