NS-Straßennamen: Umbenennungen weiter fraglich
Am Freitag präsentierte das Stadtarchiv die Liste mit Straßen und Plätzen in der Landeshauptstadt, die eine „braune“ Vergangenheit haben. Bis 2020 erstellt die Stadt Biografien der Namenspaten der NS-belasteten Straßen.
Gerald Lehner
Darunter sind zum Beispiel der Bildhauer Josef Thorak oder der Dirigent Herbert von Karajan. Ein Fachbeirat soll nun dem Gemeinderat empfehlen, wie mit den Forschungsergebnissen über die einzelnen Personen umgegangen werden soll, ob es Zusatzinfos auf Erläuterungstafeln geben soll, oder ob eine Straße eventuell auch umbenannt werden muss.
Historiker kategorisieren Biografien
Bis die Stadtpolitik über Straßen- und Platzumbenennungen entscheidet, wird es nach Jahrzehnten der Streitereien und Debatten voraussichtlich noch weiter zwei Jahre dauern. Seit 2015 wird an den Erläuterungstafeln für Straßennamen gearbeitet. Ein Team von Historikern bildet seither den Fachbeirat, der die Stadtpolitik mit Informationen versorgen soll.
Die Forscher teilen die von der NS-Zeit belasteten Namen in Kategorien von eins bis drei ein. „Kategorie drei heißt, dass die NS-Belastung einer Person derart groß ist, dass der Beirat auf Grund seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse an die Politik die Empfehlung zu einer Straßenumbenennung gibt“, sagte Sabine Veits-Falk vom Stadtarchiv Salzburg.
Erläuterungstafeln für Kritiker zu knapp
Der Herbert von Karajan-Platz erhielt bereits eine Erläuterungstafel. Doch die Informationen darauf sind knapp. Einige Kritiker meinen, die Erklärtafeln seien zu knapp, weil der berühmte Dirigent gleich zwei Mitgliedsnummern der NSDAP hatte und im Dienst der NS-Propaganda Konzerte dirigierte. Wir müssen uns im Fachbeirat auf bei den Erläuterungstafeln auf 200 Zeichen reduzieren, das ist eine Knochenarbeit. Und da fällt notwendigerweise auch vieles weg, was man selbst als Individuum gerne oben stehen hätte", erklärt Historiker Johannes Hofinger.
Allein Stadtteil Aigen bekommt 42 Tafeln
Im Stadtteil Aigen sollen noch 42 dieser knappen Tafeln aufgestellt werden. Alois Lidauer war zum Beispiel ein Salzburger Bildhauer, der eine bekannte Hitler-Büste produzierte und bei der Hitlerjugend eine führende Rolle spielte. Nach 1945 trat er wieder in die katholische Kirche ein und engagierte sich für sakrale Kunst. Die Informationstexte zu diesen Namen findet man auf der Website der Stadt Salzburg.
Gerald Lehner
Neue Straßenschilder frühestens ab 2020
In der Josef-Thorak-Straße in Salzburg-Aigen gibt es seit Jahren Schmieraktionen und Forderungen nach der Umbenennung der Straße. Müsse es denn sein, dass ihre Straße ausgerechnet nach Hitlers Lieblingsbildhauer benannt sei, fragen sich etliche Anrainer. Andere wiederum sind gegen einen neuen Namen.
Nun heißt es, frühestens 2020 könne es neue Straßenschilder geben. „Für mich ist eine Umbenennung denkbar. Und darum ist es mir wichtig, dass alles abgeschlossen werden muss. Und dass wir nicht, wegen Zuruf von außen, eine Straße einzeln umbenennen, sondern es ganzheitlich angehen. Denn ich glaube schon, dass es mehrere Straßen betreffen wird“, sagt dazu der neue SPÖ-Vizebürgermeister Bernhard Auinger.
„Vertröstungen ist man schon gewohnt“
Die Debatten laufen allerdings schon seit Jahrzehnten - bisher ohne konkrete Ergebnisse im politischen Handeln. Kritiker der Stadtpolitik, die über sehr lange Zeiträume sozialdemokratisch dominiert war, seien bei dem Thema bisher immer abgeblitzt, sagt dazu der Historiker und freiberufliche Schriftsteller Gert Kerschbaumer: „Institutionelle Erinnerungslücken und Vertröstungen im Mehrjahresrhythmus ist man mittlerweile in Salzburg schon gewohnt.“
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NS-belastete Straßennamen
Mehr als 60 nationalsozialistisch-belastete Straßennamen gibt es in der Stadt Salzburg.
Links:
- Hitlers Künstler: Neuer Vorschlag im Straßenstreit (salzburg.ORF.at; 14.9.2017)
- NS-Straßennamen: Antrag für Umbenennungen (salzburg.ORF.at; 21.9.2016)
- NS-Straßennamen: NEOS fordern Gesamtkonzept (salzburg.ORF.at; 16.9.2016)
- NS-Künstler Thorak: „Straßendebatte immer grotesker“ (salzburg.ORF.at; 15.9.2016)
- NS-Künstler: „Unendliche“ Affäre um Straßenschilder? (salzburg.ORF.at; 16.8.2016)
- FPÖ zu Kritik an NS-Künstler: „Gesinnungsterror“ (salzburg.ORF.at; 4.8.2016)
- NS-Künstler Thorak: Straßenschilder gestohlen (salzburg.ORF.at; 3.8.2016)
- Kastner und Toporis beschreiben ihre Kunstaktion
- NS-Künstler Thorak: Straßenschilder erneuert (salzburg.ORF.at; 23.6.20169
- Schilder der Thorak-Straße beschmiert (salzburg.ORF.at; 25.5.2016)
- Kunst im Kurpark gegen Thorak-Kult (salzburg.ORF.at; 4.5.2016)
- Kunstmarathon gegen Hitlers Bildhauer (salzburg.ORF.at; 25.4.2016)
- Thoraks Hitlerbüste in Danzig gefunden (salzburg.ORF.at; 5.11.2015)