Prozess wegen Stolperstein-Beschmierungen

Wegen Neonazi-Schmierereien auf Stolpersteinen zum Gedenken an NS-Opfer und öffentlichen Orten stehen seit Dienstag in Salzburg zwei Burschen und zwei Mädchen zwischen 17 und 21 Jahren vor Gericht. Sie gaben sich reumütig.

mit Teer geschändeter Stolperstein in der Stadt Salzburg

ORF

Versuche der Zerstörung: Mit spezieller Ölfarbe beschmierter Stolperstein

Die Staatsanwaltschaft listete insgesamt 133 Fakten in dem Verfahren auf. Die hauptbeschuldigten Burschen, zur Tatzeit 20 und 21 Jahre, waren im Vorfeld geständig. Für den Staatsanwalt waren die Taten der zwei befreundeten Burschen „keine Lausbubenstreiche“, wie er in seinem Eingangsplädoyer betonte: „Die beiden haben sich konkret etwas überlegt, um ihre nationalsozialistischen Botschaften nach außen tragen zu können.“

Stolpersteine sind in den Straßenbelag eingelassene Gedenksteine. Diese und weitere Flächen wurden zwischen Februar und Herbst 2013 in der Stadt Salzburg mit Farbe beschmiert. Die Schmieraktionen erregten österreichweit Aufsehen und verursachten einen Sachschaden von rund 20.000 Euro. Die vier Beschuldigten wurden wegen des Verdachtes der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach Paragraph 3g und 3f des Verbotsgesetzes angeklagt.

Wechselseitig „Schmiere“ gestanden

Konkret werden dem jüngeren Hauptbeschuldigten 61 und dem Älteren 128 Schmierereien zur Last gelegt, die sie teilweise miteinander und teilweise alleine verübt haben sollen. Laut Anklage sind sie dabei gelegentlich auch wechselseitig „Schmiere“ gestanden. Es geht um insgesamt 59 Stolpersteine sowie um Ampelschaltkästen, Fassaden, Haltestellen, Parkscheinautomaten und andere Flächen, die sie mit Farblack und mit nationalsozialistischen Botschaften wie „NS statt US“ besprüht haben sollen. Zwei Mädchen im Alter von 17 und 20 Jahren wurden wegen Aufpasserdiensten mitangeklagt.

NS statt US Nazi Schmiererei Neonazi Nationalsozialismus Sprayer

Tobias Pötzelsberger

Die Angeklaften sollen in der ganzen Stadt Salzburg Sammelkästen, Fassaden oder Haltestellen mit rechtsextremen Sprüchen besprüht haben

NS-Gesinnung zugegeben, mittlerweile distanziert

Die zwei Hauptbeschuldigten waren dem Staatsanwalt zufolge in der rechtsextremen Szene verankert. Im Jahr 2012 waren sie häufig in der ehemaligen „Odins Bar“ in Salzburg-Mülln zu Gast, die ein Treff für Neonazis gewesen sei: „Die beiden sind auch Mitglied der Gruppe ‚Skinheads Bayern‘ geworden“, schilderte der Staatsanwalt. Nachdem die „Odins Bar“ im Oktober 2012 nach einer Hausdurchsuchung geschlossen worden war, hätten sich die beiden Angeklagten zu den Schmieraktionen entschlossen, um in Salzburg Aufmerksamkeit zu erregen, erläuterte der Staatsanwalt.

Nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft distanzierten sich die beiden Hauptangeklagten in Medieninterviews von ihrer nationalsozialistischen Gesinnung: „Er versucht, was er angerichtet hat, wieder gut zu machen“, sagte eine Verteidigerin.

„Habe es aus Überzeugung und Langeweile gemacht“

Der 22-jährige Bursch, der alleine rund 90 Beschmierungen und schwere Sachbeschädigungen als Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz 3f zu verantworten hat, wirkte bei seiner Einvernahme am Nachmittag sehr gefasst. „Anfangs habe ich das aus Überzeugung und fast schon aus Spaß, aus Langweile gemacht. Dann ist es schon Routine geworden“, erklärte er das Motiv.

Über mögliche Konsequenzen habe er damals gar nicht nachgedacht, sagte der Salzburger. Warum er überhaupt „Stolpersteine“ beschmiert habe, fragte die vorsitzende Richterin. „Wir waren damals überzeugt, dass die Opferzahlen des Holocaust zu hoch waren, dass die Geschichte nicht wahr ist“, antwortete er. Indem der Gedenkstein mit Farbe besprüht wurde, habe man den Namen des Opfers unkenntlich gemacht und das verschleiert. „Aus heutiger Sicht sind damit die Leute noch einmal umgebracht worden“, meinte er reuevoll.

Urteil am Freitag erwartet

Die mitangeklagte Lebensgefährtin des 22-Jährigen, mit dem sie auch ein Kind hat, bekannte sich zum Vorwurf, bei zehn Vorfällen Schmiere gestanden zu sein, für schuldig: „Am Anfang habe ich nicht gewusst, was sie da tun. Dann war es die Angst, dass man vom Freund verlassen wird. Dass ich eine Strafe kriege, hätte ich nicht gedacht. Ich habe aber nicht selber geschmiert“, erklärte die 20-Jährige.

Der Jugend-Geschworenenprozess am Landesgericht Salzburg ist vier Tage lang bis einschließlich Freitag anberaumt. Alle Angeklagten sind derzeit arbeitslos, der 21-Jährige und die 17-Jährige sind vorbestraft. Drei Beschuldigte stammen aus Salzburg, die 17-Jährige ist deutsche Staatsbürgerin.

Straftaten nehmen trotzdem kein Ende

Das Beschmieren von „Stolpersteinen“ in der Stadt Salzburg nahm auch nach Ausforschung der Verdächtigen kein Ende. Auch ein Euthanasie-Mahnmal im Kurgarten von Salzburg wurde zerstört. Die Polizei ermittelt noch nach den Tätern.

„Stolpersteine“ sind ein internationales Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit diesen Gedenktafeln wird an das Schicksal der Menschen erinnert, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Die Gedenksteine werden in der Regel vor den letzten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in das Pflaster des Gehsteiges eingelassen. Mittlerweile gibt es rund 45.000 „Stolpersteine“ in 18 europäischen Ländern. In der Stadt Salzburg wurden bisher 257 „Stolpersteine“ verlegt - die bisher letzten elf am Dienstag auf dem Südtirolerplatz vor dem Salzburger Hauptbahnhof.

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Romy Seidl berichtet über den Prozess und die Stolperstein-Verlegung in Salzburg

Links: