Terrorprozess in Salzburg neu gestartet

Zum zweiten Mal muss sich seit Donnerstag ein Marokkaner wegen des Verdachts der Beteiligung an der Terrorvereinigung Islamischer Staat (IS) vor Gericht in Salzburg verantworten. Das Höchstgericht hob das Ersturteil auf.

Der 28-jährige Verdächtige war bereits im Oktober 2017 zu sechs Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hob im April den Schuldspruch auf und ordnete den Neustart des Verfahrens an.

Die Begründung: Im ersten Prozess seien entlastende Aussagen ignoriert worden. Das Urteil nenne etwa „keine vom Angeklagten weitergegebenen konkreten organisations- und terrorismusrelevanten Informationen“. Das Gericht hatte es in erster Instanz noch als erwiesen angesehen, dass T. als „Späher“ des IS gemeinsam mit Komplizen zwei IS-Mitglieder logistisch und psychologisch unterstützt hat.

Nach Freilassung folgte sofortige Schubhaft

Die für das neue Verfahren bestellte Richterin ordnete nach der Entscheidung des OGH die Freilassung des Angeklagten an. Allerdings reagierten die Behörden umgehend. Unmittelbar nach der Entlassung aus dem Gefängnis am Freitag wurde der 28-Jährige in Schubhaft genommen. Er wurde Donnerstag von der Polizei dem Gericht vorgeführt. Außerdem bekämpft auch die Anklagebehörde die Freilassung des Marokkaners.

Der Staatsanwalt hielt Donnerstag an den ursprünglichen Vorwürfen fest. Der Angeklagte soll Ende 2015 in einem Flüchtlingslager in der Stadt Salzburg auf einen Algerier und einen Pakistaner getroffen sein und diesen wichtige Informationen für das Terrornetzwerk geliefert haben. Die beiden waren im Oktober 2015 - als syrische Flüchtlinge getarnt - nach Griechenland eingereist und hätten an den Attentaten von Paris am 13. November 2015 teilnehmen sollen. Weil sie mit gefälschten Pässen unterwegs waren, wurden sie zunächst einen Monat in Griechenland festgehalten.

Als syrische Flüchtlinge getarnt nach Paris

Erst zwei Tage nach dem Pariser Massenmord mit 130 Toten und mehreren hundert Verletzten strandeten sie in Salzburg. Nach einem Hinweis aus Frankreich wurden die beiden am 10. Dezember 2015 im Flüchtlingslager festgenommen - just einen Tag, nachdem auch der Marokkaner in Salzburg eingetroffen war. Dabei wurde bei ihm das Handy eines der anderen Männer gefunden. Der Marokkaner sagte aus, es dem Algerier zum Aufladen überlassen zu haben.

Die Ermittler fanden auf dem Mobiltelefon zehn Nummern, die sich auch auf einer weiteren beschlagnahmten SIM-Karte fanden. Wie es zu der Übertragung kam, ist allerdings strittig. Aus den Telefonnummern sei aber „kein Bezug zu terrorgeneigten Personen“ festzustellen gewesen, räumte im ersten Verfahren ein Verfassungsschützer ein.

Verteidiger: „Verkettung unglücklicher Umstände“

Der Marokkaner beteuert weiter seine Unschuld. Er habe Marokko erst nach den Attentaten von Paris verlassen. „Er hat nichts mit Terroraktivitäten zu tun. Sein Ziel war nicht Frankreich, sondern Belgien, wo er einen Bruder hat“, sagte sein Verteidiger Wolfgang Blaschitz: „Dass er sein Telefon in der Flüchtlingsunterkunft zurückgelassen hat, war eine Verkettung unglücklicher Umstände.“

An jenem Abend habe eine Razzia stattgefunden, da wollte sein Mandant nicht sofort ins Quartier zurück. Auch die beiden verhinderten Paris-Attentäter gaben im ersten Prozess an, den Marokkaner nicht zu kennen. Ein gemeinsames Selfie in der Flüchtlingsunterkunft sei ein Erinnerungsbild gewesen, sagte Blaschitz: „Dass Schläfer des IS solche Spuren hinterlassen, wäre völlig absurd. Die sind zufällig im Quartier zusammengetroffen. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort.“

Zahlreiche Beweisanträge

Der Marokkaner reiste zunächst nach Belgien weiter, wo er im Sommer 2016 verhaftet und nach Salzburg ausgeliefert wurde. Die Richterin gab Donnerstag sämtlichen Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung statt und vertagte das Verfahren auf 6. August. Auch die beiden anderen Männer sollen dann noch einmal aussagen. Beide wurden Ende Juli 2016 nach Frankreich ausgeliefert und warten dort auf ihre Verfahren.

Links: