Prozess um tödlichen Streit vertagt

Der Prozess beim Landesgericht Salzburg gegen einen 54-jährigen Tschetschenen wegen des Vorwurfs des Mordes an einem 53-jährigen Landsmann ist Montagvormittag auf 25. November vertagt worden. Die Ausgangslage ist schwierig.

Es fehlte dem Gericht ein wichtiger Zeuge. Der Betreiber einer Autowerkstätte, bei der sich die zwei Männer vor der Schussabgabe in Straßwalchen (Flachgau) getroffen hatten, wurde bei einem Tauchunfall schwer verletzt.

Genesungsverlauf ungewiss

Der Zeuge hätte Auskunft darüber geben sollen, ob er am 5. Februar 2015 von einem Streitgespräch des Angeklagten (Verteidiger: Jörg Dostal) mit seinem späteren Opfer etwas mitbekommen hat und wie die Stimmung zwischen den beiden war. Der Autowerkstätten-Betreiber befindet sich in einer Klinik in München. Sein Genesungsverlauf ist noch ungewiss.

„Schuss hat sich gelöst, Notwehr ...“

Der Beschuldigte hatte am ersten Verhandlungstag am 13. Juli angegeben, er sei an jenem 5. Februar von dem 53-Jährigen provoziert worden. Nach dem Treffen in der Autowerkstätte habe sich bei einem anschließenden Spaziergang ein Schuss aus seiner Faustfeuerwaffe der Marke „Sig Sauer“, Kaliber 9 Millimeter, gelöst. Es habe sich jedoch um einen Unfall beziehungsweise um Notwehr gehandelt. Der körperlich weit überlegene Landsmann habe ihn beleidigt und beschimpft und ihm gedroht, die Kehle aufzuschlitzen.

Komplizierte Motive

Als Motive des Streits brachte der Angeklagte auch Spannungen zwischen den Familien der beiden, die in Österreich um Asyl ansuchten, und Angst vor Blutrache ins Spiel.

Auch Montag blieb der Angeklagte vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Richterin Ilona Schalwich-Mozes bei seiner bisherigen Version: „Ich habe mich in einer Notwehr-Situation befunden. Ich bin zurückgestolpert, dadurch hat sich der Schuss gelöst“, übersetzte eine Dolmetscherin die Angaben des Tschetschenen, der seit 2003 in Österreich lebt. Seinen Angaben zufolge hatte er die alte Waffe in einem vorgespannten Modus in einem Plastiksack zu dem Treffen mitgenommen. „Wenn man gezielt einen Schuss abgeben möchte, ist die Waffe aber schwerer auszulösen. Beim Zurückstolpern passiert das relativ leicht. Ich bin genauso wenig schuldig wie zuvor“, betonte er. Er habe in der Armee für die Unabhängigkeit Tschetscheniens gekämpft und von Kindheit an eine Waffe gehabt. Aus Angst vor Blutrache sei er auch in Österreich bewaffnet gewesen.

Bewaffnete Tschetschenen im Asylland

Ein Sachverständiger des Bundeskriminalamtes hatte sich in seinem Gutachten mit waffentechnischen Details befasst. Das maximale Abzuggewicht betrage bei der Waffe des Typs, den der Täter besessen hatte, 1,8 Kilogramm. Diese Kraft sei nötig, um einen Schuss auszulösen. Mehrere Geschworene probierten heute anhand einer ungeladenen Waffe aus, wie viele Kraft für das „Abdrücken“ benötigt wird. „Bis zu einer Entfernung von 25 Meter sind tödliche Verletzungen zu erwarten“, erläuterte der Sachverständige noch. Der 53-jährige Tschetschene wurde am Oberkörper getroffen, er starb an Herzpumpenversagen. Die Munitionsteile konnten eindeutig der übermittelten Tatwaffe zugeordnet werden.

Beginnende Demenz, „transkulturelle Probleme“

In der Verhandlung am Montag wurde auch der psychischen Zustand des Angeklagten beleuchtet. Dazu wurde das neuropsychiatrische Gutachten des Gerichtssachverständigen Ernst Griebnitz auszugsweise verlesen. Demnach litt der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Untersuchung an einer depressiven Störung, die im weitesten Sinne auch als eine Traumafolge-Störung gesehen werden kann. „Traumatische Kriegserlebnisse können nicht ausgeschlossen werden“, konstatierte Griebnitz. Er stellte bei dem Beschuldigten auch einen erhöhten Selbstbezug fest. Zum Tatzeitpunkt sei er aber zurechnungsfähig gewesen, wenn auch eingeschränkt. Diese Eingeschränktheit könnte durch „transkulturelle Probleme“ hervorgerufen worden sein. Als eine von mehreren Vorerkrankungen wurde eine „beginnende Demenz“ angeführt.