Staatspreis für Literatur an Andrzej Stasiuk

Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) hat Freitag in Salzburg den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur 2016 dem polnischen Schriftsteller Andrzej Stasiuk verliehen. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert.

Der Preis wird jährlich für das literarische Gesamtwerk eines europäischen Autors verliehen, das international besondere Beachtung gefunden hat. Die Laudatio hielt die österreichische Schriftstellerin Evelyn Schlag, die auch gemeinsam mit Bernhard Fetz, Sabine Gruber, Jochen Jung und Daniela Strigl die Jury zum diesjährigen Staatspreis bildete.

Andrzej Stasiuk Thomas Drozda Österreichischer Staatspreis für europäische Literatur

APA / Barbara Gindl

Andrzej Stasiuk mit Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) am Freitag in Salzburg

„Werkstatt der sensibelsten Texte“

Schlag sprach von einem „bildergesättigten, präzisen, lyrischen Prosastil“ des Polen. „Wir befinden uns in der weiträumigen, viele Landschaften des Ostens umfassenden Welt des Schriftstellers Andrzej Stasiuk, der uns ihre Bewohner mit ihren Gewohnheiten und wie die Geschichte mit ihnen verfahren ist, nahebringt, und zugleich in einer Werkstatt, in der sensibelste Texte hergestellt werden, Texturen, die man gegen das Licht hält. Die Leserin, der Leser riecht, sieht, fühlt am eigenen Leib, spürt selbst die Qualität eines Abends oder Nachtwerdens, einer Stille und eines Schattens“, sagte Schlag.

„Zärtliche Genauigkeit“

Andererseits gebe es auch einen anderen Stasiuk, und zwar den post-religiösen Mystiker, „für den das Licht mit seinen Abarten und Ewigkeiten das Einzige ist, was zu beschreiben sich lohnt. Gerade etwas so Ungreifbares wie das Licht vermag er mit einer zärtlichen Genauigkeit in unsere eigene Wahrnehmung zu holen. Als mache er die Wörter durchsichtig“, sagte Schlag.

Autor spricht über den Flüchtlingsstrom

Stasiuk bedankte sich für die Auszeichnung und unterstrich die Bedeutung der Übersetzung seiner Werke in die deutsche Sprache und seines deutschen Herausgebers. Der Ausgezeichnete ging dann ausführlich auf die jüngsten Entwicklungen und den Umgang Europas mit dem Flüchtlingsstrom ein. Europa habe selbst die Menschen in Bewegung gesetzt: „Wir verbreiten in der Welt Nachrichten darüber, dass wir unanständig reich, saturiert und friedlich leben. An die Armen dieser Welt haben wir Fernseher verteilt, in denen wir unseren pornografischen Wohlstand, unsere lüsterne Selbstzufriedenheit und unsere schamlose Sicherheit ausgestrahlt haben“, sagte Stasiuk: „Und jetzt wollen wir in den Keller gehen und das Licht abdrehen. Aber das wird uns nicht gelingen.“

„Angstverwalter lesen keine Bücher“

Die Literatur sei in dieser Situation ratlos. „Sie kann die Welt nicht verändern. Die Angstverwalter lesen keine Bücher. Sie lesen Zeitungen sowie Biografien von Tyrannen und sehen fern. Das bedeutet aber nicht, dass wir, einfache Menschen, dasselbe tun sollten. Erzählungen bringen uns Mut bei. Allein schon deswegen, weil sie uns eine Welt zeigen, in der nicht nur Verbündete und Feinde leben. Unser Leben ist komplizierter als jenes von Tieren, deren einzige Wahl im Angriff oder der Flucht besteht. Dank der Literatur wird unser Leben viel komplexer. Dank ihr sind wir nicht mehr zur Gänze darin gefangen“, betonte Stasiuk.

Vielfach auch für Zeitungen tätig

Stasiuk wurde 1960 in einem Vorort von Warschau geboren. Er verließ die Schule ohne Abschluss und jobbte, bis er 1980 zur Armee eingezogen wurde. Nach einigen Monaten desertierte er und wurde daraufhin für eineinhalb Jahre inhaftiert. Den brutalen Gefängnisalltag und die Lebensläufe einiger Inhaftierter schilderte er mit peinlicher Genauigkeit in seinem ersten Erzählband „Die Mauern von Hebron“. Es folgten weitere Erzählungen und Romane. Außerdem schreibt er seit Jahren Kritiken und Essays für die größten polnischen Tageszeitungen, aber auch für die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und andere ausländische Medien.

Link: