Wenn die „Schickeria“ auch bettelt

„Bettlerposen“ ist ein Foto-Kunstprojekt, bei dem sich Schauspieler und Models in seriösem Outfit auf Straßen und Plätzen Salzburgs in demütige Haltungen von Bettlern begeben. Joachim Bergauer hat Reaktionen der Bürger fotografiert und zu einer Serie verarbeitet.

Ein Banker im teuren Anzug kniet und bettelt. Eine elegante Schönheit senkt den Kopf und hält die Hand auf. Ein Paar in edler Tracht bittet um milde Gaben. Die „Salzburger Bettlerposen“ von Joachim Bergauer bestehen aus Sujets wie diesen. Gezeigt werden die Hochglanz-Bettler von Bergauer bei der Armutskonferenz von 12. bis 14. Mai in St. Virgil und im November in der ARGEkultur.

Salzburger Bettlerposen

Joachim Bergauer

Nobelbettlerin bei diesem Kunstprojekt in Festspielrobe auf dem Domplatz, wo alljährlich das Leben und Sterben des reichen Mannes beim „Jedermann“ das internationale Theater-Publikum anzieht

Auch von der Universität Salzburg gibt es schon eine Anfrage. Zudem sind die Fotos in der aktuellen Ausgabe der Straßenzeitung „Apropos“ abgebildet. Diese Zeitung, die zum Teil von Obdachlosen produziert und verkauft wird, ist ebenso Projektpartner wie das Salzburger Friedensbüro.

Thema bei Wahl für Parteien nicht ausnutzbar

Die Shootings fanden auf dem Domplatz, vor der Pferdeschwemme, auf Residenzplatz, Mirabellplatz oder auf dem Makartsteg statt, all jenen Orten also, an denen ein paar Arme dieser Welt täglich hocken, ihre Hände aufhalten und damit manchen Bürger irritieren und verärgern. Zwar haben die Salzburger Wähler die erklärten Anti-Bettler-Konzepte von ÖVP und FPÖ bei der Gemeindevertretungswahl in der Landeshauptstadt nicht honoriert.

Hetze im Web, behördliche Ermittlungen

Aber einer Anti-Bettler-Initiative auf Facebook, bei der extrem rechte Hetze betrieben wurde, sind kurzfristig 7.000 Leute beigetreten. Auf dem Portal gab es dann auch Forderungen, wonach Bettler in Konzentrationslager eingeliefert und vergast werden sollten. Der Verfassungsschutz ermittelt, die Seite wurde mittlerweile aus dem Netz genommen.

„Die Bettlerdiskussion wird in Salzburg unverhältnismäßig geführt“, sagt Projektinitiator Markus Grüner-Musil, künstlerischer Leiter der ARGEkultur: „Man muss sich fragen, welche Strukturen krimineller sind beziehungsweise eine Gesellschaft mehr bedrohen und schädigen. Ein paar Bettler, die vier, fünf Euro pro Tag erbettlen oder Banker etwa der Hypo.“

Bettler als Spiegel des Selbst?

Chefredakteurin Michaela Gründler von der Straßenzeitung „Apropos“ sagt, „durch die Verwirrung, die entsteht, wenn Menschen in festspieltauglicher Kleidung die Hand aufhalten und betteln, soll der Automastismus reflektiert werden, durch den sich viele Bürger bedroht oder belästigt fühlen.“

Und Grüner-Musil ergänzt, dass es bei diesem Projekt nicht nur um Roma-Bettler oder andere mittellose Menschen gehe:

„Zum einen wollten wir beim Shooting die persönliche Erfahrung von Demütigung für die Projektteilnehmer deutlich machen. Zum anderen sollte vermittelt werden, was viele Menschen aus der Kultur-und Sozialszene ständig am eigenen Leib erfahren: Das Gefühl, Bittsteller zu sein. Etwas zu tun, was nicht primär gewinnorientiert aber dennoch wertvoll ist. Ein künstlerisches Spiel mit dem Selbstwertgefühl - das ist es, was die ‚Salzburger Bettlerposen‘ auch sein wollen.“

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