Plagiatsjäger: „Problembewusstsein steigt“

Eine angeblich in Teilen abgeschriebene Doktorarbeit hat zuletzt den designierten Staatsoperndirektor Bogdan Roščić in Bedrängnis gebracht. Angezeigt wurde er bei der Uni Wien vom langjährigen Salzburger Plagiatsjäger Stefan Weber.

Seit 15 Jahren prüft der Plagiatsexperte Stefan Weber wissenschaftliche Arbeiten darauf, ob sie abgeschrieben, also Plagiate sind. Weber begann einst damit, weil er selbst betroffen war: „Ich habe festgestellt, dass von meiner eigenen Doktorarbeit insgesamt drei Mal abgeschrieben wurde. Ich habe zunächst eine Dissertation in Deutschland entdeckt, und da war ich echt sprachlos. Das war im Jahr 2006. Da habe ich gesehen, dass knapp 100 Seiten wirklich am Stück - also 1:1 - aus meiner Arbeit übernommen wurden. Und ich bin da mit keinem Wort erwähnt worden.“

Auftraggeber oder anonyme Hinweise

Grundsätzlich könne auch ein einziger Satz plagiiert sein, sagt Weber: „Wenn der Satz wirklich eine geniale Entdeckung von jemand anderem ist - gerade in der Philosophie ist so etwas möglich - und ich tue so, als wäre es meine Erkenntnis. Ich kann zum Beispiel eine forschungsleitende These klauen und sie zu meiner These machen. Das ist auch ein Plagiat.“

Weber entscheidet nicht immer selbst, welche Arbeit er prüft und welche nicht. Er hat Auftraggeber, die ihn engagieren, oder er bekommt anonyme Hinweise: „Bevor ich eine wissenschaftliche Arbeit auf Inhalt und auf Qualität prüfe, mache ich eine Plagiatsprüfung. Das heißt nicht, dass ich einen Generalverdacht hätte. Das gehört einfach in der heutigen Zeit dazu. Wenn wir sehen, dass geschummelt wird, müssen wir das machen. Solche qualitätssichernden Mechanismen gibt es ja in vielen anderen Systemen und Prozessen auch.“

„Habe Fans und Hasser gleichzeitig“

Der Fall Roščić ist einer von vielen. Immer wieder tauchen prominente Namen auf, die in ihren Diplom- oder Doktorarbeiten abgeschrieben haben sollen. Stefan Weber ist dann immer auch mit Öffentlichkeiten und Medien konfrontiert: „Es wird mir tatsächlich zugetragen, dass ich Fans und Hasser gleichzeitig habe. Es gibt Leute, auch Journalisten, die rufen mich an und sagen, dass sie Fans von mir seien. Sie fänden es gut, dass ich das oder das aufgedeckt habe. Es gibt aber natürlich auch Leute, die glauben, dass ich aus anderen Motiven handle. Die hassen mich dann.“

Er könne diesen Leuten nur versichern, dass er seine Arbeit nur deshalb mache, weil ihn Plagiate sehr ärgern, ergänzt Weber: „Natürlich ist diese Arbeit ein Standbein neben meinem ‚normalen‘ Job, mit dem ich auch Geld verdiene. Aber ich habe klar gesagt, dass ich zum Beispiel nicht Aufträge aus jeder politischen Richtung annehmen würde. Besonders bei Aufträgen aus einer bestimmten politischen Richtung würde ich sehr genau abwägen, ob ich das machen würde.“

90 von 500 untersuchten Arbeiten abgeschrieben

Von 500 wissenschaftlichen Arbeiten waren bisher 90 abgeschrieben, sagt Weber: „Das Problembewusstsein nimmt zu, aber die Schwindelbereitschaft nimmt nicht ab. Man braucht sich nur durch die einschlägigen Internetforen googlen. Dann sieht man, wie viele Hilferufe es dort gibt. Jemand schreibt zum Beispiel: ‚Hilfe, ich schreibe gerade meine Masterarbeit, aber ist das jetzt ein sinngemäßes Zitat, oder habe ich schon plagiiert?‘ Da finden sie hunderte, wenn nicht tausende Einträge in studentischen Foren.“

Das weise darauf hin, dass ein Problembewusstsein und auch eine Verunsicherung da sei. Daher stelle sich die Frage, woher die kommt, sagt Stefan Weber: „Ich sage dazu ganz plump, dass viele Skripten und Lehrbehelfe nicht auf die aktuelle Situation eingehen. Dass wir jetzt im globalen Zeitalter des Web leben, und dass die erste Adresse nicht mehr der Brokhaus oder ein anderes Lexikon ist.“

Höhepunkt zwischen 2004 und 2005

Vor 20 Jahren war das wissenschaftliche Arbeiten noch anders. Mit dem Internet sei es viel leichter geworden, Ideen zu verarbeiten, die nicht von einem selber kommen, sagt Weber: „Plagiate, die durch das Internet kommen und durch das Herauskopieren aus Versatzstücken aus dem Internet entstanden sind, die hatten einen Höhepunkt in den Jahren 2004 und 2005. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich jetzt noch im Bachelor-Seminar Plagiatoren habe, die ich mit ‚nicht beurteilt‘ entlassen muss. Das Problem zieht sich bis zum heutigen Tag durch - auch in meiner eigenen Lehrtätigkeit.“

In bisher elf Fällen, die Stefan Weber unter die Lupe nahm, wurden rechtskräftig die akademischen Grade aberkannt. Wie es im aktuellen Fall mit der Doktorarbeit des designierten Staatsopernchefs Bogdan Roščić weitergeht, das wird sich in den nächsten Monaten zeigen.

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