Kampf gegen Genitalverstümmelung bei Mädchen

Die Sozialbehörden warnen davor, dass in Österreich lebende Afrikanerinnen und Asiatinnen auch hier zu Opfern von Genitalverstümmelungen werden. Derzeit wird in Salzburg der Verdachtsfall einer Volksschülerin geprüft. Es drohen hohe Haftstrafen.

Laut Behörden könnten allein in der Stadt Salzburg 100 Mädchen aus Zuwanderer-, Asylwerber- und Flüchtlingsfamilien gefährdet sein. Klitoris-Beschneidungen sind extrem schmerzhaft und führen oft zu lebenslangen Komplikationen. In afrikanischen Ländern werden viele Mädchen und Frauen in patriarchalischen Gesellschaften dazu gezwungen.

Brutale „Tradition“ weit verbreitet

Junge, in Österreich lebende Zuwanderinnen sind auch bei Heimaturlauben in Gefahr, an den Genitalien verstümmelt zu werden. Weltweit sind 200 Millionen Frauen beschnitten. Diese äußerst brutale, menschenverachtende und medizinisch nicht selten lebensgefährliche „Tradition“ ist in Teilen Asiens und Afrikas weiterhin weit verbreitet - zum Beispiel auch in Ägypten. Verstümmelt wird auch mit nicht desinfizierten Rasierklingen, stumpfen Messern oder Glasscherben.

In Österreich leben ebenfalls viele beschnittene Frauen, darin sind sich alle Fachleute sicher. Es sind meistens Zuwanderinnen, die ihre Leiden aus der Heimat mitnehmen. Mitunter können sie sich auch hier nicht von diesen Wurzeln lösen, stehen weiter stark unter dem Einfluss von ultrakonservativen Männer- und Machtstrukturen. Deshalb lassen sie auch ihre Töchter beschneiden.

Verstümmelungen auf „Heimaturlauben“

In Salzburg gibt es den aktuellen Verdachtsfall einer Volksschülerin, sagt Adelheid Moser vom Jugendamt: „Erschreckend ist, dass bisher kein einziger Fall offiziell gemeldet wurde, obwohl es Hinweise und Andeutungen immer wieder gibt.“

Solche Beschneidungen finden wohl nicht Österreich statt - sondern bei zweifelhaften „Urlauben“ in Herkunftsländern, schildert Salzburgs Vizebürgermeisterin Anja Hagenauer (SPÖ): „Da geht es um eine Volksschülerin, die vor den Sommerferien noch ein normales und fröhliches Kind war. Nach den Ferien war alles anders. Sie ist sehr in sich gekehrt, hat Probleme beim Sitzen und auf der Toilette. Das Wasserlassen dauert sehr lange; alles klare Hinweise auf Genitalverstümmelung. Da wird im Sommer auf `Heimaturlaub` gefahren und dann an den Kindern die Verstümmelung vorgenommen.“

„Es geschieht unter familiärem Druck“

Barbara Erblehner-Swann arbeitet bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft. Sie leitet einen Arbeitskreis gegen die Beschneidung von Mädchen: „Man möchte bei solchen Praktiken, dass die Mädchen `rein` sind und dadurch einen guten Ehemann bekommen. Es geschieht unter gesellschaftlichem und familiärem Druck.“

Frau aus Somalia berichtet als Zeitzeugin

Freitag besuchte eine Frau aus Somalia das ORF-Landesstudio Salzburg. Die 50-Jährige ist auf Besuch bei Verwandten in Österreich. Sie selbst ist beschnitten, auch ihre Tochter. In Somalia hat sie gegen die Tradition der Beschneidung gekämpft und ist deswegen auch bedroht worden:

„Es ist eine schlimme Tradition. Mädchen, Mütter, Großmütter, fast alle sind beschnitten. Es ist ein Teil des Lebens, aber ein sehr schlechter Teil. Wer nicht beschnitten ist, ist Außenseiterin, wird beschimpft und isoliert. Das halten nur wenige Frauen aus. Ich wurde im Alter von fünf Jahren beschnitten. Ich kann mich erinnern, sie haben gesagt, ich bekomme sonst keinen Platz in der Schule. Meine Schwiegermutter hat oft auf meine Tochter aufgepasst, wenn ich arbeiten war. Ich habe ihr schon früher klar gesagt, dass ich keine Beschneidung will. Aber als ich sie eines Tages abgeholt habe, ist meine Tochter dagelegen, und ich wusste: Sie haben sie beschneiden lassen. Meine Schwiegermutter sagte: Wir haben sie reinigen lassen!! Warum wunderst du dich, das ist normal, du, ich, die Großmutter, alle sind beschnitten.“

Bis zu zehn Jahre Haft drohen

Wer seine Tochter oder ein anderes Mädchen an den Genitalien verstümmeln lässt, muss bei einer Verurteilung in Österreich bis zu zehn Jahre ins Gefängnis - auch, wenn die Tat im Ausland begangen wird. Nur die wenigsten Frauen und Mädchen haben aber den Mut, darüber zu sprechen, sagt Vizebürgermeisterin Hagenauer: „

Dringender Aufruf in Kindergärten

Die Stadtpolitikerin hat nun das Fachpersonal in allen Kindergärten und Horten aufgefordert, mögliche Verdachtsfälle solcher Verstümmelungen von Mädchen zu melden.

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Stadtpolitik ruft zur Wachsamkeit auf

ORF-Redakteur Tobias Pötzelsberger hat recherchiert, wie in Salzburg auf mögliche Genitalverstümmelungen reagiert wird.