„Lungau muss sich verändern“

Statt über Kasernenschließung und Spitalsverkleinerung zu jammern, „muss sich der Lungau verändern“. Das fordern Wirtschaftstreibende und Kulturschaffende in Salzburgs kleinstem Bezirk. Die Gemeinden müssten sich dazu zusammentun.

Für die Wirtschaft im Lungau brachten die letzten Wochen einige schlechte Nachrichten: Am 19. September kündigte das Land an, das Krankenhaus des Bezirkshauptortes Tamsweg in die Landeskliniken einzugliedern. Die Leistungen werden gekürzt und die Bettenzahl halbiert. Das Spital ist mit noch rund 300 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber im Bezirk.

Am 21. September lehnte die Thomataler Bevölkerung bei einer Bürgerbefragung ein 30-Millionen-Euro-Windkraft Projekt klar ab. Mehr als ein Dutzend Windräder hätte errichtet werden sollen. Am 28. September sickerte schließlich durch, dass die Strucker-Kaserne in Tamsweg geschlossen werden soll. Es geht um 70 Arbeitsplätze und um Zulieferbetriebe in der Umgebung.

Großprojekte scheiterten an Widerstand

Doch auch in den letzten Jahren scheiterten einige Großprojekte am Widerstand der Lungauer: Am 5. Oktober 2013 lehnten die Einwohner in St. Margarethen ein Windrad-Projekt auf dem Aineck ab. Am 16. Oktober 2012 stieg die ÖVP nach heftigem Protest aus der Region aus dem bereits von der Landesregierung schriftlich vereinbarten Projekt eines Murkraftwerks in Ramingstein aus. Verlorenes Investitions-Volumen: 110 Millionen Euro. Und am 21. Oktober 2011 lehnte die Tamsweger Gemeindevertretung den Bau eines Lungauer Kulturzentrums um acht Millionen Euro ab, obwohl das Land einen Großteils des Projekts finanziert hätte.

Und selbst der Beschläge-Hersteller Maco, der seit vier Jahren ein Werk in Mauterndorf führt, ist wegen der Wirtschaftskrise weit weg von seinen Versprechen: Bis zu 400 Beschäftigte sollten es werden, heute sind es nur 70. Die damals angekündigte Lehrwerkstätte gibt es ebenfalls nicht.

Kirche von Mauterndorf im Lungau

ORF

Im Lungau sei Tradition wichtiger als Entwicklung für die Zukunft, sagen Kritiker

„Nicht im Mittelalter verstecken“

Erfolgreiche Lungauer Unternehmer wie Gerhard Aichhorn von der Samson-Druckerei in St. Margarethen mit gut 100 Mitarbeitern nehmen sich schon lange kein Blatt mehr vor den Mund. Sie verstehen nicht, warum Investitionen in den letzten Jahren abgelehnt wurden: „Ich halte das für einen völligen Schwachsinn. Der Lungau kann sich ja nicht im Mittelalter verstecken und stehenbleiben“, ärgert sich Aichhorn. „Bei Großinvestitionen ist vielleicht die Energiegewinnung zu sehen: Es wird ein Wasserkraftwerk abgelehnt, es wird ein Windkraftwerk abgelehnt. Und umgekehrt sind wir ein Biosphärenpark und wollen kein Atomkraftwerk. Aber wenn wir alles verhindern, werden wir irgendwann Atomstrom brauchen, weil Energie brauchen wir.“

„Ich bedauere sehr - ob das das Murkraftwerk oder die Windräder sind“, ergänzt Peter Schitter, Obmann der Lungauer Seilbahnwirtschaft. „Man kann das wirklich so machen, dass man mit wenig Problemen und Folgeschäden macht. Und man kann das Muhrkraftwerk auch in einer anderen Form bauen“, sagt

Abwanderung der Jungen, gut Ausgebildeten

Das wohl größte Problem, das sich aus all dem ergibt, bleibt die Abwanderung der jungen und gut ausgebildeten Lungauer. Allein im Vorjahr verließen fast 200 den Bezirk, nur die wenigsten kommen zurück. Zusätzlich ist die Geburtenrate auf den niedrigsten Stand der vergangenen zehn Jahre gesunken.

Im Tamsweger Trockenbau-Unternehmen Pagitsch mit sechs weiteren Niederlassungen in Österreich sind noch rund 150 Mitarbeiter beschäftigt: „Ohne Ausländer würde es nicht gehen“, sagt Firmenchef Rupert Pagitsch. „Man sieht ja im Lungau, wie viele Ausländer wir haben, die eingewandert sind. Sonst wäre der Lungau nur mehr halb so groß. Da muss man der Realität ins Auge schauen.“

„Gemeinsamer Plan“ aller Gemeinden gefordert

„Beim Lungau muss sich was verändern. Wir müssen den Lungau in die Zukunft bringen“, betont auch der Lungauer Musiker und Autor Fritz Messner. „Wenn wir vom Lungau reden, reden wir sehr oft von der Tradition und der Vergangenheit. Das ist zwar alles sehr wichtig. Aber wir wollen ja die Zukunft gestalten. Wir brauchen ein Zukunftskonzept für den Lungau.“

Für den Bezirk gebe es keine andere Wahl als eine Modernisierung, sagt Messner: „Ich glaube, dass wir es wollen müssen. Denn wenn sich nichts ändert, drehen wir bald einmal das Licht ab. Wir dürfen nicht nur reagieren, sondern müssen agieren. Wir - alle Lungauer - brauchen einen gemeinsamen Plan: alle Gemeinden gemeinsam, alle Firmen - nicht jeder in seinem Winkel. Wir müssen schauen, wie wir unsere Stärken bündeln können und für unsere Zukunft etwas Sinnvolles und Nachhaltiges entwickeln. Im Tourismus könnten wir zum Beispiel unsere unberührte Landschaft benutzen - und gezielt jene Laute ansprechen, die den übertechnisierten Rambazamba-Tourismus nicht mehr wollen. Und das werden ja immer mehr.“

Biosphärenpark nicht nur touristisch nutzen

Das UNESCO-Prädikat Biosphärenpark sei derzeit „eine schöne Geschichte, aber nur eine Hülle“, ergänzt Messner. „Die müssen wir mit Inhalten füllen - nicht nur touristisch, sondern auch mit anderen. Es gibt sehr viele Firmen, die nachhaltig und erfolgreich wirtschaften und Arbeitsplätze schaffen. Organisatorisch könnten wir mit unseren 20.000 Leuten in einem Becken über Gemeindegrenzen hinweg etwas schaffen.“

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Romy Seidl berichtet aus dem Lungau

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