Houellebecq bekommt Staatspreis

Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq bekommt am 26. Juli in Salzburg den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Er kümmert sich nicht um „politische Korrektheit“ und gilt auch als Gesellschafts- und Islamkritiker.

Laut Jurybegründung ist der 63-Jährige „eine der einflussreichsten Stimmen der europäischen Gegenwartsliteratur.“ Die Verleihung des mit 25.000 Euro dotierten Preises findet Ende Juli im Salzburger Mozarteum statt.

Michel Houellebecq

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Houellebecq

„Seine Texte verraten ein besonderes Sensorium für Fragen von gesellschaftlicher Sprengkraft, wobei er den Konjunkturen des Feuilletons stets vorausgeeilt ist - ob es um die moderne Arbeitsrealität geht, die Möglichkeiten und Gefahren der Gentechnik, die Erscheinungsformen des religiösen Fanatismus, die Kehrseite der sogenannten sexuellen Revolution (ein Monopolkapitalismus des Sex) oder den Verfall des ländlichen Raumes“, so die Jury.

Houellebecq gehört zu den prominentesten und gleichzeitig umstrittensten Schriftstellern unserer Zeit. Um die „Political Correctness“ kümmert er sich dabei wenig - wozu er auch steht. Er sei der Radikalste von allen, sagte er einmal in einem Interview.

Feministinnen auf den Barrikaden

In dem 2001 erschienenen Buch „Plattform“ brachte der Franzose laut einem Bericht der Austria Presse Agentur (APA) viele Feministinnen und Gegner der Prostitution auf die Barrikaden, weil er seinen sexuell frustrierten Protagonisten nach Thailand schickte und den Sextourismus gefeiert habe. Seine Fans hingegen erwählten ihn zum Visionär, der Entwicklungen frühzeitig erkenne. Houellebecq lässt das Buch „Plattform“ mit einem Anschlag auf ein Feriendorf enden. Die Fiktion wurde von der Wirklichkeit eingeholt, als ein Jahr später bei einem islamistischen Bombenanschlag auf Bali mehr als 200 Menschen ums Leben kamen.

„Unterwerfung“ beleuchtet Islamisierung

Seit Anfang der 1990er-Jahre widmete er sich ganz dem Schreiben. Neben drei Gedichtbänden („Suche nach Glück“, 1996, „Der Sinn des Kampfes“, „Wiedergeburt“, 1999) veröffentlichte er Essays und Romane - die bekanntesten darunter sind „Les Particules elementaires,“ 1998 („Elementarteilchen“, 2001, wurde auch ein Film), „Plateforme“, 2001 („Plattform“) und „La Possibilite d’une ile“, 2005 („Die Möglichkeit einer Insel“). 2015 kam Houellebecq erneut in die Schlagzeilen, als der Terroranschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ am Tag des Erscheinens seines Romans „Unterwerfung“ verübt wurde. Darin beschrieb er das Leben in Frankreich unter einem muslimischen Präsidenten, die aktuelle Ausgabe von „Charlie Hebdo“ hatte eine Karikatur über den Autor auf der ersten Seite.

Neues Mitglied der Ehrenlegion

Im Jänner 2019 erschien unter großem PR-Rummel der neue Roman „Serotonin“. Darin hat er nicht, wie im Vorfeld gemutmaßt, über die „Gelbwesten“ geschrieben. Vielmehr war „Serotonin“ gleichzeitig Abgesang und Hohelied auf den depressiven, weißen Mann. Und ein unzynisches Bekenntnis zur Liebe. Vor wenigen Wochen wurde der Autor schließlich auch in die französische Ehrenlegion aufgenommen.

Auch im Film eine Ikone

Auch das Kino widmete sich dem Autor aus unterschiedlichsten Perspektiven: 2014 brachte Guillaume Nicloux den bizarren Film „Die Entführung des Michel Houellebecq“ ins Kino, 2018 folgte ein Dokumentarfilm mit ihm und US-Sänger Iggy Pop: „Rester vivant: méthode“ handelte von den Qualen eines Künstlers und von psychischem Leiden und lehnte sich an den gleichnamigen Essay aus dem Jahr 1991 an. Der Film wurde von dem niederländischen Regieduo Reinier van Brummelen und Erik Lieshout gedreht. Darin verkörpert Houellebecq den 53-jährigen Bildhauer Vincent, der an einer mysteriösen Installation mit dem Titel „Das Geheimnis des Lebens“ arbeitet. Rockstar Iggy Pop liest dazu aus dem Essay.

Großes Echo international

Houellebecqs Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt, unter seinen bisherigen Literaturpreisen finden sich der Prix Novembre oder der Prix interallie. 2017 erhielt er in Paris das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur wird jährlich verliehen. Das Werk muss auch in deutschsprachiger Übersetzung vorliegen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen der spätere Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano (2012), Mircea Cartarescu (2015), Karl Ove Knausgard (2017) und Zadie Smith (2018).

Blümel: „Houellebecq lässt niemanden kalt“

Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) gratulierte dem Autor: „Er schreibt klar, kompromisslos und präzise über Themen, die unsere europäische Gesellschaft bewegen und wesentlich verändern: von politischem Radikalismus und Terror über Biotechnologie bis hin zum Traum vom ewigen Leben. Houellebecq ist ein Schriftsteller, der niemanden kalt lässt, ein Romancier, der uns bewegt und zur Auseinandersetzung zwingt.“

Houellebecq wurde - je nach Quelle - am 26. Februar 1956 oder 1958 in La Reunion geboren. Seine Eltern übergaben ihn mit sechs Jahren in die Obhut seiner Großmutter väterlicherseits, einer Kommunistin, deren Namen er als Pseudonym angenommen hat. Er studierte Landwirtschaft und Film, seine Ehe mit der Schwester eines Studienfreundes wurde kurz nach der Geburt des Sohnes Etienne geschieden.

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