Philosoph: „Smartphones sind Schnuller“

Smartphones seien Schnuller für alle, und Studenten an Unis würden immer infantiler und dümmer, sagte der koreanisch-deutsche Philosoph Byung-Chul Han in Salzburg. Er bekam am Mittwoch den Landespreis für Zukunftsforschung.

Als Salzburgs Landesrätin Martina Berthold (Grüne) dem Gast aus Berlin am Mittwochabend nach ihrer Rede das Mikrophon übergab und fragte, ob Han seine Urkunde für den Landespreis vor oder nach seiner eigenen Dankesrede bekommen wolle, sagte der Philosoph: „Ich brauche überhaupt keine Urkunde. Die Frau Landesrätin muss zehn Rosenkränze für mich beten.“

Zuhörer schmunzelten, schluckten, hörten

Den Landespreis selbst bedachte Han dann mit einem Wort aus der menschlichen Verdauung, das wir hier nicht zitieren wollen. Man hätte in diesem Moment eine Stecknadel fallen hören können. Dann Schmunzeln bis Gelächter im fast vollen Saal. Manche schienen auch erstarrt zu sein.

Byung-Chul Han

S. Fischer Verlag

Die Dankesrede von Han für den Salzburger Landespreis 2016 entsprach den Phänomenen des Politisch-Korrekten und des Gender-Mainstreamings eher nicht: „Viele Idioten ohne Hausverstand“

Eine Dankesrede wie die des an der Berliner Universität der Künste lehrenden Philosophen und Kulturwissenschafters Han dürfte es in Europa bisher kaum gegeben haben. Der Gelehrte betonte, er sei trotz einer akuten Infektion zu dieser Preisverleihung nach Salzburg gereist, habe Medikamente geschluckt und werde sich dennoch bemühen, seine Rede zu halten. Spätestens hier dachten manche an mögliche Wechselwirkungen - noch dazu, weil eine Flasche Bier auf dem Rednerpult stand; noch verschlossen.

„Die Uni macht krank, das ganze System ist krank“

Der in vielen Feuilletons der deutschsprachigen Presse von Edelfedern gelobte Denker ließ sinngemäß dann weiter anklingen, seine aktuelle Erkrankung sei wohl auch somatisch bedingt. Denn seine Infektion und seine Wirbelsäulenprobleme gingen zurück auf die Tatsache, dass ihn der Universitätsbetrieb krank mache. Er werde schon demnächst seine Professur in Berlin niederlegen.

Byung-Chul Han sagte im fast vollen Publikumsstudio des ORF Salzburg, dass im akademischen Bereich viele „Idioten ohne Hausverstand“ tätig seien: „Die Uni macht krank. Das ganze System ist psychisch krank.“

„Gesellschaft ist extrem prüde“

In der Folge kritisierte Byung-Chul Han, dass die von Mobiltelefonen beherrschte, moderne und politisch korrekte Gesellschaft im Spätkapitalismus noch viel leib- und lustfeindlicher und „viel prüder als das Viktorianische Zeitalter“ (im Großbritannien des 19. Jahrhunderts) sei: Gleichzeitig seien überall Pornos zu sehen im Internet, und „Pornos sind die Ersatzsexualität“ unserer Zeit, so der Philosoph. Danach philosophierte er über seine noch auf dem Rednerpult stehende Bierflasche und den Schaum, der auf Bier entsteht: „Muss Bier aus Österreich immer gut sein? Ich sage: Nein.“ Hitler sei ja auch aus Österreich gewesen: „Und der war nicht gut.“

„Eltern, Freunde belogen“

Der 57-jährige, sportlich und ziemlich jung wirkende Gast erzählte seinem Publikum - das sich augenscheinlich in Verduzte, Überraschte, Beleidigte und Begeisterte gliederte - spontan ein wenig von seinem akademischen Werdegang. Zum Beispiel wie er schon mit 22 Jahren nach Deutschland gekommen sei: „Ich war ja auch ein Flüchtling, habe zu Hause meine Eltern und Freunde belogen und bin nach Europa gezogen.“

Byung-Chul Han

Gerald Lehner

Han im vollen Publikumsstudio im ORF Salzburg am Mittwochabend

Laudator Firlei lobt Han als Analytiker

Vor der Rede des Philosophen hatte der Salzburger Arbeitsrechtler und Universitätsprofessor Klaus Firlei die Laudatio auf den Preisträger gehalten. Firlei ist auch Präsident des Kuratoriums der Robert-Jungk-Stiftung. Han sei einer der ganz großen Philosophen unserer Zeit, sagte Firlei. Er biete in seinen Büchern viele Analysen des Kapitalismus und der modernen Gesellschaft, die bahnbrechend seien.

So ging es auch manchem Klischee ein wenig an den Kragen. Das klassische Menschenbild der Linken, wonach es Ausbeuter und Ausgebeutete gebe, werde durch Han zum Einstürzen gebracht, so Firlei. Der Philosoph Han zeige, dass es heute immer weniger klassische Fronten und Arbeitskämpfe gebe, weil die Bruchlinien der sozialen Widersprüche und Missstände der Gesellschaft mitten durch die Menschen selbst hindurchgingen. Diese seien zwischen verschiedensten Interessen und sich selbst zerrissen, quasi Ausbeuter und Ausgebeutete in einem. Firlei sprach in diesem Zusammenhang von einer immer stärker „erschlaffenden und immer depressiveren Gesellschaft“. Schlaff war dieser Abend nicht.

Gerald Lehner, salzburg.ORF.at

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