Sorge um „Ernährungsfanatiker“

Bei immer mehr Menschen kreisen die Gedanken nur noch um gesunde Lebensmittel. Ernährungsexperten nennen sie „Orthorektiker“ und warnen, dass ihr Ernährungsfanatismus nicht selten krankhafte Züge annimmt.

Für immer mehr Menschen kann es bei der Ernährung nicht gesund genug sein: Sie setzen zum Beispiel auf rohe Kakaobohnen aus Südamerika, Chiasamen aus Mexiko, Sprossen, Grapefruitkernextrakt oder auch Algen. All diese Produkte werden als „Superfoods“ bezeichnet, weil sie besonders nährstoffreich sein sollen und eine besonders gesunde Wirkung haben sollen. Für Orthorektiker gehören sie zur Grundausstattung in der Küche.

"Superfoods" wie rohe Kakaobohnen (links unten)

ORF

„Superfoods“ wie zum Beispiel rohe Kakaobohnen (links unten) sind bei Orthorektikern hoch im Kurs

Ernährungsexperten wie Gabriele Scheberan von der Salzburger Gebietskrankenkasse sehen diese Entwicklung aber skeptisch: „Die ‚Superfoods‘, wie sie in letzter Zeit propagiert werden, können natürlich eine Bereicherung des täglichen Speiseplans sein, wenn man eine geschmackliche Abwechslung oder gerne Exoten möchte. Allerdings ist es so: Mit einer Handvoll dieser Superfoods kann man Nährstoffmängel oder auch schlechtes Ernährungsverhalten nicht verbessern.“

„Nicht nur Glaube, sondern ein Zwang“

Denn auch wenn Orthorektiker glauben, sich durch ihr Interesse für Lebensmittel besonders gesund zu ernähren, ist in der Praxis oft genau das Gegenteil der Fall, beobachtet die Ernährungsmedizinerin Gabriele Holfeld-Weitlof: „Da besteht dann die Gefahr: Wenn ich überhaupt nicht mehr diese entsprechenden Lebensmittel finde, die so gesund sind und die den Qualitätskriterien entsprechen, die ich mir vorgenommen habe, dann kann natürlich auch eine Mangelernährung entstehen. Spätestens da ist die Orthorexie nicht mehr nur ein Glauben, sondern schon mehr eine Krankheit oder ein Zwang.“

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Essen als Religion

Bei Orthorektikern kreisen die Gedanken nur noch um gesunde Lebensmittel - mit potenziell schädlichen Folgen.

Und die extreme Beschäftigung mit Ernährung und die Angst vor ungesunden Lebensmitteln kann auch zu Depressionen führen, weiß die Psychologin Karoline Greiml von der Salzburger Landeskliniken: „Es kann negativ werden, wenn dadurch zum Beispiel die Sozialkontakte vernachlässigt werden. Orthorektische Menschen schlagen Einladungen ab, weil sie das Gefühl haben, man kann den anderen Menschen nicht trauen - die ernähren sich nicht so gesund, wie man es selber gerne hätte. Und jeder Verstoß gegen diese selbst auferlegten Regeln ist mit massiven Schuldgefühlen verbunden.“

Das Interesse für gesunde Ernährung ist durchaus sinnvoll, sollte aber nicht zur Weltanschauung werden, sind sich die Ernährungsexperten einig.

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