Kälteschutz-Tipps: Der Wind, der Wind…

Nicht immer ist das himmlische Kind unser Freund wie beim Segeln. Der Wind lässt uns oft viel stärker auskühlen, als wir es ahnen – auch bei „schönem“ Wetter. Unterkühlungs- und Erfrierungsgefahren werden im Winter unterschätzt.

Thermometer zeigt -20 Grad Celsius

APA/PAP/Darek Delmanowics

Dass nach dem sehr warmen Frühwinter heuer noch die Zwanziger-Grenze unter Null angekratzt wird, damit haben nicht mehr sehr viele gerechnet

Sehr frostig ist es mittlerweile geworden, klirrende Kälte in klaren Nächten fast im ganzen Land. Temperaturen bis zu 20 Grad unter dem Gefrierpunkt legten zahlreiche Autobatterien lahm. Die Pannenfahrer der Autofahrerclubs ÖAMTC und ARBÖ hatten Hochbetrieb.

Noch wichtiger als ein funktionierendes Verkehrswesen, kältebeständige Technik und Industrie ist ein guter Schutz des menschlichen Körpers vor Kälte und Wind - in vielen Lebenslagen von Alltag und Sport. Das Zusammenspiel der winterlichen Klimakräfte kann nämlich rasch gefährlich werden. Wir haben hier auch einige Tipps für Erste Hilfe bei Unterkühlung und Erfrierungen.

Kälte wirkt rasch fatal

Was hat ein arktisch kalter Höhensturm beim Skifahren mit dem Fächer einer Hofdame im 17. Jahrhundert zu tun? Beide erzeugen Luftströme. Der Fächer kühlt uns selbst dann noch angenehm, wenn die Luft nur knapp kühler ist als unsere Haut mit 36 Grad Celsius. Ein kalter Sturm allerdings kann ungeschützte Haut und Gewebe in sehr kurzer Zeit schwer schädigen; oder auch komplett zerstören, dass Amputationen nötig werden.

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Gerald Lehner

Sport in den Bergen bei klirrender Kälte

Schutz vor dem Wind oft entscheidend

Wenn im Gebirge Verletzte zu betreuen sind, dann ist ihr Schutz vor Kälte und Wind neben der Wund- und Traumataversorgung immer ein entscheidender Faktor bei der Rettung. Auch Laien und private Ersthelfer sollten das bedenken und berücksichtigen, sagen Fachleute.

"Auch bei moderaten Temperaturen kühlen Verletzte durch Immobilisierung und Blutungen rasch aus. Das ist umso mehr bei niedrigen Temperaturen, wie sie im Winter herrschen, der Fall. Eine Unterkühlung verstärkt zudem die Gefahr einer Verletzung und senkt bei schweren Verletzungen die Überlebenschance. Kälteschutz ist bereits durch einen effektiven Windschutz zu erreichen“, schildert der Bergrettungsarzt und Alpinist Fidel Elsensohn, der früher auch in Besatzungen von Notarzthubschraubern tätig war.

Frau in der Kälte

APA/APA/HELMUT FOHRINGER

Der „Windchill“ sagt uns, wie der Wind die „gefühlte“ Kälte verstärkt bzw. auch vervielfachen kann

Physik von Wind, Wärme, Kälte

In der Fachwelt spricht man vom „Windchill“. Medizinisch und physikalisch erforscht wurde das Phänomen besonders für Temperaturen unter zehn Grad Celsius. Strömende Luftteilchen, die kühler sind als unsere Haut, nehmen Wärme aus dem Körper bzw. verdunstenden Schweiß von der Hautoberfläche auf. Das kühlt uns deutlich stärker aus, als es der jeweils herrschenden Lufttemperatur bei Windstille entsprechen würde. So reduziert eine Windgeschwindigkeit von nur 10 km/h die „gefühlte“ Temperatur von zehn Grad auf 8,6 Grad. Bei 60 km/h Wind fühlen sich zehn wie fünf Grad an.

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Kältepol war der Lungau

ORF-Reporterin Mariella Treml hat sich Dienstagfrüh nach sehr kalter Nacht in Stadt und Land Salzburg umgesehen.

Unter dem Gefrierpunkt

Wer bei weniger als Null Grad ohne Windschutzscheibe unterwegs ist, sollte Vorsicht für die Haut walten lassen. Nehmen wir Windstille bei minus zehn Grad. Das sind Bedingungen, die beim Skifahren oder Snowboarden durchaus realistisch sind. Kommt dann Sturm oder auch nur Fahrtwind mit 20 km/h dazu, dann wirkt das auf die Haut wie minus 18 Grad. Bei 40 km/h sind es schon gefühlte 21 unter dem Gefrierpunkt. Unschwer zu erkennen ist, dass für Wintersportler in den Alpen bereits „mildere“ Bedingungen ausreichen, um Schäden bzw. leichte bis mittelschwere Erfrierungen davonzutragen.

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Gutes Schuhwerk nicht vergessen

ORF-Reporterin Nina Kraft hat sich bei Medizinern erkundigt, wie man sich für den Alltag gut gegen Kälteschäden schützen kann

Welche Körperteile sind gefährdet?

Finger, Zehen, Nasen, Ohren und bei dünnen Sporttrikots auch die männlichen Geschlechtsorgane. Deshalb ist geeignete Bekleidung sehr wichtig. Doppelte Handschuhe, geeignete Socken oder Sportstrümpfe, gute Mütze, mehrere Schichten von Funktionskleidung, eventuell dünne Daunenweste und darüber eine winddichte und atmungsaktive Sturmjacke bzw. Überhose: So sieht die geeignete Kleidung fürs winterliche Hochgebirge aus.

Läuferin mit Haube und Handschuhen

fotolia.de/Maridov

Joggerin

Mützen! Keine Baumwolle!

Weil wir gerade im Winter sehr viel Wärme über den Kopf verlieren, sind auch breite Stirnbänder, gute Mützen und Kapuzen ein Muss. Für Tourengeher und Winterbergsteiger reicht bei Wind meist eine atmungsaktive Sturmjacke, kombiniert mit einem atmungsaktiven Kurz- oder Langarm-Shirt direkt auf der Haut. Zum Wechseln für die Rast auf dem Gipfel und die Abfahrt sollten aber trockene und wesentlich wärmere Kleidungsstücke im Rucksack sein. Niemals Baumwolle! Solche Shirts und Hemden gefrieren in schweißnassem Zustand rasch zu Eisklumpen, weil sie kaum Nässe an die Luft abgeben. Wer noch Hände und Gesichtshaut mit geeigneten Cremes einfettet, beugt Kälteschäden zusätzlich vor.

„Selbst eine leichte Unterkühlung kann, wenn sich die Spirale ohne warme Getränke und Windschutz weiterdreht, schnell lebensgefährlich werden“, betont Bergrettungsarzt Fidel Elsensohn, der auch Präsident der „International Commission for Mountain Emergency Medicine“ (ICAR MEDCOM) ist.

Skitour

ÖAV/Monika Melcher

Skitourengeher

Biwacksack zum Überleben

Bergsteiger und Tourengeher sollten für Notfälle immer so genannte Biwaksäcke mit dabei haben. Das sind leichte, dünne und winddichte Kunststoffplanen, die zur Abschirmung über den ganzen Körper gezogen werden können. Eine Nacht darin kann zwar sehr unangenehm werden, allerdings überlebt man. Um dem Kältetod durch Wind und Sturm ein Schnippchen zu schlagen, kann man sich mit einer Lawinenschaufel auch eine Schneehöhle bauen.

Darin sinkt die Temperatur selten tiefer als bis zum Gefrierpunkt – unabhängig davon, wie es draußen stürmt und schneit. Den Bau guter Schneehöhlen, Iglus und Biwaks lernt man bei staatlich geprüften Berg- und Skiführern oder in Alpinschulen.

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Gerald Lehner

Herde in einem Tauerntal

Heimische Wolle wieder gefragt

Ein wichtiges Thema beim Kälte- bzw. Wärmeschutz ist die Funktionsbekleidung. Hier erlebt Wolle von heimischen Bergschafen gerade eine Renaissance als hervorragend isolierender und atmungsaktiver Füllstoff, der auch bei Nässe seine Eigenschaften nicht verliert. Bergbauern, Schafzüchter und die Tiroler Bergrettung haben dazu ein Modellprojekt ins Leben gerufen. Schurwolle von Bergschafen wird mit Hilfe italienischer Experten in mehreren Spezialverfahren zu feinsten Fasern und modernster Ausrüstung gegen Wind und Kälte verarbeitet – auch für die Einsatzbekleidung von Bergrettern. Diese Kooperation soll als „Tirol Wool“ auch die Wertschöpfung und die Berglandwirtschaft in strukturschwachen Regionen stärken. Farben und Design solcher Jacken und Hosen unterscheiden sich kaum von modischen Kunstfaserprodukten. Ähnliche Bekleidung mit speziellen Wollfüllungen gibt es auch von industriellen Herstellern. Bei ihnen kommt die Wolle - ebenfalls in hoher und höchster Qualität - aus der Schweiz und aus Neuseeland.

Erste Hilfe bei Unterkühlungen:

♦ Für raschen Schutz vor Wind sorgen
♦ An einem warmen Ort langsam aufwärmen
♦ Körper in Woll- und/oder Rettungsdecken wickeln
♦ Nasse und kalte Kleidung entfernen
♦ Nicht reiben und keine Wärmeflaschen verwenden
♦ Bei Ansprechbarkeit warme und zuckerhaltige Getränke
♦ Keinen Alkohol trinken
♦ Bei schweren Fällen: Notruf
♦ Transport liegend, möglichst wenig eigene Bewegung bei schweren Fällen: Das ist eine wichtige Maßnahme gegen den so genannten „Bergungstod“. Dabei würde sich kälteres Blut aus den Gliedmaßen mit Blut aus zentralen Teilen des Körpers vermischen und den Kreislauf zum Zusammenbruch bringen.

Erste Hilfe bei Erfrierungen:

♦ Für raschen Schutz vor Wind sorgen
♦ Erfrorene Körperteile nicht bewegen
♦ Zum Aufwärmen Körperwärme eines Helfers nutzen
♦ Nicht reiben, keine Wärmeflaschen, keine „aktive“ Wärme
♦ Betroffene Körperteile mit keimfreiem Material abdecken
♦ Notruf, Transport liegend

Gerald Lehner
(ORF-Redakteur in Salzburg, ehrenamtlicher Bergretter und Fachreferent der Bergrettung Tirol) Dieser Text erschien auch im Fachmagazin der Christophorus-Flugrettung.

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