Mozartwoche mit Frankensteins „Zauberflöte“

Für eine spektakuläre Premiere seiner Mozartwoche lud Rolando Villazon die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus ein, Mozarts „T.H.A.M.O.S“ zu inszenieren; Publikum und Kritiker konnte er aber nur zum Teil überzeugen.

Der Vergleich mit der „Zauberflöte“ ist zwar etwas irreführend, aber naheliegend. Mozart komponierte Chöre und Zwischenspiele für ein Schauspiel mit dem Titel „Thamos“, das der Feder von Tobias Philipp Freiherr von Gebler entstammt und die Geschichte der Machterlangung des Ägypterkönigs Thamos erzählt.

Auch wenn das Schauspiel mit freimaurerischem Leitgedanken seinem großen Bruder „Zauberflöte“ im Grunde recht nahe steht - was man damals aber noch nicht wissen konnte, da Mozart zum Zeitpunkt der Uraufführung 1773 gerade einmal 17 Jahre alt war - so erfuhr das Stück schon zu Lebzeiten des Autors keinen großen Erfolg und verschwand schnell vom Programm, wobei es Mozarts Komposition auf diesem Wege gleich mit in die Versenkung nahm.

Thamos, Salzburger Mozartwoche 2019

APA/Matthias Baus

Spektakel auf Kosten von Musik und Stringenz

„Thamos“ ist heute nur noch sehr selten zu hören, denn für eine eigenständige szenische Aufführung gibt es schlichtweg zu wenig musikalisches Fleisch. Aus diesem Grunde wurde es um drei Arien aus der „Zauberflöte“ und Auszüge aus dem „Zaide“-Fragment von Mozart ergänzt, und diese Aneinanderreihung ist hör- und sichtbar.

APA-Redakteurin Larissa Schütz sieht auch Parallelen zu Mary Shelleys Roman „Frankenstein“, in dem der gleichnamige Doktor versucht, durch die Zusammensetzung verschiedener Teile den perfekten Menschen zu erschaffen, aber bei der Umsetzung scheitert. Auch der Salzburger „Thamos“ wird zeitweise zur Kreatur.

Aus einem Guss sind weder Handlung noch Musik - der Vergleich mit der „Zauberflöte“ wird zur Last. Zwar sind die Zwischenspiele ein guter Fingerzeig auf das, was Mozart als junger Mann schon an geniereichem Potenzial in seiner Musik verbaute, doch in direkter Gegenüberstellung mit der an Lebensweisheit ausgereiften Opernmusik wirkt „Thamos“ tatsächlich noch schwach auf der Brust. Da kann auch Dirigentin Alondra de la Parra nicht mehr viel ausrichten, auch wenn sie ihren Mozart gut studiert hat und ihm viel Anmut und Herz mitgibt.

Thamos, Salzburger Mozartwoche 2019

APA/Matthias Baus

Akrobaten punkten durch aufregende Bühnenshow

Vielleicht liegt es aber auch am geringen Wirkungsspielraum, den La Fura dels Baus den Zwischenspielen lassen. Sie verblassen zeitweise zur Begleitmusik, da die wirklich aufregenden Dinge auf der Bühne passieren. Da sind die Katalanen um Carlus Padrissa in ihrem Element. In schwindelerregenden Höhen fliegen Akrobaten in aufwändigen Kostümen durch die Felsenreitschule, aufwändige Videoproduktionen dystopischer Zukunftsstädte werden an die Fassade geworfen und auch Feuer und Wasser finden immer wieder ihren Einsatz in dieser Inszenierung. Über all dem thront in der Mitte der Bühne eine große Iris, die - freiwillig oder unfreiwillig - ein wenig an Philipp Himmelmanns Tosca-Auge bei den Bregenzer Festspielen 2007 erinnert.

Auch die Sänger sind vor den akrobatischen Einfällen Padrissas nicht gefeit. Unter, auf und hinter der großen Iris gibt Nutthaporn Thammathi durchwegs heldisch den Thamos und verzieht auch dann keine Miene, wenn sich ein geballter Schwall Wasser über ihn ergießt. Er denkt sowieso nur an seine Tharsis, und das kann man ihm durchaus nicht verübeln, denn Fatma Said singt sie federleicht und sanft, mit Spitzen wie gehaucht, die sich aber tief in die Knochen setzen. Und Rene Pape, der ist eigentlich Sarastro und nicht König Menes. Nicht etwa, weil er dessen Arien singt, sondern weil er mit jedem Ton die Würde, Größe und Gelassenheit des Fürsten aus der „Zauberflöte“ aussendet.

Thamos, Salzburger Mozartwoche 2019

APA/Matthias Baus

„Die Handlung erliegt dem Spektakel“

Wolfgang Amadeus Mozart - „T.H.A.M.O.S“

basierend auf „Thamos, König in Ägypten“ KV 345, in einer Bearbeitung von Carlus Padrissa, mit ausgewählten Arien, u. a. aus „Die Zauberflöte“ KV 620 und „Zaide“ KV 344, Neuproduktion der Stiftung Mozarteum Salzburg.

Musikalische Leitung: Alondra de la Parra, Inszenierung: Carlus Padrissa, La Fura dels Baus, Szenographie: Roland Olbeter, Video: Franc Aleu, Kostüme: Chu Uroz, Lyrik: Alicia Aza, Luft-Choreographie: Gaby Barberio, Spezialeffekte: Thomas Bautenbacher, Dramaturgie: Yvonne Gebauer, Komposition/Programmierung algorithmische Musik: Urbez Capablo.

Auf der Bühne: König Menes: Rene Pape, Tharsis: Fatma Said, Thamos: Nutthaporn Thammathi, Myris: Silke Redhammer, Priester: Bastian Thomas Kohl, Camerata Salzburg, Salzburger Bachchor.

Die Kreatur wird Viktor Frankenstein in Shelleys Roman bekanntlich zum Verhängnis. Auch der Salzburger „T.H.A.M.O.S.“ ist am Ende einfach zu viel gewollt. Die Handlung erliegt dem Spektakel und wirkt dadurch immer wieder an den Haaren herbeigezogen, die Verschränkung der Musikstücke inhomogen und am Ende alles zusammen ein wenig erschlagend. Dafür gibt es vom Publikum anerkennenden Applaus, für mehr dürfte ihm aber nach gut eineinhalb Stunden Eindrucksfeuerwerk auf sämtlichen Kanälen schlichtweg die Energie fehlen.

Wie im „Frankenstein“ führt der gute Wille auch hier nicht zwangsläufig zum gewünschten Ergebnis, umbringen wird es bei der Mozartwoche natürlich trotzdem keinen. Villazon hat dafür noch genügend Asse im Ärmel und bei der Programmpräsentation zumindest für 2020 eine etwas frommere szenische Produktion versprochen, den „Messias“.

Verhaltener Applaus

ORF-Salzburg-Kulturredakteurin Eva Halus ergänzt, die Camerata Salzburg unter de la Parra klingt zu wenig präsent, der Bachchor aus den Arkaden ist sehr bestimmend, von den Solisten nur René Pape überzeugend. Die Gruppe rund um Regisseur Carlos Padrissa arbeitet mit Luftakrobatik und Laser und Feuer und Projektionen, das schafft viel Stoff zum Schauen und manchmal auch zum Nachdenken, das Musikhören droht allerdings ein wenig unter die Räder zu kommen. Der Applaus des Publikums klang merkwürdig verhalten, selbst das Feuerwerk zum Abschluss war offenbar zu wenig zündend.

Weitere Termine: 28.1. und 1.2.2019

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