„Endlich fertig“, lacht die junge Wirtin aus der Oberpfalz in Bayern. Seit einer Woche haben Carol Freisleben und ihre freiwilligen Helfer aus Deutschland und Österreich viel gearbeitet, um die Winterpause zu beenden. Sie schaufelten den Felsvorsprung frei, auf dem diese Hütte in der steilen Westflanke des Großen Wiesbachhorns (3.564 Meter) steht.
Erste Hitzewelle bannte Lawinengefahr
Noch vor zehn Tagen reichte hier der Schnee bis zur Dachkante. Dass die Schaufler überhaupt ohne Gefahr für Leib und Leben bis zum Heinrich-Schwaiger-Haus aufsteigen konnten, hatte mit den für sie positiven Folgen der ersten Hitzewelle zu tun. Bis Anfang Juni bedrohten nämlich auch weiter unten noch die Schneemassen den steilen Aufstieg vom Stausee Mooserboden her. Lange war die Lawinengefahr noch nicht zu unterschätzen – bedingt auch durch den vielen Neuschnee im Mai, der zu den großen Mengen des Winters dazukam.
Lange Tradition der Eisgeher
Nun ist Pächterin Freisleben wieder in ihrem Zeitplan, um am 29. Juni 2019 ihren sehr schön gelegenen Stützpunkt für Bergsteiger aufzusperren. Er ist nach dem Zittelhaus auf dem Rauriser Sonnblick, dem Matrashaus auf dem Hochkönig der dritthöchste in Salzburg: „Ich habe schon erste Übernachtungsgäste am Freitag. Die haben über Internet gebucht“, zeigt sie sich erleichtert nach dem Hoffen und Bangen der vergangenen Wochen. Sie musste für die Finanzierung der Versorgungsgüter schon viel Geld vorstrecken, ohne zu wissen, wann die ohnehin kurze Saison in dieser großen Seehöhe beginnen kann.
Dienstag flog ihr ein Hubschrauberpilot die Lebensmittel und Getränke für den ganzen Sommer hinauf – inklusive 55 Fässer Bier.
Die Hütte hat alpingeschichtlich eine lange und wichtige Tradition. Sie war besonders bei Eiskletterern beliebt, die die mittlerweile abgeschmolzenen und früher extremen Eiswände der Region bevölkerten. Das Schwaiger-Haus wurde schon 1902 eröffnet und gehört noch immer der Sektion München-Oberland des Deutschen Alpenvereins. Es dient heute mehr den Tagesgästen, aber auch Hochalpinisten, die weiter hinauf zum Wiesbachhorn oder hinüber in die zentrale Glocknergruppe, zur Oberwalder Hütte und zum Großglockner selbst aufbrechen. Es ist eine für viele Unternehmungen taktisch gut gelegene Basis.
Wärme erschwert Hüttenversorgung
In den letzten Tagen war es auch auf 2.800 Metern viel wärmer als sonst zu dieser Jahreszeit. Bei den Versorgungsflügen gab es dadurch zusätzliche Schwierigkeiten. Gasturbinen leisten – wie alle Motoren – in der ohnehin dünnen Luft des Hochgebirges bei hohen Lufttemperaturen noch deutlich weniger. So konnte bei jedem Transport laut Freisleben nur ungefähr die halbe Last hinaufgeflogen werden. Es waren für das Gesamtgewicht der Güter deutlich mehr Flüge nötig. Und die Hüttenwirtin rechnet mit der Hubschrauberfirma über Flugminuten ab: „So schlägt sich die Wärme direkt in meiner Bilanz nieder. Reich wird mit einem so ausgesetzten Standort ohnehin niemand, so viel ist sicher. Aber ich bin sehr froh, dass wir nun überhaupt aufsperren können und doch noch alles unter Dach und Fach ist.“ Freisleben hofft nun auf einen schönen Sommer mit wenig Wetterstürzen.
Fotos von 9. Juni
Wie extrem und technisch schwierig diese Ecke des Landes Salzburg sein kann, zeigt diese Galerie von 9. Juni, als noch nicht klar war, ob die Hütte heuer rechtzeitig aufgesperrt werden kann:
Beim Schwaiger-Haus schneit es oft auch in Juli und August herunter. Dann bleiben geländegängige Tagesgäste und die Hochalpinisten für einige Tage oder eine ganze Woche aus. Vorgängerinnen der Pächterin kämpften hier auch im Hochsommer immer wieder gegen Schneemassen. Und Mitte September ist ohnehin Schluss mit der kurzen Hüttensaison auf einem der schönsten Plätze der Ostalpen.
Gerald Lehner, salzburg.ORF.at