Jazz trotzt miesem Wetter bestens

Auch im 35. Jahr blieb das Jazzfestival Saalfelden (Pinzgau) sich und den Fans treu: Ein vielfältiges Programm abseits des Mainstreams und mehr verkaufte Karten als im Vorjahr lassen die Macher wirtschaftlich und künstlerisch positiv bilanzieren - trotz des miesen Wetters.

THE YOUNG MOTHERS

APA / JAZZFESTIVAL SAALFELDEN / ARTISUAL

Trompeter der Band „The Young Mothers“

Zum Abschluss des viertägigen Festival-Reigens sorgte Sonntagabend noch Saxophon-Altmeister Archie Shepp für einen emotionalen Höhepunkt.

„Wir wollen polarisieren“

„Unser Festival bedient nicht die Gefälligkeit, wir wollen polarisieren“, betont Ko-Intendant Mario Steidl. Das sei heuer gelungen: „Wir hatten nichts Banales im Programm.“ Der künstlerische Leiter verwies auf die Kammer-Jazzschiene „Short Cuts“ im Kunsthaus Nexus, die sich immer stärker zu einem Publikumsmagneten entwickelt - und das neben 15 Konzerten auf der Hauptbühne im Kongresshaus.

Auch wirtschaftlich war das Jazzfestival ein Erfolg: Tourismusverbands-Geschäftsführer Stefan Pühringer konnte zwar noch keine konkreten Zahlen nennen, „wir haben aber mehr Karten als im Vorjahr verkauft“. Die Wertschöpfung des Festivals in der Region beträgt zwei Millionen Euro - bei einem Budget von 615.000 Euro -, die Jazz-Liebhaber bleiben im Schnitt zweieinhalb Nächte in der Pinzgauer Gemeinde.

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Großer Reichtum an Varianten

Das durchgehend hohe Niveau der 35. Auflage setzte sich indes auch am Abschlusstag fort. Nach einem soliden Nachmittags-Opener mit den Austro-Saxophon-Größen Herwig Gradischnig und Max Nagl, Bassist Peter Herbert und Drummer Michael Vatcher sorgte Sylvie Courvoisier für den ersten Höhepunkt des Sonntags. Welche Klänge, Geräusche und Obertöne die Schweizer Pianistin dem Flügel und seinem Resonanzraum zu entlocken weiß, ist immer wieder ein Vergnügen. Mit ihren Trio-Kollegen Drew Gress (Bass) und Kenny Wollesen (Drums) kreierte Courvoisier subtile Klangräume, die aus sperriger Abstraktion ins hypnotisch Fließende führten und dabei von enormem Variantenreichtum und musikalischer Freiheit zeugten.

„Briten rockten sich in die Herzen“

Freunde des gepflegten Grooves kamen dann bei „Get the Blessing“ auf ihre Rechnung: Bassist Jim Barr und Drummer Clive Deamer bildeten einst die Rhythmussektion der Trip-Hop-Kultband „Portishead“, nun erschaffen sie - flankiert von einem Bläser-Duo - druckvolle Instrumentalmusik, die Jazz-, Rock- und Pop-Elemente mühelos vereint. Unaufgeregt, mithilfe ihrer zielgenau eingesetzten Effektgeräte rockten sich die vier Briten in die Herzen des Publikums.

Shepp: Kumpan von Coltrane und Cherry

Nach einer Erholungspause - das US-Trio „Stirrup“ bot leichtfüßige Kammermusik - stand abends der Auftritt von Archie Shepp auf dem Programm. Der einstige Weggefährte von Don Cherry und John Coltrane zählt auch mit 77 Jahren zu jenen wenigen Jazz-Legenden, die immer noch etwas zu sagen haben. Intonationstechnisch traditionell neben der Spur, bewies der US-Tenorsaxofonist im Verbund mit dem superben Trio von Joachim Kühn viel Herz und Seele. Der 70-jährige deutsche Klavier-Weltenbummler schuf mit dem perkussiv agierenden Drummer Ramon Lopez und dem marokkanischen Sänger und Guembri-Bassisten Majid Bekkas treibende, afrikanisch gefärbte Klang-Strukturen, über die Shepp seine hochenergetischen Soli legte. Das Publikum feierte die beiden Altmeister - ein emotionaler Abschluss des starken Festivaljahrgangs.

Florian Oberhummer, Austria Presse Agentur

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