Zu viel Macht für Gerichtsgutachter?

Der Betrugsprozess gegen einen Sachverständigen und Psychologen, der in Salzburg sorgerechtliche Gutachten in Serie erstellt haben soll, wirft viele Fragen über die Justiz auf. Wer kontrolliert die gerichtlich beauftragten Experten? Wie viel Macht haben sie tatsächlich?

Der verdächtige Psychologe Gutachter des Salzburger Landesgerichtes soll laut Anklage mehr als ein Dutzend falsche Gutachten „wie auf dem Fließband“ erstellt haben. Und in Vorarlberg gibt es ein Verfahren gegen einen renommierten Gerichtspsychiater. Das sind nur zwei Beispiele aus der Justiz, bei denen es für die Öffentlichkeit in der Demokratie viele Fragezeichen gibt.

Gutachter Gerhard Kronreif

ORF

Der Techniker, Verkehrs- und Unfall-Gutachter Gerhard Kronreif spricht offen über die Machtposition von Sachverständigen bei Gericht. Die Justiz selbst spiele das Thema eher herunter, sagen Strafverteidiger. Und Sprecher des Gerichtes weisen jede Kritik zurück

Kronreif: „Sind uns der Macht bewusst“

Insgesamt gibt in Salzburg 528 gerichtlich beeidete Gutachter und Sachverständige, die für die Justiz arbeiten. In einigen Fachgebieten stehen deutlich mehr Experten zur Verfügung als in anderen. Zum Beispiel Gerhard Kronreif wird immer dann gerufen, wenn Verkehrsunfälle analysiert werden müssen. In seinem Fachgebiet gibt es nur zwei Sachverständige für die Salzburger Justiz.

Kronreif betont, es sei Gutachtern schon klar, dass ihre Expertisen in Urteilen übernommen würden: „Anklagen, Freisprüche, Verurteilungen oder Einstellungen von Verfahren hängen oft direkt von meinen Beurteilungen der Fälle ab.“

Kritik der Rechtsanwaltskammer

Dass Richter fachliche Gutachten als Beweismittel zur Urteilsfindung brauchen, das stehe außer Frage. Das betont Leopold Hirsch, ehemaliger Präsident der Salzburger Rechtsanwaltskammer. In den Reihen der Verteidiger scheint es immer wieder viele zu geben, die das bestehende System kritisch sehen.

Hirsch verweist auf vertauschte Rollen in der Justiz: „Es wird immer wieder kritisiert, dass Staatsanwälte die Leitung im Ermittlungsverfahren mehr oder weniger an Sachverständige abgeben. Dann wird der Sachverständige zum Chefermittler, und der Staatsanwaltschaft gründet seine Anklage auf dieses Elaborat des Gutachters.“

Daten, Fakten der Gerichtsmedizin

Gutachten über Verkehrsunfälle basieren auf physikalischen oder sonstigen naturwissenschaftlichen Daten. Das sei auch in der Gerichtsmedizin ähnlich, betont deren Salzburger Leiterin Edith Tutsch-Bauer: „Wir machen Obduktionen und Gutachten zu allen möglichen Fragestellungen. Dann erstellt die Abteilung DNA ihre Gutachten. Die sind sehr zahlreich. Und auch die Toxikologie kommt da noch dazu – zur Feststellung von Alkohol und Drogen.“

Knapp 3.000 Gutachten erstellen Sachverständige der Gerichtsmedizin im Jahr. Jedes werde doppelt geprüft. Kritische Fragen zu den Ergebnissen seien vor Gericht erwünscht, so die Expertin: „Jeder Verteidiger soll das Beste für seinen Mandanten herausholen. So sind sachliche Nachfragen zu den Gutachten meiner Meinung nach absolut legitim. Deshalb finde ich es auch gut und richtig, wenn vor Gericht über die Gutachten diskutiert wird.“

Justizsprecher weisen Vorwürfe zurück

Der Vorsteher und Sprecher des Bezirksgerichtes sieht das anders. Wolfgang Filip entscheidet unter anderem, ob eine Befangenheit der Richter oder der Gutachter vorliegt: „Ich bin der Herr des Verfahrens als Richter. Natürlich ist das Richtersein eine Machtposition. Ich lasse mir von niemandem – in aller Demut den Parteien gegenüber – wegnehmen. Es ist meine Aufgabe, dass zugunsten der Parteien gearbeitet wird. Wir müssen dabei der Wahrheit so nahe wie möglich kommen.“

Wenn Gutachter gebraucht werden, dann wählen Richter aus einer amtlichen Liste aus. Kritikern ist die aber nicht umfangreich genug. Das führe bei manchen Gutachtern zu sehr vielen Aufträgen, starker Belastung, wenn nicht sogar zu Überbelastung und Fehlern.

Gerichtspräsident sieht keine Missstände

Hans Rathgeb, Präsident des Landesgerichtes, weist diese Kritik zurück: „Es gibt viele verschiedene Fachgebiete. Und es ist richtig, dass die Zahl der Sachverständigen unterschiedlich sein kann.“ Qualität, Verwertbarkeit und Rechtzeitigkeit von Gutachten würden immer wieder einer Prüfung unterzogen.

Rathgeb betont, das Gutachten eines Sachverständigen sei ein Beweismittel neben vielen anderen: „Es geht hier konkret darum, dass das Fachwissen beim Richter in einzelnen Fachgebieten nicht vorhanden ist.“ Deshalb brauche das Gericht dann ein Gutachten des Sachverständigen.

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