NS-Künstler Thorak: Straßenschilder gestohlen

Die Salzburger Affäre und die Debatte um „Hitlers Lieblingsbildhauer“ Josef Thorak weiten sich aus. Die vor Wochen beschmierten, dann erneuerten Straßenschilder in der Thorak-Straße wurden gestohlen. Nun nehmen sich die Künstler Wolfram P. Kastner und Daniel Toporis des Themas an.

Straßenschilder in der Thorak-Straße gestohlen

Gerald Lehner

Großes Straßenschild weg

Die vor einigen Wochen beschmierten und dann wieder erneuerten Straßenschilder zu Ehren des Nationalsozialisten, Künstlers und Bildhauers Josef Thorak an der Ecke Baumbichlstraße und Ecke Ziegelstadelstraße in Salzburg-Aigen sind in den vergangenen Tagen (oder Nächten?) heruntergerissen und entwendet worden.

„Ent-Thoraken“ am Mittwoch

Der neuerdings zum Thema Thorak in Salzburg aktive Münchner Künstler Wolfram P. Kastner teilte dem ORF auf Anfrage mit, dass er mit dem aktuellen Diebstahl bzw. Verschwinden der Straßenschilder ganz und gar nichts zu tun habe.

Wolfram Kastner und Daniel Toporis gegen Thorak

haGalil.com

Kastner und Toporis mit überklebtem Hausnummernschild. Mit dem Verschwinden der großen Straßenschilder hätten sie nichts zu tun, betonen sie

Kastner und sein Salzburger Künstlerkollege Daniel Toporis zogen am Mittwoch eine von ihnen schon lange geplante Protest- und Kunstaktion gegen den Straßennamen und die Thorak-Skulpturen in der Salzburger Innenstadt durch. Die Straßenbenennung war 1963 durch die Salzburger Politik erfolgt. Das aktuelle Projekt von Kastner und Toporis trägt den Titel „Ent-Thoraken“.

Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) ließ vor ein paar Wochen die von Unbekannten beschmierten Schilder entfernen, neue anfertigen und montieren - mit dem Hinweis, dass im kommenden Jahr 2017 eine Historikerkommission entscheiden werde, ob die Thorak-Straße umbenannt werde. Aus seiner Sicht sei die Umbenennung sehr wahrscheinlich, sagte Schaden dem ORF. Er wolle den Historikern aber nicht vorgreifen.

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„Mehr als 30 Thorak-Hausnummern“

Die Künstler Kastner und Toporis kritisieren die Politik heftig: „In dieser Stadt wird bis heute ein Nazi geehrt, der auf Hitlers Liste der `Gottbegnadeten` stand, und der die verbrecherische Ideologie und den Rassenwahn in überdimensionale Kitschwerke umsetzte“, sagen Kastner und Toporis. Bei den Häusern in der Straße gebe es dazu noch mehr als 30 Hausnummern, auf deren Schildern Thorak verewigt sei: „Mit dem damit verbundenen Postverkehr wurde und wird der Name des Günstlings bis heute hunderttausendfach verbreitet. Ein untragbarer Zustand.“

Paracelsus Statue von Thorak mit Schild "Nazibildhauer Thorak"

Bürgerliste Salzburg

Am Mittwoch protestierten Wolfram Kastner und Daniel Toporis gegen den „Nazi-Großkitsch“ von Thorak, hier sein „Paracelsus“

„Nazi-Großkitsch unerträglich“

Das Duo spricht von einem Skandal, dass diese Straßenbenennung noch immer nicht beseitigt sei. Weiters wenden sie sich gegen die riesigen Skulpturen von Thorak, die beim Salzburger Mirabellgarten und im Kurgarten seit 1950 unkommentiert stehen. Kastner sieht einen „Nazi-Großkitsch“, der endlich mit Zusatztafeln über die Herkunft versehen werden müsse. Als Anregung brachten sie Mittwoch zwei behelfsmäßige bzw. provokative Schilder mit gotischer Schrift auf den Riesen „Paracelsus“ und „Kopernikus“ an.

Auf Gwiggners Spuren

Kastner und Toporis folgen mit dieser Performance dem Salzburger Künstler, Bildhauer und Kunstvermittler Bernhard Gwiggner. Der initiierte im vergangenen Frühling im Salzburger Mirabellgarten eine Protest- und Kunstaktion gegen den Umgang der Stadtpolitik mit dem Thema Thorak. Dazu kam im Verlag „Edition Tandem“ auch ein neues Buch über Gwiggners langjährige Bemühungen heraus. Der gebürtige Tiroler und Lehrende an der Uni Mozarteum distanziert sich gleichzeitig von der Beschmierung und vom Diebstahl der Straßenschilder durch Unbekannte. Das sei alles kontraproduktiv. Die Straße sollte aber endlich umbenannt werden - zu Ehren einer ermordeten Widerstandskämpferin, so Gwiggner und die anderen Künstler.

Umbenennung zu Ehren von Helene Taussig?

Die Malerin Konstanze Sailer machte schon vor Monaten zur möglichen Umbenennung der Straße den Vorschlag, statt Thorak sollte künftig der Name der Salzburger Künstlerin Helene Taussig auf den Schildern stehen. Diese wurde von den Nazis verfolgt und ermordet.

Grüne Bürgerliste kritisiert SPÖ

Am Mittwoch äußerten sich auch Ingeborg Haller, Bernhard Carl und Helmut Hüttinger zu dem Thema, Mitglieder der grünen Fraktion (Bürgerliste) im Salzburger Stadtparlament. Es sei nicht akzeptabel, dass die seit langer Zeit regierende Salzburger SPÖ nicht schon längst diese Missstände beseitigt habe. Das Trio fordert seit Jahren, dass die Thorak-Straße umbenannt und eine sozial, zeithistorisch-didaktisch sowie politisch verträgliche Lösung für Thoraks Monumentalskulpturen gefunden werde.

Gerald Lehner, ORF Radio Salzburg

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