Saalfeldener Bluttat: Heftige Debatten vor Gericht

Im Prozess gegen einen 21-Jährigen, der eine 19-Jährige im Oktober 2014 in Saalfelden (Pinzgau) äußerst brutal erstochen und verstümmelt haben soll, lehnt die Verteidigerin nun einen Gutachter und die vorsitzende Richterin ab. Das Gericht weist das zurück.

Ob der Ende August begonnene „Mord-Prozess“ in dieser Woche beendet wird, stand vorerst nicht fest. Nach Beendigung der ergänzenden Gutachter-Befragung lehnten die vorsitzende Richterin Bettina Maxones-Kurkowksi und die zwei beisitzenden Richter mehrere Beweisanträge ab. Diese hatte die Verteidigerin des Angeklagten bereits an früheren Verhandlungstagen gestellt. Und auch Mittwoch stellte die Wiener Rechtsanwältin Liane Hirschbrich abermals mehrere Beweisanträge, über die das Gericht entscheiden musste.

Verteidigerin kritisiert Psychiatrie-Gutachten

Hirschbrich bezeichnete die Befundaufnahme und das Gerichtsgutachten des neuro-psychiatrischen Sachverständigen Ernst Griebnitz, der dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit attestiert hatte, als „mangelhaft und fehlerhaft“ und stellte einen Antrag auf Enthebung von Griebnitz. Durch „unwahre Behauptungen“ von Griebnitz werde dessen Glaubwürdigkeit erschüttert, sagte Hirschbrich. Die Verteidigerin geht von einer Wahnerkrankung und damit von einer Zurechnungsunfähigkeit ihres Mandanten aus, was sie mit einem Privatgutachten von Reinhard Haller untermauern wollte. Das Gutachten des Psychiaters wurde aber nicht zum Gerichtsakt genommen.

Juristischer „Angriff“ gegen Richterin

Hirschbrich lehnte dann auch noch die Vorsitzende „wegen Befangenheit“ ab: Die Richterin habe eine vorgefasste Meinung zu der Causa, beeinflusse die Geschworenen und würde nur Beweisanträge zulassen, die gegen den Angeklagten sprechen, erklärte die Verteidigerin. Ob der Prozessfahrplan hält - bis morgen, Donnerstag, sollte das Urteil gesprochen werden - war vorerst nicht absehbar. Wird das Urteil erst im nächsten Jahr gefällt, ist im Falle eines Schuldspruches der Strafrahmen für wegen Mordes verurteilte Jugendliche oder junge Erwachsene geringer: Dem Beschuldigten blühen dann bis zu 15 Jahren Haft statt wie bisher bis zu 20 Jahre.

Kriminalpsychologe sieht „Overkill“

Kriminalpsychologe Thomas Müller ist Mittwochvormittag in einer ergänzenden Befragung erneut von einem so genannten „Overkill“ ausgegangen. Der Täter-Profiler hatte bereits am ersten Prozesstag am 31. August sein Gutachten erläutert. Seiner Beurteilung nach handelte es sich aufgrund von „Veränderungen“ an der Toten und des Abschneidens eines Geschlechtsteils um ein „inszeniertes persönliches Tötungsdelikt“.

Es müsse ein emotionaler Konflikt zwischen Täter und Opfer bestanden haben. Der Kriminalpsychologe sprach von Wut, Zorn und Aggression, die diesem Delikt zugrunde liegen können. Laut Müller handelte es sich um einen „Overkill“ mit einer Depersonifizierung des Opfers, denn der Täter habe nach der Tötung noch zugestochen.

Debatte ob „Overkill“ oder nicht

Nachdem Gerichtsmediziner Sebastian Kunz am 1. September sein Gutachten dem Schwurgericht erläutert hatte und demnach möglicherweise ein „Overkill“ beim Täter nicht zwangsläufig vorlag, wurden Kunz und Müller am Mittwoch wieder zu diesem Thema befragt. Kunz zufolge gibt es aufgrund der Blutspurenanalyse zwei Varianten des Tatherganges. Einerseits könnte die Frau bereits durch mehr als ein Dutzend Messerstiche im Vorraum der Wohnung des Täters getötet worden sein. Andererseits könnte sie erst rund fünf bis 20 Minuten später im Badezimmer durch weitere Stiche des Täters gestorben sein. Es stelle sich die Frage, ob man auch bei einer Unterbrechung der Tat noch von einem „Overkill“, einem „Übertöten“ sprechen könne.

Müller sagte, 17 Stiche per se seien schon ein „Overkill“. Auch bei einer Pause von fünf bis 20 Minuten könne ein „Overkill“ weitergezogen werden. „Sie können in beiden Varianten davon ausgehen, dass es ein Overkill ist“, erklärte der Kriminalpsychologe. Verteidigerin Hirschbrich stellte die Angaben von Müller allerdings infrage.

Justiz verschärft Sicherheitssystem

Mittlerweile sind die Sicherheitsvorkehrungen im Verhandlungssaal E18 des Ausweichquartiers des Landesgerichts Salzburg verschärft worden. Ein mobiles Gitter wurde als Barriere zwischen dem Zuseherbereich und den Prozessbeteiligten errichtet. Dies entspreche dem europäischen Standard, erläuterte der Präsident des Landesgerichts, Hans Rathgeb, auf Anfrage der APA. Zudem können die Beschuldigten nun auch über eine Seitentüre direkt in den Prozessbeteiligten-Bereich zum Anklage-Sessel geführt werden.

Eine kurze Prozesspause hat die Mutter des Opfers am Mittwoch genutzt, um dem Angeklagten ins Gewissen zu reden: „Verstehst du Mutterherz und Mutterschmerz? Heute bist du so ruhig. Am 8. Oktober hattest du so viel Kraft.“ Der 21-Jährige zeigte keine Reaktion.