Schottlands „Kampf“ und Leopold Kohr

Der austroamerikanische Philosoph Leopold Kohr, 1909 in Oberndorf (Salzburger Flachgau) geboren, war einer der Väter der Unabhängigkeitsbewegung der britischen Region Wales. Sie diente auch Schottland als Vorbild im politischen und friedlichen „Kampf“ gegen Englands Zentralmacht.

Leopold Kohr

Gerald Lehner

Der Salzburger und Amerikaner, wenige Wochen vor seinem Tod in der britischen Industriestadt Gloucester (1994)

Heute Donnerstag stimmen Schotten und Menschen aus vielerlei EU-Regionen sowie Kulturen weltweit, die in Schottland ihre festen Hauptwohnsitze haben, über die politische Zukunft dieser Region ab.

Die kleinen keltischstämmigen Völker auf den britischen Inseln hegen und pflegen seit vielen Jahrhunderten ihre „kleinen Nationalismen“, um ihre Kulturen, Sprachen und Literaturen gegenüber der englischen Vorherrschaft in Großbritannien zu retten. In unserer Zeit geht es nicht um kolonialistische Ausbeutung wie früher, sondern mehr um wirtschaftliche und demokratiepolitische Unabhängigkeit gegenüber der mächtigen Wirtschafts-, Regierungs- und Rüstungszentrale London. Diese widersetzte sich lange der regionalen Autonomie der kleineren Völker Britanniens.

Kohr und der walisische Pazifist Gwynfor Evans

In Zentraleuropa kaum bekannt ist, dass ein gebürtiger Salzburger in Großbritannien schon in den 1970er-Jahren zu den Pionieren der regionalen Unabhängigkeitsbewegungen gehörte: Leopold Kohr, der 1909 in Oberndorf (Flachgau) geboren wurde und 1994 in Gloucester (England, an der Grenze zu Wales) verstarb. Viele Jahre lehrte Kohr die Fächer Philosophie, Ökonomie und Politikwissenschaft an der Universität von Aberystwyth an der Atlantikküste von Wales. Er pflegte dabei enge Kontakte zu führenden Politikern der Unabhängigkeitsbewegung rund um den walisischen Pazifisten und Sozialisten Gwynfor Evans sowie Vertretern der schottischen Nationalpartei.

Wurzeln im Spanischen Bürgerkrieg

Kohr schrieb mehrere Bücher über Regionalismus und Dezentralisierung in Großbritannien, nachdem er lange Zeit als Universitätsprofessor in San Juan (Puerto Rico) schon in dieser Richtung gearbeitet hatte. Gleichzeitig unterstützte der Salzburger in den 1950er- und 1960er-Jahren in der Karibik dortige Unabhängigkeitsbewegungen, die sich gegen den Einfluss der Kolonialmächte richteten.

Katalanische Anarchisten, Hemingway, Orwell

Kohr hatte erste Inspirationen für seine Philosophie der Dezentralisierung im Spanischen Bürgerkrieg in Katalonien bekommen, wo er 1936 als junger Reporter arbeitete und über die katalanischen Anarchisten und Regionalisten berichtete. Diese bekämpften Francos nationalspanische Faschisten erbittert - und daneben auch die Milizen Stalins, die ihren ebenfalls zentralistischen Kommunismus verbreiten wollten.

Kohr arbeitete 1936 im Korrespondentenbüro neben dem amerikanischen Reporter und Schriftsteller Ernest Hemingway, mit dem er einen Schreibtisch teilte. Der Salzburger lernte in der katalanischen Hauptstadt Barcelona auch den britischen Kollegen George Orwell (alias Eric Arthur Blair) kennen.

Publizistischer Kampf gegen Hitler

Leopold Kohr flüchtete 1938 vor den Nazis nach Frankreich, später nach Kanada und in die USA. Als Kommentator und Leitartikler für führende Zeitungen (Washington Post, New York Times, Los Angeles Times ...) lieferte er dem amerikanischen Publikum Insider-Informationen über Adolf Hitler und die Anfänge des Nationalsozialismus in Österreich und Bayern. Gemeinsam mit dem gebürtigen Braunauer Egon Ranshofen-Wertheimer, Diplomat des Völkerbundes und späterer Mitbegründer der UNO, diente Kohr während des Zweiten Weltkriegs der US-Regierung in Washington als Berater zu europäischen Fragen - auch in Bezug auf den künftigen Wiederaufbau von Demokratien.

Neues Buch

Im Frühjahr 2014 publizierte der Salzburger ORF-Redakteur Gerald Lehner eine aktualisierte Fassung seiner Biografie über den Philosophen, mit dem er bis zu dessen Tod für das Buch gearbeitet hatte: „Das menschliche Maß. Eine Utopie? Gespräche mit Leopold Kohr über sein Leben“

Buchkapitel in voller Länge über Kohr und Wales

PDF (175.0 kB)

(Download)

Link: