Sind billige Lesebrillen schädlich?

Jeder kennt sie - in Tankstellen, Raststätten, im Supermarkt: Brillen von der Stange, die nicht angepasst werden müssen. Viele nutzen sie als Zweit- oder Lesebrillen. Stimmt es, wie manche behaupten, sie könnten gesundheitsschädlich sein? Nein, sagen Experten: „Aber ...“

Buch mit Brille

ORF/Fotodisc

Lesebrille bzw. Lesehilfe

Größter Vorteil der Fertigbrillen aus der Sicht der Nutzer: Sie sind günstig. Schon mit zwei Euro geht es los. Jährlich werden Millionen verkauft. Aber können die Billigbrillen auch schädlich für die Augen sein, wie immer wieder zu hören ist?

Billig oder um 300 Euro?

In Österreich brauchen 85 Prozent aller Brillenträger - oder Leute, die älter als 45 bis 50 Jahre sind - eine Lesebrille. Sie gehen aber oft nicht zum Optiker oder Augenarzt. Ihnen reicht eine günstige Lesebrille von der Stange - statt individuell angepassten Modellen um bis zu 300 oder 500 Euro.

Sendungshinweis: „Guten Morgen Salzburg“, ORF Radio Salzburg, 21. 01.2014

Für die Brille von der Stange sehen Experten lediglich einen Sinn als Zweit- oder Drittbrille. Positive Nachricht: Das Tragen dieser Billigbrillen schadet den Augen aber nicht, wie immer wieder zu hören ist. Oberarzt Josef Ruckhofer von den Landeskliniken betont, wenn beide Augen die gleichen Abweichungen von der Norm haben, mache das fast keinen Unterschied, welche Brille man trägt: „Wenn es aber einen Unterschied zwischen den Augen von einem halben Dioptrin und mehr gibt, dann ist das sehr wohl spürbar. Genau so ist es bei Hornhautverkrümmungen.“

Josef Ruckhofer Augenklinik Salzburg Landeskliniken

bessersehen.info

Oberarzt Ruckhofer

Keine Dauerlösung

Fertigbrillen von der Stange ständig zu tragen, davon raten Ärzte und Optiker ab. Trockene Augen, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Übelkeit könnten die Folgen sein.

Diese Modelle sind nämlich nicht individuell angepasst. Und genau das sei das Risiko, ergänzt Oberarzt Ruckhofer, Leiter der Hornhautambulanz an den Salzburger Landeskliniken: „Man kann durch den Unterschied der Sehkraft bei beiden Augen schon auch Kopfweh durch solche Brillen bekommen, wenn man mit einem Auge deutlich unscharf sieht.“

Immer mehr Gleitsichtbrillen

Für den Salzburger Optiker Wolfgang Kebsak, der auch mit guten Brillen hoher Qualität seine Geschäfte macht, ist schon die Bezeichnung „Lesebrille“ das erste Problem: „Es ist eine Lesehilfe und keine Lesebrille auf Dauer. Für längere Arbeit am Computer oder im Büro sind sie nicht geeignet, auch nicht zum Lesen der Frühstückszeitung über zwei bis drei Stunden.“

Optiker sagen, Lesebrillen würden ohnehin langsam „aussterben“, weil immer mehr Gleitsichtbrillen in Mode kämen: „Die meisten Menschen brauchen heute etwas für die Arbeit am Computer. Der ist meistens mindestens 40 Zentimeter vom Auge entfernt, beim Lesen von Büchern und Zeitungen sind es 20. Deshalb kommen für die Arbeitswelt und zu Hause immer mehr die modernen Gleitsichtbrillen in Frage.“

Mehrere Lesehilfen an verschiedenen Orten

Ärzte und Optiker raten zum Kauf einer professionellen Lesebrill. Die gibt es beim Fachoptiker bereits ab 100 Euro. Allerdings verlieren viele Menschen ihre Lesebrillen immer wieder. Bei individuell angepassten Modellen käme das sehr teuer. Deshalb kaufen sie sich mehrere Fertigbrillen zum günstigen Preis - eine für zu Hause, fürs Auto, für den Rucksack beim Wandern oder fürs Büro.

Siegfried Priglinger Augenklinik AKH Linz

AKH Linz

Primarius Priglinger

Klare Botschaft von Linzer Primar

Der Linzer Universitätsprofessor, Augenarzt und Chef der Augenklinik im AKH, Siegfried Priglinger, nimmt sich auf eine Anfrage des ORF kein Blatt vor den Mund. Sind billige Lesebrillen aus dem Supermarkt schädlich für die Augen, auch wenn man verschieden gut sieht? Priglinger: „Wenn Sie sonst nichts haben, kaufen Sie sich bedenkenlos solche Brillen. Sie können damit nichts kaputtmachen. Es stimmt nicht, dass man den Augen dadurch mehr Schaden zufügen könnte.“

Generell raten die Experten - auch Priglinger mit Nachdruck, dass Leute ab 40 bis 50 Lebensjahren zum Augenarzt oder zur Augenklinik gehen sollten, um den Ist-Zustand bei der altersbedingt-natürlichen Weitsichtigkeit feststellen und mögliche andere Augenleiden diagnostizieren zu lassen. Vieles sei bei frühzeitiger Diagnose gut behandelbar, sagen die Ärzte.

Mariella Treml & Gerald Lehner, ORF Radio Salzburg