Terrorprozess: Mangel an Beweisen, Freispruch

Der mangels Schöffen in der Vorwoche gleich wieder vertagte Prozess in Salzburg - gegen einen 34-jähriger Iraker wegen Terrorverdachtes - ist Mittwoch wegen Mangel an Beweisen mit einem Freispruch zu Ende gegangen.

Der Asylwerber soll in seiner Heimat Mitglied der „Badr Organisation“ gewesen sein, deren Miliz auch gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen sei.

„Badr Corps“ eine Terrorgruppe?

Der Angeklagte beteuerte seine Unschuld. Er habe nicht gekämpft, sondern humanitäre Einsätze im Irak geleistet. Der 34-Jährige wurde am 23. Jänner 2017 in einer Flüchtlingsunterkunft in Salzburg festgenommen. Ermittler hatten auf seinem Handy ein manuell gelöschtes Foto wiederhergestellt. Es wurde offenbar im November oder Dezember 2014 nahe der irakischen Stadt Tikrit aufgenommen und zeigt den Beschuldigten mit einer Kalaschnikow und in Kampfausrüstung mit dem Wappen des „Badr Corps“, das laut Anklage zwar gegen den „Islamischen Staat“ (IS) kämpft, einige Einheiten aber auch gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen seien.

Übergriffe auf Zivilbevölkerung

Wegen des sichergestellten Fotos ging der Staatsanwalt davon aus, dass der Angeklagte von Dezember 2014 bis Oktober 2015 Mitglied des „Badr Corps“ beziehungsweise der „Badr Organisation“ war und sich an illegalen Kämpfen beteiligt hat. Der Mann habe sich zu dem Zeitpunkt, als es zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gekommen war, auch in Tikrit aufgehalten.

Den Schilderungen des Staatsanwaltes zufolge hat sich das „Badr Corps“ in den 1990er Jahren aus schiitischen Kämpfern rekrutiert und sich gegen das Regime von Saddam Hussein aufgelehnt. Die militärische Organisation sei im Jahr 2003 zu einer politischen Bewegung geworden und habe sich in „Badr Organisation“ unbenannt. Als 2014 die sunnitische Terrororganisation „Islamischer Staat“ im Irak und Syrien begann, Territorien in Syrien und im Irak zu erobern, habe der irakische Ministerpräsident junge Männer aufgerufen, sich dem Militär anzuschließen. Schiitische Geistliche hätten diesen Aufruf, der auf fruchtbaren Boden gestoßen sei, unterstützt.

Staatsanwaltschaft arbeitete sich tief ein

Allerdings hätten sich zahlreiche Männer nicht der regulären Armee, sondern Volkseinheiten angeschlossen, deren Funktionäre ein „Eigenleben“ verfolgt hätten, führte der Staatsanwalt aus. Sie hätten abseits des legitimen Kampfes Ziele verfolgt, die nach Paragraf 278c des österreichischen Strafgesetzbuches terroristische Straftaten seien. Diese Einheiten hätten die sunnitische Zivilbevölkerung terrorisiert, indem ganze Dörfer niedergebrannt oder mit Sprengstoff dem Boden gleich gemacht worden seien. Der Staatsanwalt verwies auch auf das Massaker in dem irakischen Dorf Barwana, bei dem schiitische Milizen junge sunnitische Männer erschossen hätten.

Was sagte die Verteidigung?

Der Rechtsanwalt des Beschuldigten betonte, dass die „Badr Organisation“ eine im Irak anerkannte Organisation sei, die nicht nur 22 Abgeordnete, sondern auch den Innenminister stelle. „Sind das jetzt alle Terroristen?“, stellte er die Frage in den Raum. In Europa habe es offenbar noch kein Verfahren gegen ein Mitglied der Badr Organisaton gegeben. Die Anklage stütze sich auf den deutschen Nah-Ost-Experten Guido Steinberg, der ausgeführt habe, dass die terroristische Kategorisierung der Badr Organisation nicht zwingend sei. „Es braucht aber Gewissheit.“ Der 34-Jährige habe sich an keinem Kampf beteiligt, zudem sei nur dieses eine Foto auf dem Handy des Beschuldigten gefunden worden. „Sonst nichts. Wo sind die Beweise“, fragte der Verteidiger. Die USA, UN und EU würden die Miliz der „Badr Organisation“ nicht als Terror-Gruppe einstufen.

Gericht fand keine Beweise für Verurteilung

Der Angeklagte, der sich als Atheist bezeichnete, schilderte, dass die beiden anderen Männer auf dem Foto Polizisten des Innenministeriums gewesen seien und ihn bei der humanitären Aktion, bei der von Geschäftsleuten gespendete Hilfsgüter an die Bevölkerung verteilt wurden, beschützt hätten. Die eigene Religion habe für die Organisation keine Rolle gespielt. Er selbst sei Geschäftsmann und habe vier Elektrogeschäfte im Irak betrieben. Als eines seiner vier Kinder, eine Tochter, im Juli 2014 von einer Autobombe vor seinem Haus getötet worden sei, habe er sein Heimathaus verlassen und sei bei Verwandten untergekommen. Nachdem auch seine Geschäfte in Brand gesetzt worden seien, sei er 2015 über die Balkanroute nach Österreich geflüchtet. „Ich wollte später meine Familie nachholen“, erklärte der verheiratete Mann.

Kein spezielles Gutachten mehr

Der Antrag des Staatsanwaltes auf Erörterung des Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der militärische Flügel der „Badr Organisation“ aus dem Zusammenschluss mehrerer tausend Personen besteht und dass es zwischen Dezember 2014 und Oktober 2015 im Rahmen des legitimen Kampfes gegen den IS auch zu Anschlägen auf die sunnitische Zivilbevölkerung gekommen sei, wurde abgelehnt. Die Vorsitzende erklärte nach dem Freispruch, es habe sich nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachweisen lassen, dass sich der Angeklagte an einer terroristischen Vereinigung beteiligt habe. Aufgrund der Beweislage habe sich die Verantwortung des Angeklagten nicht widerlegen lassen. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig, weil der Staatsanwalt Nichtigkeitsbeschwerde anmeldete.

Der Iraker wurde im Herbst 2016 in jener Flüchtlingsunterkunft in Fuschl (Flachgau) untergebracht, in der ein 25-jähriger Mitbewohner aus Marokko im Dezember 2016 wegen Terrorverdachtes festgenommen wurde. Die Ex-Freundin des 25-Jährigen hatte der Polizei geschildert, der Marokkaner plane zum Jahreswechsel einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Salzburg.

Im Zuge einer Hausdurchsuchung am 19. Dezember wurden mehrere Mobiltelefone sichergestellt, darunter auch jenes des Irakers. Wie sich bald herausstellte, hatte die Ex-Freundin des Marokkaners falsche Angaben gemacht. Der 25-Jährige wurde nach Marokko abgeschoben.

Prozess schon einmal verschoben

Der Prozess beim Salzburger Landesgericht startete bereits vor einer Woche mit einer Panne. Er wurde schon einmal vertagt, weil vom Gericht keine Schöffen bestellt wurden - mehr dazu in: Schöffen vergessen: Terrorprozess vertagt (salzburg.ORF.at; 11.10.2017)

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ORF-Redakteurin Christine Hackenbuchner hat den Prozess für diesen TV-Bericht beobachtet.