Zwiespältige Freiheit von Wilhelm Tell

Eine moderne Version von „Wilhelm Tell“ aus der Feder des Klassikers Friedrich Schiller hatte Samstagabend im Landestheater ihre Premiere. Regisseurin Agnessa Nefjódov hat den Schweizer Freiheitshelden gründlich entstaubt.

Besonders auch zeitgenössische Hüte aus dem Mittelalter erinnern viele an den Schweizer Freiheitskämpfer. Dazu kommt die berühmte Legende vom Armbrustschuss auf den Apfel, der einst auf den Kopf von Tells kleinem Sohn gelegt worden sein soll. Der habsburgische Gewaltherrscher wollte mit dieser Tat den Schweizer Revolutionär in die Knie zwingen.

Wilhelm Tell Landestheater

ORF

Kein aufgedonnertes Mittelalter: Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme verstärken in ihrer kargen Schlichtheit den Inhalt des Stückes von Schiller zusätzlich

Wilhelm Tell - aus der Schiller - Galerie, Stahlstich von Raab nach Pecht, um 1859

Schiller-Galerie, Stahlstich um 1859

Wilhelm Tell, wie er im 19. Jahrhundert gesehen wurde

„Freiheit für jeden anders“

Kleine Völker und Volksgruppen benötigen solche und ähnliche Legenden, wenn es um Aufstand gegen größere Mächte und Unterdrücker geht.

Im Fall der Schweizer ging es im Mittelalter gegen die Ausbeutung durch die Habsburger – ein Kampf gegen zentralistische Fremdbestimmung durch eine aufstrebende Großmacht, sagt Regisseurin Agnessa Nefjodov: „Für jeden ist das Freiheitsgefühl etwas Anderes. Ich glaub nicht an diesen Begriff. Der ist so wahnsinnig verschwommen. Das ist auch der Hintergrund bei diesem Stück. Welche Perspektiven gibt es überhaupt auf Freiheit?“

Ist Revolution immer eine Befreiung?

Kann ein Individuum seine Freiheit in der befreiten Gesellschaft erfahren? Der Legendenstoff wirft viele Fragen auf und bietet wenig Antworten. Die Inszenierung im Landestheater erzeugt mit
einfachsten Mitteln viel Spannung und starke Effekte. Tells Leben ist eine Legende, keine reale Biografie. Die Geschichte spielt in der heutigen Zentralschweiz. Sie wird auf das Jahr 1307 datiert und mit dem Rütlischwur als Gründungsmythos der Schweiz in Verbindung gebracht. Der Dichter Friedrich Schiller verfasste in seiner späten Schaffensphase das berühmte Bühnenwerk. Es wurde 1804 publiziert und uraufgeführt.

Held für Konservative und Fortschrittliche ...

Wilhelm Tell - Denkmal in Altdorf von 1895; auf dem Sockel das Datum des Rütlischwurs von 1307

Library of Congress / Washington DC

Tell-Denkmal in Altdorf (Kanton Uri) von 1895 - auf dem Sockel das Datum des Rütlischwurs von 1307

Seit dem 15. Jahrhundert literarisch immer wieder erwähnt, verewigt und weitergetragen, wurde Wilhelm Tell auch zum Sinnstifter und zur Identifikationsfigur verschiedener politischer Strömungen in der Schweiz und außerhalb. Sowohl Konservative als auch Linke nutzten und nutzen seinen Mythos für ideologische Zwecke.

Mann für viele Zwecke

Die Bandbreite reicht vom frühen Anarchisten, progressiven Regionalisten und Freischärler bis zum rechts angehauchten bzw. als Reaktionär diffamierten Provinzler. Dass sich auch Friedrich Schiller des Stoffes bemächtigte, hat mit den Wirren der Napoleonischen Kriege, dem politischen Chaos der vielen deutschen Fürstentümer und der republikanischen Selbstfindung im feudal dominierten Mitteleuropa zu tun.

Neben Heidi ein Gründungsmythos

Und schon seit Ende des 19. Jahrhunderts gilt Tell als Nationalheld der Schweiz. Neben dem Heidi-Mythos aus den Almgebieten der Ostschweiz ist seine Story aus dem zentralen Teil des kleinen Landes mit den vielen freien Kantonen international bekannt und beliebt.

Die Figur Tell taucht literarisch erstmals im „Weißen Buch“ von Sarnen auf. Dieses wurde 1472 niedergeschrieben. Dazu kommt das „Lied von der Entstehung der Eidgenossenschaft“ von 1477, wo ebenfalls ein Wilhelm Tell vorkommt. Die Legende wurde auch mündlich überliefert und soll eigentlich aus den Burgunderkriegen stammen. Zwischen 1474 und 1477 bekämpften sich dabei das Herzogtum Burgund, die neue Schweizer Eidgenossenschaft und die „Niedere Vereinigung“. Diese war ein Bündnis der Reichsstädte Straßburg, Basel, Colmar und Schlettstadt mit den Bischöfen von Basel und Straßburg, der Alten Eidgenossenschaft und Herzog Siegmund von Vorderösterreich und Tirol.

Renate Lachinger & Gerald Lehner, ORF Salzburg

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Gründlich entstaubte Legende

„Wilhelm Tell“ nach Friedrich Schiller im Salzburger Landestheater befasst sich mit den vielen Fragen, die diese Heldenfigur aufwirft.

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