Gemischte Reaktionen: Israelische Experten für Salzburg?

Salzburgs SPÖ auf Landesebene, Grüne, NEOS, Teile der ÖVP und die Uni machen nun Vorschläge, um die gealterte Israelitische Kultusgemeinde zu retten. Einige Politiker befürworten den Zuzug junger Wissenschaftler und Techniker aus Israel.

Wilfried Haslauer ÖVP

Gerald Lehner

Landeshauptmann Haslauer

Der Vorschlag der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg (IKG) - gezielt israelische Fachleute zum Arbeiten nach Salzburg einzuladen - sei in der Praxis kaum umsetzbar. Aus der Sicht ihres Präsidenten Marko Feingold sei die Idee jedoch durchaus verständlich. So reagiert Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) auf diese Debatte: „Ich möchte dazu grundsätzlich anmerken, dass ich mir der historischen Verpflichtung und Verantwortung unseres Landes sehr bewusst bin. Die jüdische Gemeinde ist eine große Bereicherung für Salzburg und Österreich, und ganz besonders schätze ich den Herrn Präsidenten Feingold, den ich auch persönlich kenne und immer wieder treffe.“

Regierungschef sieht Ball bei Wirtschaft

Die Rekrutierung von Fachkräften in Mangelberufen aus dem Ausland sei jedoch primär eine Aufgabe der heimischen Wirtschaft, ergänzt Haslauer.

Marko Feingold

Gerald Lehner

IKG-Präsident Feingold: Der ORF hat nun Salzburger Politiker zu seinem Vorschlag befragt ...

Und die Wirtschaft bemühe sich – je nach Ausrichtung der Unternehmen – intensiv um qualifizierte Fachleute. Die Rahmenbedingungen seien jedoch bundesgesetzlich geregelt, so Haslauer, der auch - derzeit nicht praktizierender - Rechtsanwalt ist. Er verweist auf den Nationalrat in Wien: „Spezifische Salzburger Regeln für mehr Kooperationen mit Israel wären hier schon aus Gleichheitsgründen schwer vorstellbar. Es kann auch - rein rechtlich - beim Zuzug von Fachkräften nicht nach Herkunft oder Religion unterschieden werden.“

„Rechtlich zuständig wäre der Bund“

Der Salzburger Landeshauptmann fände jedoch neue Projekte sehr sinnvoll, bei denen der wissenschaftliche und kulturelle Austausch sowie die zwischenstaatliche Kommunikation gefördert würden: „Solche Initiativen könnte das Land Salzburg sehr wohl unterstützen, wie wir es derzeit auch bei der Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der Shoah tun.“

Feingolds Zukunftsvision - was bisher geschah:

Marko Feingold kämpft als ehrenamtlicher und weltlicher Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg nun schon länger gegen die dauernd zunehmende Überalterung und den absehbaren Schwund seiner Gemeinschaft. Der fast 106-Jährige ist weiter fit und beobachtet das Zeitgeschehen mit großem Interesse.

Feingold weiß von eigenen Reisen nach Israel und aus der internationalen Presse, dass auch israelische Wissenschafter und Ingenieure weltweit führend sind - in Computertechnik, Internet, Naturwissenschaften und Medizin: „Beispielsweise stammen viele moderne und weltweit beliebte Anwendungen für Smartphones, Tablets und andere Computer von dort. Auch in der Medizin tut sich viel Neues in Jerusalem, Tel Aviv und anderen Universitätsstädten.“

Der Salzburger IKG-Präsident träumt davon, dass Politik, Wirtschaft, Forschungs- und Wissenschaftsbetrieb in Österreich und Salzburg einige junge Experten und ein paar Familien aus Israel durch gute Bedingungen abwerben könnten - auch als Mittel gegen den heimischen Fachkräftemangel in Gegenwart und Zukunft.

Dem ORF sagte Feingold vor einigen Wochen, noch immer hoffe er auf die Unterstützung durch Landes- und Bundespolitik für die ohnehin sehr kleine Kultusgemeinde.

Ein mögliches Ende der Kultusgemeinde in Salzburg wäre für Stadt und Land höchst bedauerlich und ein großer Verlust, so Haslauer. Für konkrete Projekte der Kultusgemeinde sei er sehr offen: „Neben dieser Unterstützung müssen wir für ein gesellschaftliches und politisches Klima sorgen, in dem für Antisemitismus und Vorurteile kein Platz ist.“

Grüne: Schellhorn vehement dafür

„Es wäre sehr traurig und beschämend, wenn jüdisches Leben in unserer Stadt nicht mehr möglich sein sollte“, sagt dazu Haslauers Koalitionspartner, der Vize-Regierungschef und Kulturreferent Heinrich Schellhorn (Grüne). Neben einer stärkeren Zusammenarbeit mit Israel müssten auch die Bildungsarbeit und der Kampf gegen den Antisemitismus verstärkt werden: „Österreich und Salzburg müssen sicherstellen, dass jüdische Menschen in unserem Land ohne Ängste leben können.“ Auch die Versäumnisse der Zweiten Republik beim Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit würden eine Rolle spielen: „Versäumnisse gab es auch beim Umgang mit den Menschen, die aus Österreich vertrieben wurden und beim fairen Umgang mit den Nachkommen der Opfer der Shoah.“

Der grüne Politiker sähe es als Gewinn für das ganze Bundesland, wenn sich israelische Wissenschafter und Ingenieure – Frauen und Männer – in Salzburg ansiedeln würden. Mögliche Programme will Schellhorn fördern: „Gleichzeitig unterstütze ich jede Initiative der Bundesregierung, gezielte Maßnahmen beim Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht zu setzen, damit Aufenthaltsgenehmigungen für israelische Fachleute unbürokratisch und rasch möglich sind.“ Außerdem befürwortet er die Bestrebungen auf Bundesebene, den Nachkommen von vertriebenen oder ermordeten Juden die österreichische Staatsbürgerschaft anzubieten.

SPÖ: Steidl will Kooperationen forcieren

Auch Walter Steidl, Oppositionsführer der SPÖ im Salzburger Landtag, will die Kultusgemeinde in Salzburg stärken. Er schlägt neue Programme zum Austausch von Schülern und Studenten zwischen Israel und Salzburg vor. Das Land solle hier aktiv werden, Geld in gemeinsame Bildungsprogramme investieren und schon vorhandene Kontakte ausbauen. Dazu möchte Steidl die Universität Salzburg und Fachhochschulen dabei unterstützen, neue Forschungsprojekte mit Unis in Israel auf die Beine zu stellen.

Walter Steidl (SPÖ) am Wahlabend

ORF/Hummer

SPÖ-Chef Steidl

Zusätzlich sollten sich Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer und Industriellenvereinigung engagieren, um neueste Technologie und Fachleute aus Israel nach Salzburg zu bringen. Auch in den Bereichen Kunst, Kultur und Sport sollten die Kontakte ausgebaut werden, sagt Steidl. Und die Salzburger Land Tourismus Gesellschaft sollte ihre Werbung in Israel verstärken. Die neue Flugverbindung von Salzburg nach Tel Aviv sei schon ein guter Anfang, so der sozialdemokratische Parteichef in Salzburg. Einige seiner Familienmitglieder haben schon seit Jahren intensive Kontakte zu Israel - über zeitgeschichtliche Forschungsprojekte.

FPÖ: Svazek sieht es ähnlich wie Haslauer

Die Landesparteivorsitzende und Fraktionschefin der Salzburger Freiheitlichen im Landtag ist Marlene Svazek.

Marlene Svazek FPÖ Politik

APA/Franz Neumayr

FPÖ-Chefin Svazek

Sie beurteilt die Lage so: „Losgelöst von jeglicher Herkunft und Religionszugehörigkeit gibt es gesetzliche Regelungen, wie mit Fachkräften aus dem Ausland umzugehen ist. Wenn jemand aus Israel besondere Qualifikationen und ein positives Gutachten auf das Ansuchen der Rot-Weiß-Rot-Karte vorweist, steht der Teilnahme am österreichischen Arbeitsmarkt überhaupt nichts entgegen.“

Wenn es Bestrebungen gebe, die Israelitische Kultusgemeinde in Österreich und Salzburg zu stärken und mit konkreten Projekten zu unterstützen, dann solle dem auch nichts im Weg stehen, so Svazek: „Ich schätze Marko Feingold und seinen seit Jahren engagierten Einsatz sehr. Die Hauptverantwortung für eine gedeihliche Entwicklung der Kultusgemeinde liegt aber bei dieser selbst.“

Uni-Rektor Schmidinger: „Gute Idee“

Der Vorschlag von Marko Feingold sei sehr gut, findet Heinrich Schmidinger, Rektor der Universität Salzburg. Diese solle künftig verstärkt Experten aus Israel einladen, sich auf ausgeschriebene Stellen zu bewerben: „Es wäre schon ein erster Schritt, wenn der Wissens- und Technologie-Standort Salzburg in Israel bekannter gemacht und besser beworben würde.“

Heinrich Schmidinger, Rektor der Universität Salzburg

ORF

Uni-Rektor Schmidinger

Es wäre sehr zu bedauern, wenn die Kultusgemeinde in Salzburg mittelfristig verschwinden würde, wenn nicht bald etwas Konkretes getan werde. Schmidinger betont, eine lebensfähige Synagoge gehe das ganze Land an: „Das Thema berührt die Identität Salzburgs. Juden haben hier über Jahrhunderte viel zur regionalen Kultur beigetragen. Sie haben auch viel gelitten, und wir sollten dringend zu unserer Gemeinde stehen.“ Persönlich engagiere er sich schon seit 15 Jahren, so der Rektor: „Wir haben damals das Zentrum für jüdische Kulturgeschichte an der Universität gegründet. Schon damals war die Problematik absehbar, um die es jetzt geht.“

Bürgermeister Preuner als Befürworter

Ein sehr wichtiger Schritt sei, die vielen Beiträge der jüdischen Kultur zu Geschichte und Gegenwart in Österreich stärker herauszustreichen. Das sagt Salzburger Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP). Das betreffe besonders die Salzburger Festspiele und die internationale Bedeutung des Schriftstellers und Wahl-Salzburgers Stefan Zweig.

Preuner als neuer Bürgermeister angelobt

APA / NEUMAYR / MMV

Bürgermeister Preuner (ÖVP)

Zum Vorschlag von IKG-Chef Feingold, verstärkt Experten aus Israel nach Salzburg einzuladen, sagt Preuner: „Das sollten wir ernsthaft ins Auge fassen. Der Fokus sollte nicht nur auf Israel liegen, sondern auch auf jüdischen Gemeinden in Osteuropa. Es sollte alles Menschenmögliche getan werden, um ein mögliches Ende der Kultusgemeinde in Salzburg abzuwenden.“ Die Stadt Salzburg müsse sich hier verstärkt ihrer Verantwortung stellen: "Es ist vorstellbar, dass die Stadt auch konkrete Patenschaften für Projekte und Personen übernimmt, damit es auch weiterhin jüdisches Leben in unserer Stadt für die Zukunft gesichert werden kann.“

Preuner ergänzt, Werke von Stefan Zweig würden zu den Büchern zählen, die er am liebsten lese – allen voran die „Sternstunden der Menschheit“. Es freue ihn sehr, dass nach Zweig nun auch ein Platz in der Landeshauptstadt benannt sei. Als Stadtpolitiker habe er schon seit Jahren gute Kontakte zur Redaktion der jüdischen Kulturzeitschrift „David“. Diese habe immer wieder ausführliche Hintergrundberichte über jüdische Kultur in Salzburg publiziert.

Vizebürgermeister Auinger ambivalent

Es spiele für ihn keine Rolle, woher die in Zukunft dringend benötigten Arbeitskräfte kommen – zum Beispiel auch im Pflegebereich. Das sagt Salzburgs Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) zu dem Thema: „Sollten die guten Kontakte von Herrn Feingold nach Israel in diesem Bereich behilflich sein, dann sind wir gut beraten, diese zu nutzen. Er ist über alle Parteigrenzen hinweg ein geschätzter Brückenbauer – mit einer mehr als beeindruckenden Lebensgeschichte.“

Bernhard Auinger

ORF

Vize-Bürgermeister Auinger (SPÖ)

Aus vielen Gespräche mit Feingold wisse er, so Auinger, dass dieser große Schwierigkeiten habe, einen Nachfolger für die Kultusgemeinde zu finden: „Andererseits bereitet ihm die schwindende Mitgliederzahl großes Kopfzerbrechen. Wenn wir ihn als Stadtpolitiker unterstützen können, dann bin ich gerne dazu bereit. Ansonsten ist es die Aufgabe der Kultusgemeinde, diese Thematik zu lösen. Wie ich Herrn Feingold kenne, wird er dafür alle Hebel in Bewegung setzen. Sollte er die Unterstützung der Stadt benötigen, dann habe ich für seine Anliegen stets ein offenes Ohr.“ Die Kultusgemeinde sei in Salzburg sehr gut verankert: „Dennoch muss ich festhalten, dass die Stadt Salzburg nicht für die Anzahl der Mitglieder von Glaubensgemeinschaften verantwortlich ist.“

NEOS: Schellhorn fordert Soforthilfe

Bei der Zusammenarbeit mit Israel gebe es großen Nachholbedarf. Und der Vorsprung israelischer Experten auf vielen Fachgebieten könne auch dem Land Salzburg nützen. So beurteilt der Hotelier, Haubenkoch und Promi-Wirt Sepp Schellhorn die Lage, Nationalratsabgeordneter der NEOS und deren Parteichef in Salzburg: „Wir bräuchten rasche Zuwanderung von Fachleuten, die in den so genannten MINT-Fächern ausgebildet sind.“ Damit sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gemeint.

Josef Schellhorn Goldegg NEOS

NEOS-Parlamentsklub

Schellhorn, Nationalsratsabgeordneter (NEOS)

Dass die Israelitische Kultusgemeinde in Salzburg vor dem Aus stehe, sei sehr besorgniserregend, so Schellhorn: „Wir müssen alles für den Weiterbestand tun. Österreich und Salzburg haben hier eine große Verantwortung.“

Der NEOS-Landeschef will mit seinen Parteifreunden dazu beitragen, dass mit der Kultusgemeinde Salzburg noch mehr Dialog zustande kommt: „Wichtig ist, dass auch die lange Geschichte der jüdischen Kultur im Alpenraum der Bevölkerung stärker vermittelt wird. Das ist auch eine Aufgabe für alle demokratischen Parteien."

Haller verweist auf lange Zusammenarbeit

Auch die grüne Gemeinderätin Ingeborg Haller hat dem ORF auf die via E-Mail übermittelten Fragen geantwortet: „Örtliche Initiativen von Unternehmen, die Menschen aus Israel mit besonderem Fachwissen nach Salzburg holen wollen, würde ich selbstverständlich unterstützen. Österreich hat aber ein sehr restriktives System der Zuwanderung. Und Fachkräfte können sich nur im Rahmen der bestehenden Regelungen niederlassen. Diese Bestimmungen können nur auf Bundesebene geändert werden. Auf Ebene der Stadtpolitik sollten wir eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in Israel ins Auge fassen. Dabei könnte auch eine Zusammenarbeit von Universität und Fachhochschule eingefädelt werden, um junge Fachleute nach Salzburg (und umgekehrt) zu bringen.“

Ingeborg Haller Bürgerliste

buergerliste.at

Gemeinderätin Haller

Das Problem mit der schwindenden Mitgliederzahl der Kultusgemeinde sei ihr schon länger bekannt, so Haller: „Im Rahmen der Aktion Stolpersteine arbeite ich schon lange mit Marko Feingold und seiner Frau Hanna zusammen. Auf meine Initiative hin haben wir ihn zu seinem 105. Geburtstag in den Gemeinderat eingeladen. Er hielt dann eine sehr interessante und stark beachtete Rede. Es gab dabei wieder viel Anerkennung und Wertschätzung für seine unermüdliche Arbeit.“

Kritische Töne von Stadtrat Padutsch

Der bald aus der Politik ausscheidende Stadtrat Johann Padutsch (Bürgerliste) sagt, die Fragestellung falle nicht in den Kompetenzbereich der Stadt Salzburg: „Der Fachkräftemangel kann generell ohne geordneten Zuzug nicht gelöst werden. Wenn solche Experten aus Israel kommen, dann soll es mir recht sein. Zu bedenken ist allerdings, dass erst welche gefunden werden müssen, die das auch wollen.“ Kehrseite der Medaille sei, dass diese Fachleute dann zu Hause fehlen, was wiederum die Entwicklungschancen dort schmälere.

Johann Padutsch Bürgerliste

ORF

Padutsch

Padutsch ergänzt, er könne sich kaum vorstellen, wie das gesellschaftliche Leben in Salzburg eines Tages ohne IKG-Chef Marko Feingold aussehen soll: „Ich schätze ihn außerordentlich. Dass die Kultusgemeinde unter Mitgliederschwund leidet, das ist sehr bedauerlich. Um ehrlich zu sein, sie lebt ja schon seit längerer Zeit vom Engagement von Marko Feingold und seiner Frau. Aber was sollen wir als Politiker unternehmen? Jede Institution lebt vom Engagement ihrer Mitglieder. Fällt das weg, dann kann es wohl keine Zukunft geben – auch wenn das im Fall der Kultusgemeinde sehr bedauerlich wäre, und ich ideell sehr für ihre Erhaltung eintrete.“

Gerald Lehner - ORF Radio Salzburg/salzburg.ORF.at

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