Debatte nach Rettung aus Gletscherspalte

Die Rettung zweier Tourengeher aus einer Gletscherspalte nach fast 24 Stunden sorgt weiter für Debatten. Es gibt Kritik von Experten, dass die beiden Tourengeher die Tour am betreffenden Tag überhaupt unternommen haben. Alpinismus und Rettung sind die eine Seite.

Gipfel

Gerald Lehner

Unfallstelle in ca. 3.300 Metern Seehöhe oben rechts in Gipfelnähe

Auf der anderen Seite steht die Gefahr, der sich ehrenamtliche Bergretter und Alpin-Polizisten bei solchen Bergungen wie am Sonntag beim Wiesbachhorn immer wieder aussetzen.

Und die dritte Seite ist die Frage, warum Menschen das überhaupt machen und sich Gefahren aussetzen, aus denen ihnen dann andere - oft unter Einsatz des eigenen Lebens - heraushelfen. Während viele in diesen Tagen wohl ganz froh sind, dass sie keinen Schnee mehr sehen, ist genau jetzt für die Skitourengeher die ideale Zeit für Touren im Hochgebirge.

Von Redakteur Karl Kern, ORF Salzburg

Dass Freizeitsport, Wandern, Bergsteigen, Klettern, Skitouren und extremer Alpinismus nicht immer ohne Zwischenfälle abgehen, das ist klar. Dennoch stellt sich die Frage, ob die Tour vom Samstag, bei der zwei Männer 22 Stunden in einer Gletscherspalte ausharren mussten, ehe geborgen werden konnten, nicht purer Leichtsinn war, wie manche kritisieren.

Bergführerverband: „War an dem Tag ein No Go“

Thomas Mansberger ist vermutlich kein ganz normaler Tourengeher. Seine Abfahrten mit dem Snowboard sind von der extremeren Sorte und Mansberger stellt sie auch gerne in Netz, wie etwa seine Abfahrt vom Großen Wiesbachhorn im Jahr 2014. Die Tour am Samstag mit einem ebenso fiten Bergkollegen endete in einer Gletscherspalte auf einer schmalen Schneebrücke. Links und rechts ging es gut 50 Meter in die Tiefe.

Wiesbachhorn Sandbodenkees Unfallstelle Spaltensturz Gletscherspalte

Bergrettung Salzburg

An dieser Stelle in Gipfelnähe auf der vergletscherten Schulter unter dem Nordgrat stürzten die beiden Tourengeher in eine Spalte

Scharfe Kritik an den beiden geretteten Tourengehern kommt jedenfalls vom Obmann des Salzburger Bergführerverbands, Günter Karnutsch. „So etwas macht man nicht an einem solchen Tag. Man braucht nur in den Lehrbüchern nachlesen. Jeder vernünftige Alpinist wird sagen: An so einem Tag ist das ein no go“, sagt Karnutsch.

„Immer mehr reduzieren den Berg auf ein Sportgerät“

Salzburgs Bergführer haben zunehmend Probleme mit Ausdauer-Sportlern, die die Berge ausschließlich als weiteres Sportgerät sehen. "Es ist einfach so, dass immer mehr den Berg als Sportgerät entdecken. Aber den Berg auf ein Sportgerät zu reduzieren, ist schon einmal ein grundlegender Fehler.

Günter Karnutsch, Obmann des Salzburger Bergführerverbandes

ORF

Günter Karnutsch kritisiert die Aktion der beiden Tourengeher heftig

Denn da gehört wesentlich mehr dazu. Ich will nicht in Abrede stellen, dass diese Leute zum Großteil über eine hervorragende Kondition verfügen. Aber die Berge nur in Begehungszeiten zu messen, ist entschieden zu wenig. Und auch eine große Zahl von begangenen Touren hat noch keinerlei Aussagekraft über die Qualität der betreffenden Bergsteiger", kritisiert Günter Karnutsch.

Psychiater: „Diese Leute sind sehr Ich-orientiert“

Kritik kommt auch vom Leiter der Universitätsklinik für Psychiatrie in Salzburg, Reinhold Fartacek. „Es geht da oft um Menschen, die sehr Ich-orientiert sind und denen zum Beispiel auch bei einem zweifelhaften Wetter nicht einfällt, dass bei den Bergrettern, wenn sie ausrücken, um freiwillige Helfer geht, die selbst Familie haben und die sich unter Umständen in große Gefahr begeben. Genau das sollte einem passionierten Bergsteiger allerdings einfallen. Und eines der größeren Kunststücke besteht darin, eine Tour im Zweifelsfall aus dem Gefühl der Verantwortung heraus auch einmal abzubrechen“, sagt Fartacek.

Reinhold Fartacek, Psychiater

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Psychiater Reinhold Fartacek: „Diese Menschen sind sehr Ich-orientiert“

Ein wichtiger Faktor ist auch das Internet und die sozialen Medien. Sie würden wilde Hunde heroisieren, kritisiert der Obmann des Bergführerverbandes, Günter Karnutsch. „Die Erfahrung zeigt leider, dass viele dieser Leute offenbar beratungsresistent sind“, sagt Karnutsch. Für manche Experten ist diese Sucht nach Leistung und nach persönlichen Rekorden fatal - nämlich dann, wenn ein Unglück passiert und wenn Unbeteiligte dann unter schwierigsten Bedingungen ausrücken müssen, um Leben zu retten.

Geretteter sieht im eigenen Verhalten kaum Fehler

Thomas Mansberger selbst sieht nach seiner Rettung im eigenen Verhalten kaum Fehler: „Ich bin ein gut trainierter Sportler, der in diesem Fall viel Pech gehabt hat, aber noch viel mehr Glück. Ich suche nicht den Kick, sondern einfach neue Herausforderungen. Es geht um einen herrlichen Tag am Berg und natürlich vielleicht das eine oder andere Mal auch darum, Möglichkeiten auszuloten. Aber es geht mir nie darum, anderen etwas beweisen zu wollen, sondern bestenfalls mir selbst.“

Thomas Mansberger

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Sieht im eigenen Verhalten kaum Fehler: Tourengeher Thomas Mansberger

Er und sein Begleiter hätten sich auf diese Tour akribisch vorbereitet, beteuert Mansberger. „Wir haben auf ein Seil verzichtet, weil wir beide der Ansicht waren, dass wir uns damit auf dem Gletscher nicht gegenseitig halten könnten. Allerdings hätten wir natürlich ein Seil im Rucksack mitnehmen können, um aus der Spalte rauszukommen. Mit dem Sturz in eine Spalte haben wir allerdings nicht gerechnet, weil wir die Route so genau studiert haben.“

„Würde diese Tour wieder so machen“

Er würde die Tour so wieder machen, ergänzt Mansbeger. „Man müsste allerdings die Spalte ganz oben berücksichtigen, die wir nicht gesehen haben. Und ich würde mich noch genauer über die mögliche Lawinengefahr erkundigen, die mir in unserem Fall in dieser Dimension nicht klar war. Aber insgesamt glaube ich, dass wir nichts falsch gemacht haben und ich würde diese Tour wieder so machen.“

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Karl Kern berichtet über die Debatte nach der Rettung aus einer Gletscherspalte

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