Mehr Überwachung? Neuerlich heftige Debatte

Die Terroranschläge in Paris haben zu einer neuerlichen Debatte über mehr Überwachung durch den Staat geführt. Das Innenministerium will die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen. Juristen sehen das skeptisch bis ablehnend.

Wo wir uns bewegen, mit wem wir sprechen, was wir kaufen, wonach wir suchen - alle diese Daten werden schon jetzt von verschiedenen Anbietern gesammelt. Immer mehr Kameras beobachten uns im öffentlichen Raum, unsere Mails und Telefonate werden gespeichert. Für viele dennoch kein Grund zur Skepsis: „Alles, was man im Internet macht, ist protokolliert, ist gespeichert - dessen muss man sich einfach bewusst sein. Ich habe das nicht zu verbergen, was ich im Internet mache“, sagt Günther Schwarz. „Ich tu ja nichts rein, was nicht wer anderer sehen soll“, ergänzt Franziska Zotter.

„Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte“

Juristen jedoch schlagen Alarm: Immer mehr Überwachung bedeutet auch immer weniger demokratische Freiheiten für uns alle: „Die Ereignisse des 9/11 - diese schrecklichen Terroranschläge in New York - haben zu einem Dammbruch geführt. Es sind in den westlich-demokratischen Staaten Gesetze mit einem Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte in einem Ausmaß beschlossen worden, wie das vorher nicht vorstellbar war“, sagt Wolfgang Kleibel von der Salzburger Rechtsanwaltskammer.

Junge Frau mit Zahlen- und Buchstabenprojektion

ORF

Über Internet-Profile lassen sich viele persönliche Details herausfinden

Dennoch: Angesichts der jüngsten Terroranschläge sprechen sich viele Österreicher aktuellen Umfragen zufolge sogar für noch für mehr Überwachung aus

Die Vorratsdatenspeicherung etwa wurde bei uns vergangenes Jahr wieder abgeschafft. Sie regelte ha, dass zum Beispiel Telefonnetzbetreiber Daten an die Justiz herausgeben mussten - auch bei leichten Delikten und ohne richterlichen Beschluss. „Die Personen, die sie hier erfassen, sind die, die nicht damit rechnen, die nicht versuchen, sich dem Zugriff zu entziehen - im Wesentlichen jeder einzelne Bürger“, betont Kleibel. „Diejenigen, die etwas zu verbergen haben, arbeiten über außereuropäische Servereinrichtungen, über Wertkartenhandys. Die werden nicht erfasst.“

Innenministerium will mehr Daten als Beweise nutzen

Was für viele Experten nicht wirksam ist, ist für viele Politiker und die Behörden ein notwendiger Schritt: „Wenn wir als Beispiel die Radikalisierung und Rekrutierung für den Dschihad hernehmen - das sind Kommunikationsdelikte. Und genau für den Nachweis dieser Straftatbestände ist es für die Ermittlungsbehörden notwendig, genau diese Kommunikation auch nachzeichnen zu können“, sagt Innenministeriums-Sprecher Karl-Heinz Grundböck. Über eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung entscheiden die Politiker in den kommenden Wochen.

„Über ganz wenige Daten unglaubliche Einblicke“

Für den Juristen und Universitätsprofessor Viktor Mayer-Schönberger aus Zell am See (Pinzgau) ist dagegen eines klar: „Die Datenflut hat uns alle erfasst. Als Einzelner ist man dem hilflos ausgeliefert. Wir können bereits aus ganz wenigen Daten unglaubliche Einblicke gewinnen. So gibt es eine Studie der Universität Cambridge, die aus Facebook-Likes und Facebook-Verknüpfungen ermitteln können, ob jemand homosexuell ist oder nicht und ob dieses Person im zwölften Lebensjahr in einer intakten Familie gelebt hat oder ein Scheidungskind ist.“

Bei der staatlichen Überwachung gehe es in den letzten Jahren weniger um den Inhalt z.B. von Telefongesprächen als vielmehr um die „Metadaten“, so Mayer-Schönberger: „Das heißt: Wer hat wann mit wem kommuniziert? Aus diesen Metadaten kann sehr viel Inhaltliches gewonnen werden - eben zum Beispiel, welche Gruppen miteinander kommunizieren, welche terroristischen Zellen wohin Kontakte haben, wohin Geld fließt, wer was finanziert. Die Hoffnung ist hier, Klarheit zu haben über die zukünftige Planung der Verbrechen dieser Organisationen.“

Skepsis, ob Überwachung Anschläge verhindert

Doch: „Es ist lediglich die Hoffnung der Behörden, dass sich aus den Daten ermitteln lässt, wann wo das nächste Verbrechen passiert“, sagt Mayer-Schönberger. „Ob das tatsächlich funktioniert oder nicht, das wissen wir nicht. Da müssen uns die Behörden erst überzeugen, indem sie selbst Daten auf den Tisch legen, ob es in den letzten paar Jahren auch gelungen ist, Verbrechen - insbesonders terroristische - vorherzusagen. Wir sehen ja gerade aus den Verbrechen in Frankreich, dass diese Vorhersage nicht funktioniert hat. Sonst hätten ja die französischen Behörden früher zugreifen können.“

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Katharina Garzuly berichtet über die Debatte über mehr Überwachung

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