Der österreichische Schriftsteller Karl-Markus Gauß im Jänner 2022 in Salzburg
APA/BARBARA GINDL
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Kultur

ORF-Schwerpunkt: Karl-Markus Gauß wird 70

Mit seinem neuen Buch „Schiff aus Stein“ hat sich Karl-Markus Gauß im Mai gleich an die Spitze der ORF-Bestenliste gesetzt. Zum bevorstehenden 70. Geburtstag des Salzburger Schriftstellers und Essayisten am 14. Mai gibt es einen Sendungsschwerpunkt.

Die Sammlung aus Erlebtem und Geträumtem, aus Reisebeobachtungen, Erinnerungen und Überlegungen steht Donnerstag auch im Zentrum der Ö1-Sendung „Literatur am Feiertag“ (14.05 Uhr).

Der ORF-Schwerpunkt wird am Sonntag, 12. Mai, um 9.05 Uhr mit einer „Gedanken“-Sendung fortgesetzt. Darin spricht Karl-Markus Gauß über das Reisen durch die Zeiten. Am Montag widmet ihm der „kulturMontag“ (22.30 Uhr) ein TV-Porträt. Und am Dienstag (14. Mai, 16.05 Uhr) ist in den „Tonspuren“ von Ö1 das Feature „Die Welt in der Wohnung. Ein Besuch bei Karl-Markus Gauß“ zu hören.

Zwei Herzinfarkte überstanden

Dass er den runden Geburtstag auch feiern kann, das ist keineswegs selbstverständlich. Im neuen Buch erzählt Gauß auch von seinen zwei Herzinfarkten, mit denen er buchstäblich sein Gleichgewicht verloren und „die Angst, einmal auf dem Podium einer Literaturveranstaltung oder am Tisch eines Restaurants vom Blitz getroffen zu werden“, seither nicht mehr abgelegt hat. Dennoch fühle er sich „nicht vom Tod gezeichnet. Ich glaube, dass ich als pubertierender junger Mann öfter an den Tod gedacht habe als jetzt“, sagte er jüngst im APA-Interview. „Generell hat sich mein Bild weder vom Leben noch vom Tod geändert. Es gibt keine Notwendigkeit, meine Lebenshaltung umzustellen.“

Wie diese aussieht, verdeutlicht auch sein neues Buch. „Ich möchte zeigen, dass es kein Nachteil ist, geboren zu werden, und dass es auch kein Nachteil ist, sich in der Welt etwas umzuschauen, und sich dabei was zu denken.“

Essayist und Rezensent seit Jahrzehnten

Er habe es als Salzburger des Jahrgangs 1954 weder zeitlich noch geografisch schlecht erwischt – dessen sei er sich sehr bewusst, versichert der Autor, der einer donauschwäbischen Familie entstammt und in seiner Heimatstadt Germanistik und Geschichte studierte. Gauß machte schon früh mit literarischen Essays auf sich aufmerksam, die er zunächst im „Wiener Tagebuch“ veröffentlichte. 1991 wurde er Herausgeber und Chefredakteur der Literaturzeitschrift „Literatur und Kritik“ im Otto Müller Verlag – eine Position, die er 2022 an Bachmann-Preisträgerin Ana Marwan übergab. Karl-Markus Gauß ist als Essayist und Rezensent in Tageszeitungen wie „Die Zeit“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Neue Zürcher Zeitung“, „Salzburger Nachrichten“ und „Die Presse“ seit Jahrzehnten präsent.

Karl-Markus Gauß in Salzburg, 2013
Kurt Kaindl

Große Literatur seit 1986

Die Bücherliste, die Gauß bisher vorgelegt hat, beginnt 1986 mit „Wann endet die Nacht. Über Albert Ehrenstein“ und umfasst seither über zwei Dutzend Veröffentlichungen, die nicht selten der kleinen Form huldigen und weit mehr als reine Reisereportagen oder Essaybände sind. Mit seinen Journalen fand er die ideale Ausdrucksform, Politisches und Privates, Erlebtes und Gelesenes zu haltbaren Texten zu verdichten. Für „Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer“ (2019) bot die Gauß’sche Wohnung am Fuße des Mönchsbergs den Ausgangspunkt für allerlei Abschweifungen.

Halb ausgestorbene Volksgruppen als Thema

Texte wie „Die Hundeesser von Svinia“, „Die sterbenden Europäer“ oder „Die versprengten Deutschen“ gelten als exemplarisch für die Auseinandersetzung mit Minderheiten. Viele Jahre lang spürte er halb ausgestorbenen Volksgruppen auf, reiste ihnen nach und rief sie der Allgemeinheit in Erinnerung. 2022 grübelte Gauß in „Die Jahreszeiten der Ewigkeit“ allerdings, ob er dabei nicht auch Selbststilisierungen aufgesessen sei: „Die Bewunderung, die ich für sie empfand, (…) ist mir mit der Zeit aber selbst verdächtig geworden. Die Romantisierung hat immer etwas Bemächtigendes …“

Autobiografisch gefärbte Kulturgeschichte

Für Gauß ist Lebensglück und Schreiben vielleicht nicht gänzlich synonym, aber doch eng zusammenhängend. „Lob der Sprache, Glück des Schreibens“ hieß vor zehn Jahren ein Band mit Essays, Glossen, Aufsätzen, Erzählungen, Erinnerungen und Polemiken aus zwei Jahrzehnten. In jedem Fall sieht Gauß im schreiberischen Verarbeiten seiner Gedanken und Eindrücke eine grundsätzlich positive Welthaltung: „Jemand, der schreibt, sagt schon im Prinzip ja. Wenn ich nein sagen würde, würde ich ja gar nicht erst etwas schreiben.“ Nein sagt er nur zur literarischen Ausdrucksform des Romans. „Ich habe autobiografisch gefärbte, europäische Kulturgeschichte in gänzlich neuem, eigenständigen Stil vorgelegt, in der es durchaus auch fiktive, rein erzählerische Teile gibt. Salopp gesagt, ich lasse mich sicher nicht zu einem Roman zwingen“, hielt der Autor einmal in einem APA-Gespräch fest.

Viele Preise und Ehrungen

Die Liste der Auszeichnungen ist fast so lange wie die Liste seiner Bücher. Der Österreichische Staatspreis für Kulturpublizistik (1994) steht ebenso darauf wie der Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (1998), der Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln (2001), der Österreichische Kunstpreis für Literatur (2013), das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (2019) und der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2022).

2006 wurde Gauß als Mitglied in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen, 2007 erhielt er das Ehrendoktorat der Philosophie der Salzburger Universität.