Haus der Natur: Tratz verliert Ehrenbürgerschaft

Die Stadt Salzburg will nun dem früheren Direktor des Hauses der Natur, Eduard Paul Tratz, wegen dessen nationalsozialistischer Vergangenheit die 1963 verliehene Ehrenbürgerschaft aberkennen. Das ist durch einen neuen Amtsbericht absehbar.

Eduard Paul Tratz SS Obersturmbannführer Direktor und Gründer im Haus der Natur Himmlers Darling

Vom Auto aus. Bergland Buch 1931

Tratz in den 1930er-Jahren

Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) hat am Freitag den Gemeinderatsfraktionen einen entsprechenden Amtsbericht zukommen lassen. Der Stadtsenat soll sich bereits am kommenden Montag mit dem Thema befassen. Es geht auch um massive Hetze gegen Behinderte und ethnische wie religiöse Minderheiten, die Tratz im Haus der Natur betrieb, wie Historiker dokumentiert haben.

Lange wurde zugesehen

Noch 2007 wurde von der Stadtpolitik argumentiert, dass die Ehrenbürgerschaft der Stadt mit dem Tod von Tratz im Jahr 1977 ohnedies erloschen sei. Nun sieht man das anders: Die juristische Expertise der Magistratsdirektion stellt fest, „dass mittlerweile auch dahin gehend die Rechtsmeinung vertreten wird, dass bei ‚Personen, die nachweislich keine Ehre über eine Stadt oder Gemeinde brachten‘, der ‚symbolische Akt der Aberkennung oder Widerrufung ein entsprechendes Signal‘ ist“.

Eduard Paul Tratz SS Haus der Natur SS-Akt

United States National Archives / Gerald Lehner

Dienstlicher Akt des Vogelforschers und hohen SS-Offiziers Tratz beim „Rasse- und Siedlungshauptamt“ der SS in Berlin

Es gehe sehr wohl darum, an der Einschätzung des Verstorbenen etwas zu ändern. Der Amtsbericht schlägt deshalb vor, die Ehrenbürgerschaft Tratz’ zu widerrufen.

Details schon 1998 im ORF publiziert

Die Mandatare Ingeborg Haller und Helmut Hüttinger von der Bürgerliste (Grüne in der Stadt) hatten bereits seit 1998 mehrfach diesen Schritt gefordert. Nachdem der Salzburger Historiker Gert Kerschbaumer und ORF-Redakteur Gerald Lehner umfassendes Material über Tratz, seine politischen Funktionen, den im Haus der Natur einst als Ausstellungsgestalter eingebundenen SS-Kriegsverbrecher und Tibetforscher Bruno Beger sowie diverse Museumsprojekte veröffentlicht hatten - im ORF-Radioprogramm von Österreich 1, Radio Salzburg und auch international.

Bei diesen Publikationen ging es auch um Fragen, wie Politiker, Naturwissenschafter und die Museumsführung über Jahrzehnte mit dem Thema umgingen? Der frühere Landeshauptmann-Stellvertreter Gerhard Buchleitner (SPÖ) ordnete daraufhin als - damals neuer - Kuratoriumschef des Hauses der Natur eine offizielle Untersuchung der Museumsgeschichte an. Gleichzeitig musste auf Weisung Buchleitners von der Museumsführung unter dem früheren Leiter Eberhard Stüber eine Forschungsstation des Hauses der Natur im Großglocknergebiet umbenannt werden, die noch 1986 zu Ehren von Tratz benannt worden war.

Hetze, Judenhass: Ehrendoktorrat weg

Aktueller Auslöser für die neuerliche Debatte über die Ehrenbürgerschaft der Stadt war die Universität Salzburg, die Tratz Mitte Oktober 2014 das 1973 verliehene Ehrendoktorrat aberkannt hatte. Wie auch beim vorliegenden Amtsbericht basierte dieser Schritt vor allem auf einem Gutachten des Salzburger Historikers und Universitätsprofessors Robert Hoffmann. Tratz hatte demnach das von ihm geleitete Haus der Natur während des Nationalsozialismus in das „Ahnenerbe“ der SS integriert. Er errichtete den Saal „Lebensgeschichte“, wofür auch Abformungen von „Rassen und Typen des deutschen Volkes und ihrer Parasiten“, darunter zwei Abformungen von zwei jüdischen Männern aus dem KZ Dachau, angekauft wurden. Letztere wurden als „intellektueller Jude“ bzw. „Handelsjude“ präsentiert.

Vielschichtige SS-Karriere

Tratz beteiligte sich weiters ab Herbst 1939 im Namen des SS-Ahnenerbes an Kunstraubaktionen in Polen und der Ukraine und requirierte Objekte von kirchlichen Institutionen sowie aus privaten jüdischen Sammlungen. Seine wissenschaftlichen Beiträge in SS-Publikationen haben rassistisch-biologistische Grundzüge, die sich an SS-Leitbildern orientieren. Sein sozialdarwinistisches Naturverständnis kann auch als Rechtfertigung für die Ermordung von „lebensunwertem Leben“ interpretiert werden, wie Behinderte damals diffamiert und gebrandmarkt wurden.

Haller verweist auf aktuelle NS-Schmierereien

Angesichts der jüngsten Serie rechtsextremer Straftaten in der Landeshauptstadt sei es umso wichtiger, dass die Stadt Salzburg deutliche Signale zur Abgrenzung von jeglicher Nähe zum Nationalsozialismus aussende, sagt Bürgerlisten-Gemeinderätin Ingeborg Haller. Gerade deshalb mache eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft von Tratz auch 69 Jahre nach Kriegsende noch Sinn.

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