„Exotische“ Infektionen am Vormarsch

Durch den globalen Tourismus und Handel gibt es immer mehr „exotische“ Infektionen und Erreger aus sehr fernen Übersee-Regionen auch in Mitteleuropa. Das betonen Experten bei der Fortbildungswoche der Österreichischen Apotherkammer in Saalfelden (Pinzgau).

Frau misst mit einem digitalen Fieberthermometer die Körpertemperatur (gestellte Szene)

APA/Barbara Gindl

Hohes Fieber hat nicht mehr „nur“ die „normale“ Grippe als Ursache

Die Natur ist immer für Überraschungen gut. Das gilt auch für Infektionskrankheiten bzw. deren Erreger.

„Wir haben eigentlich übersehen, dass wir ‚über die Hintertür‘ Infektionen bekommen haben, die wir schon lange nicht mehr bei uns gesehen haben, oder die es bei uns nie gegeben hat“, sagte der Wiener Tropen- und Reisemediziner Herwig Kollaritsch bei der Fortbildungswoche der Österreichischen Apothekerkammer in Saalfelden. Diese dauert bis 8. März.

„Kein Grund zur Panik“

Dengue-Fieber, Chikungunya-Virusinfektionen, Malaria in Griechenland, West Nile Virus-Erkrankungen, Krim-Kongo hämorrhagisches Fieber – die „Exoten“ aus den Tropen scheinen weltweit im Vormarsch zu sein.

Für Panikmache gebe es aber keinen Grund, betont Kollaritsch: „Das Ebola-Virus hat in 40 Jahren 3.567 Erkrankungen hervorgerufen und 2.250 Menschen getötet. Die Masern haben 2009 rund 197.000 Menschen umgebracht.“ Der Mensch gewöhne sich offenbar sehr leicht an bekannte Risiken, neue Gefahren würden dann leicht überschätzt.

Weltweite Verbreitung in 48 Stunden

Trotzdem gibt es durchaus bedenkliche Entwicklungen. Der Reisemediziner von der MedUni Wien: „Der Motor ist der Tourismus. Im Jahr 2012 wurde endlich die Zahl von einer Milliarde (Fern-)Reisenden überschritten. Innerhalb von 48 Stunden kann jeder Erreger an jeden möglichen Ort der Welt gelangen.“

Nicht mehr „vor der Haustür“, sondern eigentlich schon in Europa befindet sich beispielsweise das Dengue-Fieber, hervorgerufen durch ein Virus, das mit dem FSME-Virus verwandt ist. Die Übertragung erfolgt über Aedes aegypti-Stechmücken. Kollaritsch: „Seit September 2012 wurden auf Madeira mehr als 2.000 autochthone (nicht eingeschleppte, Anm.) Fälle von Dengue-Fieber registriert. Es gab keine Abnahme im Winter.“ Die Krankheitswelle würde wohl weiter gehen. Der Experte: „Die Chance, dass sich Dengue am Festland von Portugal festsetzt ist relativ groß.“

74 Dengue-Fälle in Österreich

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass es 2012 weltweit rund hundert Millionen Neuinfektionen mit Dengue-Erregern gegeben hat. Rund 22.000 Menschen dürften an schweren Verlaufsformen gestorben sein. Nach Österreich wurden vergangenes Jahr bereits 74 Dengue-Fälle von Reisenden eingeschleppt. Die Häufigkeit solcher importierter Erkrankungen nimmt zu und hat in Österreich jene von Malaria bereits übertroffen. Auch hier ist für Panik kein Platz: Mehr als 90 Prozent der Infektionen verlaufen symptomlos, bei weniger als zehn Prozent der Erkrankungen kommt es zu hohem Fieber und Gliederschmerzen. Nur selten kommt es zu schweren Verlaufsformen.

Die Hoffnungen auf eine Impfung sind getrübt: Eine Kandidatvakzine erreichte in einer aktuellen wissenschaftlichen Studie nur eine Schutzrate von rund 30 Prozent.

Mutationen erschweren Bekämpfung

Einen Trick hat sich das Chikungunya-Virus „ausgedacht“. Durch eine Punktmutation seiner Erbsubstanz mit dem Austausch von nur einer Aminosäure konnte es auf die auch in Europa vorkommende Aedes albopictus-Stechmücken („Tigermücke“) überspringen. 2006 kam es plötzlich in der Gegend von Ravenna in Italien zu nicht importierten Fällen. Ebenfalls auf dem Vormarsch befindet sich offenbar das Krim-Kongo hämorrhagische Fieber, welche durch Zecken übertragen wird. In der Türkei erhöhte sich die Zahl der durch das Bunya-Virus hervorgerufenen Erkrankung von faktischer Nichtexistenz vor dem Jahr 2002 auf 1.300 Fälle im Jahr 2009, 128 Patienten starben.

Fazit, so der Experte: In Sachen „exotischer“ Krankheitserreger sollten die Gesundheitsbehörden weltweit ständig wachsam sein. Überraschungen seien jederzeit möglich.