Gedenken: 100 Todesurteile beim Landesgericht
Das Landesgericht sei zwischen 1938 und 1945 eine zentrale Institution des nationalsozialistischen Terrors in Westösterreich gewesen, sagt der Salzburger Historiker Gert Kerschbaumer. Er fungiert nun am 22. Jänner bei einem Gedenkrundgang als Guide für zeithistorisch Interessierte.
Viele Opfer der NS-Justiz
Die NS-Justiz hat im Salzburger Landesgericht rund 100 Todesurteile gefällt. Bei der Stadtbesichtigung umrundet Kerschbaumer mit den Teilnehmern den großen Gebäudekomplex: „Wir stehen dann einige Minuten auf dem frequentierten Rudolfsplatz und schauen auf die Messstation für Abgase im Zentrum des heutigen Kreisverkehrs.“
Gerald Lehner
„Befreiungsplatz“ kam nie zustande
Für genau diesen Ort gab es einst Pläne für ein Mahnmal und eine Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen Justiz. Dieses Projekt kam nie zustande. 1946 sollte auch der Rudolfsplatz vor dem Landesgericht in „Befreiungsplatz“ umbenannt werden. Im Rahmen der Amnestien für nationalsozialistische Täter, Würdenträger und Mitläufer zu Beginn bzw. Mitte der 1950er-Jahre und in Zeiten allgemeiner Gedächtnislücken von Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur seien diese Vorhaben rasch in den Schubladen verschwunden, sagt Kerschbaumer. Die politischen Parteien hätten sich die vielen Stimmen aus dem rechtsradikalen Lager sichern wollen.
Theodor Herzl in Salzburg
Die Geschichte des Salzburger Landesgerichtes ist auch mit der internationalen Politik verknüpft: Theodor Herzl, Autor der Schrift „Der Judenstaat“ (1896), gilt als geistiger Vater des Zionismus und des Staates Israel. Der aus Budapest gebürtige Jurist verbrachte ab 1885 einige Jahre als Rechtsreferendar am Landesgericht Salzburg. Als Jude litt er unter dem damals in Salzburg stark grassierenden Antisemitismus. Ursprünglich wollte er hier sogar Richter werden.
Historischer Rundgang beim Landesgericht:
Freitag, 22. Jänner 2016, 16.00 bis 17.00 Uhr. Treffpunkt ist der Kajetanerplatz beim Landesgericht.