Arbeiter verbrannt: Prozess um Lender Unglück

Mehr als vier Jahre nach dem Tod zweier Arbeiter im Aluminiumwerk Lend (Pinzgau) beginnt am 15. Juni der Strafprozess wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen. Die Männer sind 2012 in der Vorwärmekammer eines Industrieofens verbrannt.

Das Unglück geschah am 8. März 2012. Es starben ein 56-jähriger langjähriger Mitarbeiter, ein Schlosser aus dem Pongau, sowie ein 49-jähriger Leiharbeiter aus dem Lungau.

Bei 400 Grad getötet

Einige Tage danach ergaben Ermittlungen der Polizei, dass ein Arbeitskollege per Fernbedienung vermutlich irrtümlich die Schiebetüre zu der Kammer geschlossen und den Heizvorgang gestartet hatte. Es gab offenbar keine Hinweise darüber, dass sich jemand in dem Raum aufhalten könnte. Die Betriebstemperatur in der Kammer beträgt 300 bis 400 Grad. Die beiden Verunglückten wollten offenbar einen Schaden in der Kammer begutachten, weil sich angeblich eine Abdeckplatte an der Rückwand gelöst hatte.

SAG Lend Aluminiumwerk

ORF

Mehrere Personen und Unternehmen angeklagt

Bei einem Großteil der Angeklagten handelt es sich um Personen, die von der Installation der Anlage im Jahr 2006 bis zum Unfallzeitpunkt zu unterschiedlichen Zeiten handels- und gewerberechtliche Geschäftsführer des Aluminiumwerkes waren. Beschuldigt ist auch der Mitarbeiter, der die Tür zur Vorwärmekammer geschlossen haben soll, sowie Aufsichts- und Sicherheitsvertrauenspersonen. Auch das Unternehmen selbst wurde als juristische Person nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz angeklagt.

Umfangreiche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft lastet den Angeklagten Verstöße gegen Sicherheits-Verordnungen an. Die Anlage soll auch sicherheitstechnische Mängel aufgewiesen haben. Laut dem Strafantrag, der sich auf ein Gerichtsgutachten stützt, sei die Beantragung einer gewerbebehördlichen Genehmigung der gesamten Vorwärmanlage unterlassen worden, ebenso die Behebung „schwerwiegender sicherheitstechnischer Mängel“, wie das Fehlen einer Warnleuchte und Warnhupe bei den Vorwärmkammern.

Lokalaugenschein mit Richterin in Lend

Einzelrichterin Anna-Sophia Geisselhofer hat im Verhandlungszeitraum 15. Juni bis 8. Juli zehn Prozesstage anberaumt. Am 22. und 23. Juni findet in Lend ein gerichtlicher Lokalaugenschein statt, wie Gerichtssprecher Imre Juhasz der APA mitteilte.

Rechtsanwalt Philipp Lettowsky, der acht Angeklagte inklusive der Aluminium Lend Gesellschaft mbH vertritt, und auch der Sprecher der Salzburger Aluminium Group (SAG), Hannes Rest, nahmen Mittwoch zu dem Verfahren bei einem Pressegespräch Stellung. Die Nichteinhaltung der von der Aluminium Lend Gesellschaft mbH vorgeschriebenen vier Sicherheitsmaßnahmen durch die verunglückten Arbeiter habe kausal zu dem tragischen Unfall geführt, erklärte Rest.

Unternehmen verweist auf Sicherungssysteme

Wäre nur eine der vier Sicherheitsvorkehrungen aktiviert worden, so hätte dies den Unfall verhindert, sagte der Unternehmenssprecher. Für den Fall der Abschaltung der Anlage und der Wartung bzw. Reparatur sei eine Reihe von Maßnahmen vorgeschrieben worden, die eine Gefährdung von Personen ausschließe.

Rest zählte Maßnahmen auf: „Der Hauptschalter der Anlage wird ausgeschaltet und gegen Wiedereinschaltung durch ein Schloss gesichert.“ Weiters müssten zur Absturzsicherung Unterlegkeile unter die Türe gelegt, die Anlage von Funk auf Handsteuerung umgestellt und die Durchführung von Arbeiten mit einem Schild angezeigt werden. Erst nach gezielter Abkühlung sei ein Betreten der Vorwärmekammer überhaupt möglich. Dies sei den verunglückten Mitarbeitern ausdrücklich bekannt gewesen.

Wie es zu dem Unfall überhaupt kommen konnte, sei schwierig nachzuvollziehen, sagte Rest: „Der Mitarbeiter hatte keinen Hinweis darauf, dass noch jemand in der Kammer ist.“ Man wisse auch nicht, zu welchem Zweck die beiden Arbeiter in die Vorwärmekammer gegangen seien.

Firmensprecher weist Vorwürfe zurück

Die Anlage habe bei Inbetriebnahme dem Stand der Technik und den sicherheitstechnischen Anforderungen entsprochen, erklärte Lettowsky. Die Betriebsanlage sei auch gemäß den gesetzlichen Vorschriften, Paragraf 82b Gewerbeordnung, einer ordnungsgemäßen Prüfung durch ein externes Unternehmen unterzogen worden. Und das Werk 3, in dem sich Anlage befand, „hat, insoweit erforderlich, eine Betriebstättengenehmigung“, sagte der Anwalt. Es gelte wie in jedem anderen Betrieb, in dem es ein arbeitsteiliges Verhalten gebe, der Vertrauensgrundsatz, „dass ein Kollege seine Aufgabe so erledigt, wie ihm das auch erklärt wurde“.

Kritik an Gerichtsgutachten

Das Unternehmen kritisierte das Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen. Dieser habe die gesetzlichen Bestimmungen „teilweise falsch interpretiert und teilweise nicht entsprechend angewendet“. Er hätte konkret beurteilen müssen, ob die vier Sicherheitsmaßnahmen geeignet waren, um den eingetretenen Unfall zu verhindern. „Dies muss unzweifelhaft bejaht werden“, hieß es in der Stellungnahme. Es sei zudem fraglich, warum sich der Sachverständige „mit redundanten sicherheitstechnischen Fragen auseinandersetzt, welche mit dem gegenständlichen Vorfall nicht in unmittelbaren Zusammenhang stehen, da sie für diesen nicht kausal waren“.

Das Unternehmen und alle Angeklagten würden sich mit ihrer ganzen Kraft der Aufklärung des Unfalles und der Wiedergutmachung aller eingetretenen Schäden widmen, ergänzte der Anwalt: „Der rechtliche Anspruch auf Witwen- und Waisenpension der Hinterbliebenen wird laufend ausbezahlt.“

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