Gefälschte Doktorarbeiten: Zu viel Feigheit?

Was haben der Entzug des Doktortitels der deutschen Ministerin Annette Schavan (CDU) und ihr Rücktritt mit der Plagiatsdebatte über Österreichs EU-Regionalkommissar Johannes Hahn (ÖVP) zu tun? Ein Experte vergleicht und vermisst Zivilcourage bei der Kritik an Österreichs Politikern.

Hörsaal

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Hörsaal an der Universität

Samstag ist die deutsche Bildungsministerin Schavan (CDU) zurückgetreten, nachdem ihr schon vor Tagen von der Uni Düsseldorf der Doktortitel entzogen worden war - wegen des schweren Verdachts des Abschreibens - mehr dazu in news.ORF.at.

Freunderlwirtschaften?

In der Debatte wird mittlerweile auch kritisiert, dass es oft - auch in Österreich - eine zu große persönliche Nähe zwischen künftigen Doktoren und Doktorinnen und ihren akademischen Betreuern bzw. „Doktor-Vätern" oder "-Müttern“ gebe.

Der Salzburger Medienwissenschaftler Stefan Weber hatte vor Jahren kritisiert, auch der damalige Wissenschaftsminister und nunmehrige EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) habe bei seiner Dissertation von anderen Leuten abgeschrieben, ohne diese zu zitieren.

„Mangelnde Zivilcourage in Österreich“

Warum die beiden Fälle ganz unterschiedlich ausgingen, dafür seien unter anderem kulturelle Unterschiede verantwortlich, sagt ein Salzburger Experte. In Österreich geriet Hahn vor sechs Jahren unter Plagiatsverdacht. Doch die Vorwürfe des Salzburger Medienwissenschaftlers Stefan Weber, dass Hahn in seiner Dissertation die von anderen Autoren übernommenen Textstellen nicht hinreichend gekennzeichnet hätte und seinen Doktortitel erschlichen hätte, wurden nach offizieller Lesart Hahns entkräftet.

Der Umgang mit Plagiaten in Deutschland sei wegen des dort herrschenden Arbeitsethos meistens viel strenger als in Österreich, sagt dazu der Wissenschaftsforscher Gerhard Fröhlich von der Universität Linz: „Das protestantische Arbeitsethos greift dort auch in katholischen Ländern. Wir Österreicher neigen doch dazu, mit Leuten zu sympathisieren, die sich ein bisschen durchschlängeln.“

Selbst Professoren zu wenig mutig?

Gerhard Fröhlich sieht auch einen Unterschied in der Zivilcourage: „Unseren Aufruf damals, dass Hahns Dissertation genau untersucht werden sollte, haben damals mit Müh und Not 80 Leute unterschrieben. Viele Ordinarien und Professoren waren über den Aufruf begeistert, die uns angerufen haben. Aber unterschrieben hat keiner - weil das kann man doch nicht bei einem Herrn Minister. Selbstverständlich sieht man auch da, dass in Österreich die Zivilcourage geringer ist als in Deutschland.“

Hahns Anwalt weist Kritik zurück

Der Anwalt von Johannes Hahn kommentiert die Vorwürfe so: „Die Dissertation von Dr. Hahn ist 2011 von der unabhängigen Agentur für wissenschaftliche Integrität im Auftrag der Universität Wien untersucht worden, die - und das ist wesentlich - zwei ausländische Gutachter beauftragt hat. Das Ergebnis ist bekannt und eindeutig: Die Arbeit ist kein Plagiat. Das ist zur Kenntnis zu nehmen und die Sache erledigt.“ Diese Gutachten über Hahns Dissertation seien aber geheim, kritisiert der Experte Gerhard Fröhlich.

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