Krispl: Letzter Nahversorger sperrt zu

Salzburg verliert wieder einen Nahversorger. In Krispl-Gaißau (Tennengau) sperrte Andrea Kocher am Samstagabend ihr Lebensmittelgeschäft Fuschlberger zu, das einzige in der Gemeinde. In den letzten Monaten musste sie mehr Geld drauflegen, als sie einnahm.

Andrea Kocher sperrt ihr Lebensmittelgeschäft Fuschlberger zu

Gerald Lehner

Kocher

Sie ist wehmütig, und mit ihr Kunden und Einheimische in der Ski- und Wanderregion Krispl-Gaißau östlich von Hallein. Die verliert nun das einzige Geschäft des Ortsgebietes. „Es geht einfach nicht mehr“, sagt Geschäftsführerin Andrea Kocher, die den kleinen ADEG-Markt Fuschlberger über Jahrzehnte betrieben hat. Er gehörte früher den Eltern ihres Lebensgefährten Hannes Fuschlberger, dem eigentlichen Besitzer.

Blues und Abschied

Samstag verkaufte Kocher noch die letzten Artikel zu Sonderpreisen ab. Einige Bergbäuerinnen, sonstige Berufstätige, Hausfrauen, Seniorinnen, Großmütter und Mütter aus der Region kamen zu Besuch, um mit der Geschäftsfrau noch ein wenig zu „feiern“, auf den zu Ende gehenden Lebensabschnitt anzustoßen und sich zu bedanken. Die Bevölkerung verliert einen wichtigen Treffpunkt im Dorf. Und ein paar Männer von der Gaißauer Liftgesellschaft fanden sich auch noch ein. Ihr Betrieb muss unter chinesischer Führung seine eigene Wirtschaftskrise bewältigen, was derzeit wegen der feinen Schneelage gut läuft, wie Insider erzählen.

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„Das stehst du auf Dauer nicht durch“

Der Blues ist vielerorts spürbar, wenn man mit Einheimischen über den Lebensmittelladen spricht. So manche Pistenskifahrer und Skitourengeher haben bei Andrea Kocher ebenfalls ihre Tagesjause eingekauft. Sie ist sich bewusst, was der Schritt für die Region bedeutet. Dennoch habe die Entscheidung vor kurzem so fallen müssen: „Ich muss mehr Geld drauflegen, als ich einnehme. Das stehst du auf Dauer nicht durch.“

Vor fünf Jahren schon erste Anzeichen

Schon 2013 spielten die gebürtige Lungauerin Kocher und ihr Lebensgefährte Fuschlberger mit dem Gedanken, das Geschäft zu schließen. Nach Medienberichten kamen dann wieder mehr Kunden, einige wohl auch, um die lokale Greißlerin aktiver und stärker durch Einkäufe zu unterstützen. Manche fuhren nicht mehr so oft zu den Großmärkten in Hallein (Tennengau) und in die Stadt Salzburg. Damals betonte Kocher schon, dass man auch im kleinen ADEG-Markt günstig einkaufen könne. Manche Sonderangebote über das Händlernetzwerk seien sogar günstiger als in der Stadt.

Zu wenig Hilfe durch Wirtschaftspolitik?

Vor ein paar Monaten noch fragte der ORF-Reporter, wie es denn so läuft? Geht ganz gut, antwortete die immer freundliche und oft humorvolle Geschäftsfrau. Macht sie weiter? Ja, sicher, war die Antwort. In den letzten Wochen dürfte sich die wirtschaftliche Lage dann wieder zugespitzt haben. Kocher fühlt sich als Kleinunternehmerin schon seit Jahren Zeit von der Wirtschaftspolitik auf Landes- und Bundesebenen viel zu wenig unterstützt - trotz verschiedener Förderprogramme.

Sie will in Zukunft mit dem Auto pendeln und außerhalb als Verkäuferin in einem Fachgeschäft für Elektrotechnik arbeiten. Ihre einzige Angestellte, die auch seit Jahrzehnten in dem Laden tätig war, weicht zu einer großen Lebensmittelkette nach Kuchl (Tennengau) aus. Aloisia Wintersteller wohnt gleich hinter dem ADEG-Laden und muss künftig auch relativ weit auspendeln. Mit dem Fahrrad geht für Leute, die keine sehr guten Sportler sind, kaum etwas - weil alle Zu- und Ausfahrtstraßen für das Tal steil und eng sind.

Greißler-, Wirtesterben: „Desaster für die Regionen“

Für Leute ohne eigenes Auto und besonders Ältere werde es nun schwierig, betont Gerald Pichler, Betreiber des Gasthauses Sagwirt gleich neben Kochers Laden. Er ist auch Triathlet und arbeitet mit der gleichen Zähigkeit für eine intakte Regionalwirtschaft. Pichler vermietet Zimmer an Wintersportler und Sommerurlauber, hat sich als Haubenkoch, Verarbeiter von bergbäuerlichen Produkten und Veranstalter von Kochkursen zu kulinarischem Ruhm hinaufgearbeitet. Der reicht weit über den Tennengau hinaus. Ihm tut das Herz weh, wenn er nun zusehen muss, wie die Nachbarin aufhört.

Gerald Pichler Sagwirt Gaißau Krispl

Gerald Lehner

Pichler

Pichler sagte dem ORF, als Wirt engagiere er sich seit Jahren gegen die Benachteiligung ländlicher Regionen: "Es gibt in ganz Österreich das Wirtesterben ja genauso. Auch das wird immer stärker - mit fatalen Folgen für Gemeinden und Regionen. Mit Gasthäusern und Geschäften stirbt auch das Kulturelle in den Dörfern. Es gibt keine Treffpunkte mehr, wo die Leute zusammenkommen. Mit der weiträumigen Zersiedelung der Landschaft und dem Einkaufen bei großen Handelsketten, die den Massenverkehr von und zu den Zentren verstärken, sind das keine guten Vorzeichen für die Zukunft.“

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

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